Am Montag starb vermutlich erstmals weltweit ein Mensch in der Suizidkapsel Sarco. Abgeschieden in einem Waldstück im Kanton Schaffhausen.

Seither herrscht helle Aufregung. Auch weil Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider kurz zuvor öffentlich gesagt hatte, Sarco sei aus zweierlei Gründen rechtswidrig.

So soll die Kapsel die Anforderungen des Produktesicherheitsrechts nicht erfüllen, und auch die Verwendung von Stickstoff sei nicht mit dem Zweckartikel des Chemikaliengesetzes vereinbar.

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Diese Argumentation ist allerdings fragwürdig: Swissmedic publizierte in einer Medienmitteilung bereits vor Wochen die Einschätzung, dass es sich bei Sarco weder um ein Arzneimittel noch um ein Medizinprodukt handelt.

Damit stützt die Behörde auch ein Gutachten der Sarco-Sterbehilfeorganisation The Last Resort (Der letzte Ausweg). Gemäss einem Bericht der «NZZ» kommt dieses zum Schluss: Weil es sich nicht um ein Medizinprodukt handle, müsse es auch nicht geprüft werden.

Strafverfahren eröffnet

Unabhängig davon hat die Schaffhauser Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren eröffnet. Laut der Medienmitteilung wirft sie den Sarco-Leuten Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord vor.

Konkret geht es dabei um den Artikel 115 des Strafgesetzbuches: «Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmord verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird […] mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Umgekehrt gilt: Assistierte Sterbehilfe aus uneigennützigen Gründen ist erlaubt – sofern der Suizidwillige urteilsfähig ist und die tödliche Substanz ohne Fremdeinwirkung selber einnimmt, wie etwa das Bundesamt für Justiz in einem Leitfaden schreibt.

Doch was sind «selbstsüchtige Beweggründe»? «Damit ist entweder die finanzielle Bereicherung gemeint oder die Verfolgung eines affektiven Motivs, etwa Hass, Bosheit oder Rachsucht», sagt Christopher Geth, Strafrechtsprofessor an der Universität Basel.

Dazu zählen überrissen hohe Gebühren, die eine Kommerzialisierung der Sterbehilfe bedeuten würden, oder etwa die Befreiung von einer als lästig empfundenen Person.

«Ich wäre skeptisch, dass Gerichte einen Sterbehilfeaktivismus wie von den Sarco-Verantwortlichen bereits als egoistische Verhaltensweise einstufen werden.»

Christopher Geth, Strafrechtsprofessor Uni Basel

Bisher wurden dem Sarco-Gründer Philip Nitschke allerdings eher aktivistische Motive vorgeworfen. Er vetrete radikales Gedankengut und setze sich ohne Rücksicht auf geltende ethische Grundsätze für eine möglichst liberale Suizidhilfepraxis ein.

So findet Nitschke etwa, alle zurechnungsfähigen Erwachsenen sollten das Recht auf einen selbst gewählten friedlichen Tod haben – auch wenn sie bei guter Gesundheit sind. 

Das widerspricht der Praxis Schweizer Sterbehilfeorganisationen wie Exit. Sie verlangen neben einem unzumutbaren Leiden, dass die Sterbewilligen urteilsfähig sind, nicht aus dem Affekt handeln, mögliche Alternativen kennen, einen dauerhaften Sterbewunsch hegen, nicht beeinflusst sind und den Suizid eigenhändig ausführen.

Damit soll sichergestellt werden, dass eine Freitodbegleitung nicht «das Resultat einer momentanen depressiven Verstimmung oder Krise ist», wie Exit schreibt.

Ob die Sarco-Verantwortlichen nun mit einer Verurteilung rechnen müssen, ist alles andere als gewiss. «Für mich ist fraglich, ob Gerichte einen Sterbehilfeaktivismus, wie er den Sarco-Verantwortlichen vorgeworfen wird, als selbstsüchtig einstufen werden», sagt Strafrechtsprofessor Geth.

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