Hilfe anbieten, aber auch Nein sagen können
Wer nahestehende Personen mit psychischen Problemen betreut, stösst oft an seine Grenzen. SRK-Bildungsexpertin Irene Stutz erklärt, worauf man achten sollte.
Veröffentlicht am 18. November 2021 - 09:00 Uhr
Beobachter: Frau Stutz, unter welchen psychischen Problemen leiden ältere, hilfsbedürftige Menschen häufig?
Irene Stutz: Viele leiden darunter, abhängig zu sein. Plötzlich sind sie nicht mehr diejenigen, die Unterstützung geben, sondern müssen Unterstützung annehmen
. Das kann zu Depressionen, Suchtproblemen und anderen psychischen Erkrankungen führen.
Woran erkenne ich, ob jemand psychisch erkrankt ist?
Seien Sie wachsam und achten Sie auf Veränderungen im Verhalten. Hat die Person Tätigkeiten aufgegeben, die sie früher gern gemacht hat? Vermeidet sie soziale Kontakte, ist ihre Mimik reduziert, ist sie traurig und weint häufig? Ist sie unruhig oder lethargisch? Leidet sie unter Schlafstörungen? Die Symptome sind vielfältig und sehr individuell.
Was sollen Angehörige tun?
Es kommt darauf an, ob es sich um eine akute Krise oder einen latenten Zustand handelt. Im Fall einer akuten Krise sollten Sie sofort Hilfe holen. Wenn es sich um einen schleichenden Zustand handelt, hilft das persönliche Gespräch mit dem Ziel, gemeinsam einen Ausweg zu finden. Erklären Sie, dass es Hilfe gibt und psychische Krankheiten geheilt werden können. Ausserdem ist es ganz wichtig, dass Sie als Betreuungsperson
auch für sich Unterstützung und Beratung suchen.
«Nehmen Sie Ihre eigenen Grenzen wahr und respektieren Sie diese.»
Irene Stutz, SRK-Bildungsexpertin
Welche konkreten Hilfsangebote gibt es?
In der Akutsituation rufen Sie am besten die Ambulanz
. Informieren Sie unbedingt auch den Hausarzt oder die Hausärztin. Unterstützung und Beratung bei psychischen Problemen bieten Pro Mente Sana, die Dargebotene Hand 143, aber auch kantonale psychiatrische Dienste und Organisationen (siehe
Box unten).
Was lernen betreuende Angehörige in Ihren Kursen?
Als Partnerorganisation von Pro Mente Sana bieten wir «Ensa – Erste Hilfe für psychische Gesundheit» an. Diese Kurse richten sich an alle. Wir vermitteln Grundwissen über verschiedene psychische Probleme und Krisen. Die Teilnehmenden lernen, diese zu erkennen und einzuschätzen. Aber Achtung: Die Kurse sind für Laien – überlassen Sie die Diagnose Fachpersonen.
Die Betreuung einer nahestehenden Person ist belastend. Wie schütze ich mich selbst?
Ein sorgfältiger Umgang mit sich ist wichtig. Nehmen Sie Ihre eigenen Grenzen wahr und respektieren Sie diese. Das kann auch bedeuten, Dinge zu tun, die Ihnen schwerfallen, beispielsweise Nein zu sagen oder Unterstützung anzunehmen.
- Hausärztin oder Hausarzt
- Örtliche Spitex-Organisation
- Pro Mente Sana (Beratung für Betroffene und Nahestehende)
- Die Dargebotene Hand unter Telefon 143 oder www.143.ch
- Entlastungsdienste der Rotkreuz-Kantonalverbände
Zur Person
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit* mit dem Schweizerischen Roten Kreuz entstanden.
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK), gegründet 1866, ist die grösste humanitäre Organisation der Schweiz mit 53'000 Freiwilligen und 500'000 Mitgliedern und setzt sich für verletzliche und benachteiligte Menschen in der Schweiz und im Ausland ein. Zum SRK gehören 24 Rotkreuz-Kantonalverbände, vier Rettungsorganisationen und zwei Institutionen. Als vom Bund anerkannte, einzige nationale Rotkreuzgesellschaft ist das SRK Teil der weltweiten Rotkreuzbewegung.
* Zusammenarbeit bedeutet, dass ein finanzieller Beitrag an die Produktion des Buches und die Beiträge geleistet wurde. Für den journalistischen Inhalt ist allein die Redaktion verantwortlich.
Betreuung & Erwerbstätigkeit
Silvan Rüegg