Welche Auswirkungen das Coronavirus auf das Herz haben kann
Eine Covid-19-Erkrankung kann das Herz langfristig schädigen. Wie die Infektion ihm zusetzt und was man tun kann, um Spätfolgen zu vermeiden.
Veröffentlicht am 13. Dezember 2022 - 11:31 Uhr
Hatten Sie in den letzten Monaten Covid-19? Vielleicht fragen Ärzte bald danach, wie nach Rauchen, Gewicht oder Bewegungsgewohnheiten. Denn es wird immer klarer, dass die Infektion mit Sars-CoV-2 Langzeitfolgen für das Herz-Kreislauf-System haben kann. Das zeigte eine Analyse der Gesundheitsdaten von Millionen Veteranen des US-Militärs.
Auf 1000 Personen, die Covid-19 hatten, gab es 45 zusätzliche Fälle von Herzerkrankungen, darunter Schwäche, Infarkt und Rhythmusstörungen – und zwar bei Personen, bei denen solche Erkrankungen zuvor nicht aufgetreten waren.
Auch bei mild verlaufenden Infektionen kann das Herz betroffen sein. Das zeigte zuletzt eine Studie aus Deutschland, bei der Menschen untersucht wurden, die zuvor keine Herzerkrankungen gehabt und nun eine Covid-19-Infektion ohne Hospitalisierung durchgemacht hatten.
Forscher aus Frankfurt wiesen nach, dass Beschwerden wie Belastungsintoleranz, Herzrasen und Brustschmerzen dann auftreten, wenn mit Magnetresonanztomografie auch Entzündungszeichen im Herz festgestellt wurden. Obwohl die Patienten jung (durchschnittlich 43 Jahre) und gesund waren, berichteten 73 Prozent zu Beginn der Studie (vier Monate nach der Diagnose) von Symptomen, die mit dem Herz-Kreislauf-System in Zusammenhang standen.
Grosse Aufmerksamkeit erregt
Allerdings können aus dieser Studie keine Schlüsse über die Häufigkeit von Herzsymptomen nach Covid-19 gezogen werden, weil die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer nicht zufällig ausgewählt wurden. Sie folgten einem Aufruf, dem wahrscheinlich eher Personen nachkamen, die nach der Infektion über Herz-Kreislauf-Symptome klagten.
«Nach durchschnittlich elf Monaten untersuchten wir die Studienteilnehmer nochmals», sagt Studienautorin Valentina Puntmann, Kardiologin und Privatdozentin an der Uni Frankfurt. «57 Prozent hatten immer noch Beschwerden – und die entsprechenden Patienten waren meistens weiter auffällig im MRT-Scan.»
Die Studie hat in der Herzmedizin grosse Aufmerksamkeit erregt. «Für mich ist es plausibel, dass diese Entzündungszeichen etwa für verringerte Leistungsfähigkeit verantwortlich sind, die viele Long-Covid-Patienten beschreiben», sagt Christian Schmied, Professor für Kardiologie am Universitären Herzzentrum Zürich, der nicht an der Studie beteiligt war. «Es handelt sich aber meist nicht um eine klassische Herzmuskelentzündung.»
«Es braucht viel Erfahrung, um die Diagnose richtig zu stellen, weil die Befunde nicht wie bei einer klassischen Herzerkrankung sind.»
Valentina Puntmann, Kardiologin und Studienautorin
Das heisst: Die Viren befallen bei Covid-19 nicht die Herzmuskelzellen. Demzufolge bleibt auch die Narbenbildung, die das Herz nachhaltig schädigen kann, häufig aus. «Ich gehe davon aus, dass Langzeitschäden am Herzmuskel geringer ausfallen werden als bei anderen von Viren hervorgerufenen Herzmuskelentzündungen», sagt Christian Schmied. «Dies gilt jedoch nicht für die Herzgefässe.»
Denn die kleinen Arterien, die das Organ mit Blut versorgen, entzünden sich bei der Covid-19-Herzmuskelentzündung. «Es ist wohl eine Art Autoimmunreaktion», sagt Puntmann. Also eine überschiessende Immunantwort, die die Gefässwände angreift. Eine MRT vom Herz kann den Nachweis erbringen, ist aber bislang kein Standardverfahren, wenn Long-Covid-Beschwerden am Herz-Kreislauf-System abgeklärt werden. «Es braucht viel Erfahrung, um die Diagnose richtig zu stellen, weil die Befunde nicht wie bei einer klassischen Herzerkrankung sind», sagt Puntmann.
Die Co-Autorin der weltweit massgeblichen Leitlinien der US-Kardiologenvereinigung (ACC) vermutet, dass auch bei vielen Covid-19-Erkrankten in der Akutphase eine Entzündung am Herz vorliegen könnte. «Bei den meisten Patienten nimmt diese Entzündung einen milden Verlauf und heilt von allein aus – es gibt allerdings in unserer Studie auch eine kleine Gruppe von Menschen, die während der Covid-Erkrankung noch keine Herz-Kreislauf-Symptome hatten und diese erst später entwickelten.» Sie haben also wohl zunächst nichts von einer solchen Entzündung bemerkt.
«Ich halte Covid-19 für einen neuen Risikofaktor für Herzerkrankungen und nehme an, dass die Zahl der Infarkte steigen wird.»
Christian Schmied, Professor für Kardiologie am Universitären Herzzentrum Zürich
Ein Risiko ist Covid-19 langfristig für Menschen, die bereits eine Herzerkrankung haben. «Es gibt mehr und mehr Studien, die zeigen, dass der Verlauf von Herzerkrankungen wie Arteriosklerose durch die Infektion beschleunigt wird», sagt Puntmann. Christian Schmied vom USZ hält Covid-19 deshalb für einen neuen Risikofaktor für Herzerkrankungen. «Ich nehme an, dass die Zahl der Infarkte steigen wird», sagt er. Medikamente gegen die negativen Langzeitwirkungen von Covid-19 gibt es noch nicht.
Impfen, Maske tragen, schonen
Wie kann man vorbeugen? Die Infektion vermeiden wäre das Beste, aber das wird immer schwieriger, denn Sars-CoV-2 wird bleiben. «Wenn die Corona-Impfungen bislang gut vertragen wurden, rate ich zum Booster», sagt Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie an der Uniklinik Marburg und Leiter der dortigen Long-Covid-Ambulanz.
«Ansonsten gilt es, vor dem Winter das Risikoprofil besonders von älteren Menschen zu optimieren: Maske tragen, genug Vitamin D aufnehmen, auch die Impfungen gegen Influenza und Gürtelrose sind zu empfehlen.» Letztere kann – nach durchgemachter Windpockeninfektion in der Kindheit – durch Covid-19 aktiviert werden.
Während und nach einer Corona-Infektion ist es ratsam, sich zu schonen. «Auch bei mildem Verlauf sollte man einige Wochen die Intensität beim Sport deutlich reduzieren», sagt Valentina Puntmann. «Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Belastung und den späten Symptomen – sich genügend Zeit zur Erholung zu geben, ist ein guter Weg, Symptome zu vermeiden.»
Noch wichtiger ist es, auf körperliche Belastung zu verzichten, wenn man nach der Infektion weniger fit ist als zuvor. «Hier kann eine Überlastung zu einer Chronifizierung der Beschwerden führen», sagt Puntmann.
Mit der Energie haushalten
Betroffene sprechen von regelrechten Zusammenbrüchen, von Crashs, oft schon nach alltäglichen Tätigkeiten. Hier setzt das Konzept des Energiemanagements, des Pacings, an. Dabei geht es darum, die eigenen Grenzen anzuerkennen . Eine Pulsuhr kann helfen, das Überschreiten eines individuell bestimmten Werts zu vermeiden und so auch einen Crash zu verhindern.
Mit der Zeit versucht man, die noch tolerierbare Herzfrequenz schrittweise zu erhöhen. «Bei Long-Covid-Patienten mit Belastungsintoleranz verliert das Herz an Kraft und wird kleiner», sagt Puntmann. «Einerseits ist es wichtig, dass die Patienten sich schonen. Anderseits sollten sie aber die Aktivität langsam erhöhen und so aktiv bleiben, wie es ihnen möglich ist, um die Leistungsfähigkeit des Herzes zu erhalten.»
Das Herz zu schützen, ist für alle gut, noch mehr gilt das aber für Personen, deren Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung möglicherweise durch eine durchgemachte Corona-Infektion erhöht ist. «Sport treiben und sich ausgewogen ernähren, also eine mediterrane Diät mit viel frischem Obst, Gemüse, Fisch und nur wenig rotem Fleisch – diese Lebensstilfaktoren sind sehr effizient, um Herz- und Gefässkrankheiten vorzubeugen», sagt Christian Schmied. «Das galt schon vor der Pandemie und ist jetzt noch wichtiger geworden.»
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1 Kommentar
Mich würde interessieren warum in den Studien der US Veteranen der Impfstatus in keiner Weise erwähnt wird. Denn wenn man nicht alle möglichen Parameter in Betracht zieht, kann auch die Wissenschaft falsche Schlüsse ziehen, welche zu verheerenden Folgen führen könnte.