Das Leben als Videospiel – neues Level, neue Probleme
Auch Psychologinnen und Psychologen haben ihre guten und schlechten Tage. Caroline Fux gibt in dieser Kolumne Tipps, welche «Lifehacks» man in Eigenregie anwenden kann, wenns mal nicht so rundläuft.
Veröffentlicht am 18. April 2023 - 14:31 Uhr
Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Klientinnen und Klienten. Zum Beispiel dann, wenn ich ihnen gegenübersitze und der Eindruck entsteht, dass ich mein Leben komplett im Griff habe.
Dass ich keine miesen Tage oder wunden Punkte habe oder mit allem aus meiner Vergangenheit im Reinen bin und dass ich jeden einzelnen Tipp, den wir in der Praxis besprechen, selbst in Perfektion und bedingungsloser Konsequenz umsetzen könnte.
Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich glaube von Herzen an das, was ich meinen Klientinnen und Klienten empfehle. Ich würde nichts raten und weitergeben, das ich nicht schon selbst versucht habe und für machbar und erstrebenswert halte. Aber heisst das deshalb, dass mir alles gelingt? No way.
«Zurück auf Feld eins» ist nichts Schlimmes
Auch wir Fachleute kämpfen manchmal mit dem Leben. Wir sind genau wie alle anderen damit konfrontiert, dass es mal aufwärts und mal abwärts geht. Dass man die Dinge zwar im Griff haben kann, aber eben nur so lange, bis sie sich ändern und die Karten neu gemischt werden.
«Ein 'Zurück auf Feld eins'-Gefühl ist oft der Beweis dafür, dass wir weitergekommen sind.»
Caroline Fux, Psychologin
Für mich funktioniert das Leben wie ein Videospiel. Level folgt auf Level. Wir entdecken immer wieder neue Herausforderungen, neue Hürden und neue Lektionen.
Dann fühlen wir uns frustriert und zum tausendsten Mal auf Feld eins zurückversetzt. Und vergessen, dass alles, was wir heute beherrschen, irgendwann mal schwierig war. Ein «Zurück auf Feld eins»-Gefühl ist also oft nichts anderes als ein Beweis dafür, dass wir weitergekommen sind.
Tipps und Tricks für den Level-Aufstieg
In meiner letzten Kolumne habe ich davon geschrieben, wie wichtig es ist, Hilfe annehmen zu können. Heute soll es um Interventionen und «Lifehacks», also Lebenskniffe, gehen, die man in Eigenregie durchziehen kann.
Die folgenden sind aktuell meine liebsten und wichtigsten. Seit ich sie konsequent anwende, gab es in meinem Leben den einen oder anderen Level-Aufstieg. Vielleicht haben Sie ja Lust, es auch mal zu probieren:
- Seien Sie wählerisch bei Dingen wie Nachrichten, Social Media oder anstrengenden Menschen. Und darüber hinaus allgemein mit allem, was Sie Ihrem Geist und Ihrem Körper zuführen. Nicht alles, was Ihnen angeboten wird, tut Ihnen gut. Die Welt ist so vernetzt und stimulierend, dass wir die Fülle gar nicht wirklich verarbeiten und ertragen können.
- Führen Sie ein Dankbarkeitstagebuch. Notieren Sie jeden Morgen drei Dinge, für die Sie dankbar sind. Nehmen Sie sich ein oder zwei machbare Sachen vor, die Ihnen den Tag versüssen werden. Schreiben Sie am Abend auf, was Ihnen an diesem Tag besonders gut gefallen hat. Sie werden sehen, dass sich die Hintergrundmusik im Film Ihres Lebens innerhalb kurzer Zeit und nachhaltig ändert.
- Führen Sie ein wöchentliches Beziehungsgespräch. Beziehungen sind wichtig für unser Wohlbefinden, aber sie sind keine Selbstläufer. Wir kümmern uns oft erst um alles andere statt um die Menschen, mit denen wir unser Leben teilen. Kommen Sie zusammen. Geben Sie sich ein Update, was gerade läuft. Sie sind gerade solo unterwegs? Auch gut. Ziehen Sie für sich eine offizielle Wochenbilanz, etwa, indem Sie an einem Tag der Woche das Dankbarkeitstagebuch ausführlicher führen.
- Tragen Sie Ihrem Körper Sorge. Bewegen Sie ihn . Spüren Sie ihn und pflegen Sie ihn. Lernen Sie, auf seine Signale zu hören. Besonders wenn Sie sich als Kopfmenschen erleben. Die Grenzen zwischen Körper und Geist sind fliessend. Fangen Sie an, das Zusammenspiel dieser Pole zu verstehen – werden Sie zu einem ganzen Menschen. Das rockt.
- Entscheiden Sie sich für das, was für Sie stimmt. Vielleicht sind all diese Vorschläge Mumpitz für Sie. Wir alle brauchen und wollen etwas anderes, um uns gut zu fühlen. Respektieren Sie das. Finden Sie Ihren eigenen Weg. Und der besteht manchmal daraus, tolle Ideen und Verbesserungen auszuschlagen und weniger zu tun.
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1 Kommentar
Danke, das klingt sehr erfrischend, auch wenn jetzt mal kein direktes Beispiel aufgeführt ist aus der Praxis. Es gilt auch für viele Menschen, welche keine Psychologie studiert haben an einer Uni, sondern für die vielen welche ich kennen lernen konnte, welchen das Leben sehr, sehr übel mitgespielt hatte, die aber nicht daran zerbrochen sind, sondern daran wachsen konnten. Ich treffe sie an als ehrenamtliche Wegbegleiter, bei Benevol, bei Pro Palium, bei der Gassenküche, bei ehemaligen Suchtbetroffenen welche seit 30 Jahren als Streetworker unterwegs sind, bei der Nachbarschaftshilfe in Alterssiedlungen. Ihre Lebenserfahrung machte sie zu weisen Psychologen. Auch diesen sei hier ein Kränzlein gewunden. Danke.