«Ich fühle mich zunehmend einsam»
Die Einschränkungen der Pandemie lassen uns zurückziehen. Dabei braucht der Mensch soziale Kontakte. Welche Wege aus dem Loch der Einsamkeit gibt es?
Veröffentlicht am 25. Februar 2021 - 18:16 Uhr
Leserfrage: «Ich fühle mich zunehmend einsam. Was raten Sie mir?»
Sie schreiben, dass das Thema Einsamkeit immer Ihre Achillesferse war. Sie sind alleinstehend, der Beruf hatte eine grosse Bedeutung für Sie. Und das Bedürfnis nach sozialen Kontakten war zum Glück über den Kontakt im Büro immer einigermassen abgedeckt. Sie gehörten deshalb zu den wenigen, die sich sehr freuten, nach den Ferien wieder zur Arbeit gehen zu können.
Im privaten Bereich haben Sie eine Handvoll Freundinnen, die sind aber recht beschäftigt, zumal einige eine eigene Familie haben.
Nun hat sich die Situation mit Corona aber auch für Sie grundlegend geändert. Am schwierigsten ist für Sie das Homeoffice . Ihre Firma ist seit letzten März mehr oder weniger geschlossen, alle arbeiten von zu Hause aus.
«Einsamkeit ist kein Luxusproblem. Sie ist für Betroffene existenziell schwierig.»
Thomas Ihde, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH
Mit den Freundinnen haben Sie sich meist in der Stadt auf einen Kaffee getroffen. Oft verbunden mit einem kleinen Shoppingbummel. Das hatte eine gewisse Regelmässigkeit. Jetzt merken Sie, dass Sie sich nur noch halb so oft treffen, weil Ihnen ein gemeinsamer Spaziergang in der Natur eben schon nicht gleich viel Spass macht. Auch wenn Sie sich dafür fast etwas schämen. Sie spüren, dass Sie lustloser sind , weniger Energie haben, dass Ihr Leben weniger farbig ist.
Einsamkeit war lange ein Thema, das ein Schattendasein fristete. Heute weiss man, dass Einsamkeit häufig ist. Jede vierte Person empfindet mehrmals wöchentlich eine innere Leere oder auch einen inneren Schmerz, weil sie gern mehr oder vor allem befriedigendere Sozialkontakte hätte. Betroffene fühlen sich oft etwas belächelt im Sinne von: «Was es heute alles für Probleme gibt.» Sie seien selber schuld, sie müssten halt einfach etwas mehr unter die Leute, hören sie oft.
Dabei ist Einsamkeit kein Luxusproblem, für Betroffene ist es eine existenzielle Schwierigkeit. Das Gefühl hat mit unseren Instinkten zu tun, mit dem Überlebensinstinkt. Deshalb ist das Gefühl so tief und auch recht schwierig.
Menschen brauchen Kontakt, um zu gedeihen und gesund zu bleiben. Deshalb hatten Kinder in irischen Kinderheimen eine zehnfach erhöhte Sterberate – Nonnen schenkten ihnen keine Zuwendung, weil die Zöglinge unehelich geboren worden waren.
Stresshormone werden durch das Gefühl der Einsamkeit so beeinflusst, dass der negative Effekt auf die Gesundheit dem von 15 Zigaretten pro Tag entspricht – das Risiko für einen Herzinfarkt oder auch für Alzheimer steigt.
Die Briten befassen sich weltweit am meisten mit diesem Thema, dabei sind sie gemäss Untersuchungen nur halb so einsam wie wir in der Schweiz. Sie haben ein Ministerium, das Massnahmen vorschlägt. So können Ärztinnen einsamen Menschen ein «Sozialrezept» ausstellen. Damit erhalten sie eine Beratung durch einen Sozialarbeiter, die hilft, Sozialkontakte zu vermehren und zu verbessern. Bei uns erhalten wir vielleicht etwas Mitgefühl, vielleicht ein Antidepressivum.
- Führen Sie ein paar Wochen lang Buch. Einsamkeit kann, aber muss nicht mit zu wenig Kontakten zu tun haben. Man kann sich in einem Raum voller Menschen einsam fühlen
. Achten Sie beim Buchführen auf zwei Sachen: Wann treten Einsamkeitsgefühle vor allem auf? Welchen Einfluss haben welche Beziehungen?
Vielleicht merken Sie, dass Einsamkeit bei Ihnen viel mit Trauer zu tun hat und sich immer meldet, wenn es um etwas geht, was mit Ihrer früh an Krebs verstorbenen Mutter zu tun hat. Oder dass Sie zwei vermeintliche Freundinnen haben, deren Anrufe Ihre Stimmung stets verschlechtern.
- Soziale Rituale sind wichtig. Im Büro trafen Sie jeden Morgen sieben Personen, im Fitnessclub war der kleine Schwatz mit dem Réceptionisten etwas, worauf Sie sich immer freuten. Mit zwei Freundinnen hatten Sie einen Rhythmus, immer der zweite Dienstag im Monat, und das seit über fünf Jahren. Ritualisierte Kontakte sind von uns unabhängig, und das ist gut so. In der Einsamkeit werden wir nämlich pessimistischer und ängstlicher
. Wir sehen vermeintliche soziale Gefahren – also beispielsweise Ablehnung – schon im Voraus drohen und rufen drum die Freundin gar nicht an, da sie ja eh immer so beschäftigt ist. Soziale Rituale braucht es vor allem auch im Homeoffice.
- Haustiere helfen. Auch das sagt die Datenlage recht klar. Eine Katze merkt, wie es uns geht , und reagiert darauf. Auf dem Spaziergang mit dem Hund entsteht ein neues soziales Ritual mit Kontakt zu anderen Hundebesitzern. Seien Sie sich aber bewusst, dass Sie mit einem Haustier eine jahrelange Verpflichtung eingehen.
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5 Kommentare
Speziell auch allein lebende Menschen, spüren die durch die Pandemie-Massnahmen verstärkte Distanz zu andern Menschen.
Fantasie und Kreativität sind gefragt. Wer noch fähig ist, könnte - je nach vorherigem Beruf -, als "SpringerIn" fungieren und ab und an - bei Bedarf - zeitweise Einsätze leisten.
Kennt man im Haus, in der Nachbarschaft, Familie, eine Person, welche auf Unterstützung angewiesen ist (Besuche machen, im Haushalt helfen, zusammen essen, spielen, plaudern, nach draussen gehen für einen Spaziergang,....), könnte man sich dort melden.
Dasselbe gilt für "Babysitting" anbieten.....
Traurig, was die Regierungen mit der Angstmacherei anstellen. Angstmachen ist eine riesige Waffe mit welcher man schlimme Kriege gewonnen hat und gewinnen wird.
Ich habe mich seit 77 Jahren noch nie Impfen lassen und werde es auch nicht tun. Deswegen habe ich ein intaktes Immunsystem.
Was hat Ihre Impfunwilligkeit mit dem Thema zu tun?
Hatte im November 2020 Eine Diskussion ueber Einssamkeit mit einer Journalistin im Tagesanzeiger die zufaellig im gleichen Dorf im Zuercher Oberland wohnt. Wegen dem Coronavirus hatte ich das Gefuehl einsam zu sein, so einsam wie ein Leuchtturm-Waechter. Der Alkoholismus ist ein Berufsrisiko der Leuchtturmwaechter.
Habe mich entschlossen zu handeln. Ich koennte Ihnen zwei Photos schicken, aber leider gibt es hier keine Moeglichkeit. Das erste Photo zeigt meine Freundin und mich vor dem Leuchtturm. Das zweite mich mit einem Freund und vier junge Frauen aus der Nachbarschaft, die ich seit 2015 kenne. Die Maenner mit einer Flasche Corona, die Frauen mit Coronita.
Ich bin Auslandschweizer Erich Bachmann (72) in den Philippinen, finde die Sendung mit dem Oberländer sehr gut
Ich kann ihre Gebüren mir jedoch nicht leisten Schade-