«Jetzt muss was gehen»
Wenn Sascha Ruefer Fussball moderierte, war nicht nur der Ball rund. Nach vielen Anläufen hat es der Fernsehmann vor drei Jahren aber geschafft: Er erzählt, wie er in nur einem halben Jahr 21 Kilogramm abgespeckt hat.
Veröffentlicht am 24. Mai 2011 - 16:03 Uhr
Beobachter: Beobachter: Früher brachten Sie satte 102 Kilogramm bei 184 Zentimetern Körpergrösse auf die Waage. Wie wird man so dick?
Ruefer: Sascha Ruefer: Das ist ganz einfach. Mir ist es so ergangen wie allen anderen auch, die mit diesem Problem zu kämpfen haben: Man isst mehr, bewegt sich weniger – und irgendwann bringt man einfach mehr auf die Waage, als man sollte.
Beobachter: Aber Sie als Sportmoderator sollten doch ein Gefühl für Ihren Körper und eine Affinität für Bewegung haben.
Ruefer: Das ist ein Klischee. Wenn man so denkt, müsste der klassische Friedhofsgärtner ganz bleich im Gesicht sein, einen schwarzen Mantel tragen und tot wirken. Das funktioniert nicht. Ich bin ja nicht Sportler, ich bin Kommentator. Dazu kommt: Während man über Sport berichtet, kann man selber keinen machen.
Beobachter: Was hat Sie schliesslich dazu bewogen, Ihren Lebensstil zu ändern?
Ruefer: Sie werden lachen: Es war der Grand Prix der Volksmusik. Da fand ich, ich hätte eine Superleistung als Moderator erbracht, und holte mir ein externes Feedback bei einem Experten. Der hat mir dann schonungslos aufgezeigt, worum es geht: «Schau dir mal dieses Bild an, diese Weste – dir platzen ja fast die Knöpfe weg.» Das hat wehgetan. Und da sagte ich mir: Jetzt muss was gehen.
Beobachter: War das Ihr erster Anlauf, um abzunehmen?
Ruefer: Nein, ich habe vorher unzählige Male abzuspecken versucht. Aber ich hielt jeweils nur zwei Tage durch.
Beobachter: Und warum hat es vor drei Jahren dann plötzlich geklappt?
Ruefer: Ich habe mir Hilfe gesucht. Zusammen mit einem Arzt habe ich meine Ernährungsgewohnheiten komplett auf den Kopf gestellt – keinen Zucker mehr, keine Kohlenhydrate und keine Stärke, dafür mehr Proteine.
Beobachter: So haben Sie innerhalb von sechs Monaten 21 Kilogramm abgenommen.
Ruefer: Die Diät schlug bei mir unglaublich gut an. Vielleicht auch, weil ich Fleisch sehr gerne habe. Darum habe ich eigentlich nichts vermisst – bis aufs Brot. Das andere brauche ich gar nicht, wie ich feststellen musste.
Beobachter: Gab es keine Rückschläge?
Ruefer: Nein, aber ich muss ehrlich sagen, dass das Abnehmen plötzlich fast zum Wahn wurde. Man steht jeden Morgen auf die Waage und sieht: Schon wieder 100 Gramm weg. Da ist es gut, wenn man jemanden zu Hause hat, der sagt: Jetzt ist es genug.
Beobachter: Ihre Freundin?
Ruefer: Ja, ihre Unterstützung war sehr wichtig für mich.
Beobachter: Hat Ihre Freundin Sie auch ein bisschen unter Druck gesetzt?
Ruefer: Nicht im Sinn von: Du musst! Aber seien wir ehrlich: Wir Männer sind in Beziehungen Egoisten. Wir gehen immer davon aus, dass unsere Partnerin 1a sein muss, und uns selber lassen wir gehen. Das geht nicht.
Beobachter: Im Unterschied zu vielen Leuten, die so schnell abnehmen, konnten Sie Ihr Gewicht halten.
Ruefer: Ich hatte Glück. Die Umstellung war für mich nicht mit einem Verzicht verbunden. Nach sechs Monaten habe ich mir nicht gesagt: Judihui, jetzt kann ich wieder Spaghetti futtern! Ich habe die Kohlenhydrate und den Schokoladehasen gar nicht vermisst.
Beobachter: Haben sich in jener Zeit Ihre kulinarischen Vorlieben generell verändert?
Ruefer: Ich fand den Zugang zu Fisch und Gemüse. Und ich weiss, was Genuss ist. Es klingt paradox, aber heute geniesse ich tatsächlich mehr, denn früher habe ich einfach alles verschlungen. Ich esse bewusster, langsamer und habe dabei festgestellt: Weniger ist mehr – Qualität ist nicht Quantität.
Beobachter: Dürfen Sie noch sündigen?
Ruefer: Ich liebe Schokoriegel. Heute kann ich einen Bissen davon nehmen und den Rest weglegen. So lasse ich den Kopf gewinnen, gebe ihm sein Stück – und dann fertig, weil der Körper nicht mehr braucht.
Beobachter: Wenn Sie erzählen, hat man den Eindruck, dass es gar nicht so schwer ist, Gewicht zu verlieren.
Ruefer: Abnehmen ist wie ein Haus bauen. Zu Beginn muss man den Entschluss fassen: Ja, ich will. Dann muss man überlegen, wo man steht auf dem Weg zum Hausbesitzer. Ich habe zum Beispiel über einen Monat lang aufgeschrieben, was ich wann gegessen habe. Wenn du das machst, erkennst du deine Verhaltensmuster, deine Fehler.
Beobachter: Und wenn man diese Mechanismen besser kennt, kann man sie auch besser brechen.
Ruefer: Genau. Dann merkt man, dass man selber verantwortlich ist. Keiner kommt dick zur Welt. Da muss man ehrlich zu sich sein.
Beobachter: Sie essen heute nicht nur gesünder, sondern treiben auch mehr Sport. Wie haben Sie es geschafft, mehr Bewegung in Ihr Leben zu bringen?
Ruefer: Früher war ich ein klassischer Mannschaftssportler, dessen Motivation das Team und das Spiel war – der Fussball. Doch mit zunehmendem Engagement in meinem Beruf wurden die fixen Trainingszeiten zu einem Problem. Die Freude am Individualsport musste ich erst entdecken. Heute habe ich sogar Spass am Joggen.
Beobachter: Wie entdeckt man die Freude an etwas, was so anstrengend ist?
Ruefer: Zu Beginn war es nicht einfach, aber inzwischen brauche ich das Joggen sogar. Laufen ist schön: Ich kann abschalten, mich in Gedanken vertiefen und Ausgleich finden.
Beobachter: Sind Sie denn niemals faul?
Ruefer: Aber sicher. Der Mensch neigt zur Bequemlichkeit. Auch ich.
Beobachter: Und was tun Sie, wenn der innere Schweinehund sich meldet?
Ruefer: Ich lasse ihn schwatzen, höre ihm aber nicht zu. Ob ich joggen gehe oder nicht, entscheide ich selber. Ich denke mir jeweils: Der Hund muss nicht meinen, er könne über mich bestimmen. Ich lasse mich nicht manipulieren!
Beobachter: Aber was, wenn alles dagegenspricht – wie zum Beispiel schlechtes Wetter?
Ruefer: Das klingt nun vielleicht etwas machohaft. Aber je garstiger das Wetter ist, desto mehr Spass macht es mir. Joggen zu gehen, wenn es nass ist, tropft und spritzt: Das ist grossartig. Du kämpfst gegen dich selber – und gewinnst.
Beobachter: Was tun Sie, wenn Sie beruflich unterwegs sind oder unter Stress stehen?
Ruefer: Die Laufschuhe kommen immer in den Koffer. Joggen kann man überall und immer. Zudem bewege ich mich auch im Alltag mehr.
Beobachter: Wie denken Sie im Rückblick: Was braucht es unbedingt, damit man nicht scheitert auf dem Weg zu einem gesünderen Lebensstil?
Ruefer: Man braucht einen Plan und ein Ziel. Ein Haus baut man auch nicht einfach so, sondern Schritt für Schritt. Man stellt sich vor, wie das Leben als Hausbesitzer wäre – und ist dadurch motiviert.
Beobachter: Das klingt in meinen Ohren immer noch etwas abstrakt. Haben Sie keine konkreteren Tipps?
Ruefer: Nein, ich bin schliesslich kein Guru, der weiss, wie das Leben funktioniert. Was genau das Ziel ist und wie der Plan aussieht, muss jeder für sich selber entdecken. Bei mir hat Joggen funktioniert, bei anderen klappt das nicht. Man muss selber herausfinden, was Spass macht und wie man sich motivieren kann.
- Das eigene Essverhalten dokumentieren: Es hilft, während einiger Wochen aufzuschreiben, was und wie viel man wann isst.
- Sich an der Ernährungspyramide orientieren (zum Beispiel auf www.sge-ssn.ch): viel Obst und Gemüse essen, dafür wenig Zucker und Fett.
- Sich nicht zu viel verbieten: Wer zu streng zu sich selber ist, hält nicht durch – lieber auf weniger verzichten, dafür länger dranbleiben.
- Keine Mahlzeiten auslassen: Radikalkuren verändern das Essverhalten nicht nachhaltig, sondern stacheln bloss die Gier an.
- Bewusst geniessen: sich zum Essen hinsetzen, sich Zeit nehmen und langsam essen.
- Menge reduzieren: Die doppelte Menge bedeutet nicht gleich doppelten Genuss. Man kann lernen, im kritischen Moment aufzuhören.
- Es muss Spass machen: Man sollte eine Sportart wählen, die nicht nur Pflicht ist, sondern auch Freude bereitet.
- Sich erreichbare Ziele setzen: Wer sich zu viel vornimmt, hält nicht durch – und schadet vielleicht sogar seinem Körper.
- Bewegung im Alltag suchen: mit dem Velo zur Arbeit fahren, eine Tramstation früher aussteigen, stets die Treppe benutzen.
- Starthilfen schaffen: die Laufschuhe bereits am Abend vorher bereitlegen, sich zum Walken verabreden, Rituale entwickeln.
- Einen Plan machen: schriftlich festhalten, warum, wie und wann man sich bewegen will.
- Erfolge geniessen: Es ist ein tolles Gefühl, sich für einen Breitensportanlass anzumelden und den Schritt über die Ziellinie zu feiern.