Gar nicht erst schlappmachen
Morgens dunkel, abends dunkel – dazwischen Hudelwetter. Kein Grund, die Freizeit auf dem Sofa zu verbringen. Wie man seine Fitness über die kalte Jahreszeit retten kann.
Wenn an sonnigen Feierabenden das Telefon klingelt, gefriert mässig Sportambitionierten manches Mal das Blut in den Adern. Mist, der Trainingspartner hat sich aufgerafft. Jetzt hilft kein Wenn und Aber, auf gehts zur sportlichen Pflichtübung. Gut, dass den Bequemeren unter uns wenigstens der Winter Chancen lässt, sich aus dem Trainingsprogramm herauszureden. Zu nass, zu kalt, zu windig, zu glatt – und überhaupt schlägt der Nebel aufs Gemüt .
Dumm bloss, dass vor allem der letzte Vorwand nicht greift. «Wenn man sich im Winter müde, depressiv und kraftlos fühlt, ist das eben gerade kein Zeichen dafür, dass der Körper Ruhe braucht», nimmt Ellen Leister Winterfaulen den Speck vom Brot. Für die ehemalige Dozentin für Sport und Gesundheit und heutige Verantwortliche für den internationalen Austausch an der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen ist es eher ein Signal, dass man «sich zu wenig bewegt, zu wenig Sauerstoff tankt und zu viel isst ». Der Versuch, der Jahreszeit die Schuld an der Mümmel- und Lümmelphase zuzuschieben, ist fehlgeschlagen. Der Winter, sind sich Fachleute einig, ist längst kein Gegner der Fitness mehr.
Aber mal ehrlich, wohlige Wärme und ein Bier nach Feierabend gegen kaltes Nass in freier Natur und rote Nasen auf dem Nachhauseweg? Kein Zweifel, die Verführung ist gross, sich im Winter eine Auszeit zu gönnen. Doch schon wer sich zu den moderat ambitionierten Sommersportiven zählt, tut gut daran, den inneren Schweinehund auch in der kalten Jahreszeit zu überwinden – für Wintersportfreaks gilt Umgekehrtes.
Denn wer rastet, rostet. Um bis zu 20 Prozent, schätzen Experten, kann die Leistungsfähigkeit innert kurzer Zeit sinken. «Wer im Winter pausiert, muss mit einem grossen Leistungsabfall rechnen», bestätigt Sportwissenschaftlerin Silke Gersbach, diplomierte Sportwissenschaftlerin. Zur Beruhigung: «Wer einmal eine gewisse Fitness erlangt hat, wird zumindest nie mehr komplett bei null anfangen. Der Wiedereinstieg fällt dennoch schwer.»
Gilbert Knoblauch aus Zürich, Unternehmer und leidenschaftlicher Velorennfahrer, weiss, wovon die Expertin spricht. In der Regel drei- bis viermal pro Woche nimmt der 63-Jährige während der Sommersaison den Sattel zwischen die Beine. Man trifft ihn häufig auch an Volkswettkämpfen wie der Züri-Metzgete an. «Als ich vor Jahren von einer Weltreise zurückkam, war ich ziemlich kaputt. Den Trainingsmangel spürte ich trotz guter Grundfitness unheimlich», erzählt er.
Die Erfahrung hatte einen Lerneffekt: Gilbert Knoblauch lässt den Sport auch im Winter nicht sein. Aber er verändert das Training. «So lange es geht, fahre ich draussen. Wenn das Wetter mies wird, kommt der Ergometer zum Einsatz.» Dazu kommen Kraft- und Kreislauftraining – für Knoblauch wichtig, um fit zu bleiben. «Im Winter nehme ich es weniger streng. Zwei- bis dreimal die Woche für etwa zwei Stunden ins Studio. Das reicht.»
Und wenn das Wetter an der Motivation nagt? Sein Tipp: mit Kollegen zusammen sportlich aktiv werden und auch mal Neues ausprobieren. «Plausch beim Sport
ist die beste Motivation.»
Zustimmung gibt es von Trainingsberaterin Gersbach. Sie plädiert gerade an tristen Tagen für Abwechslung im sportlichen Alltag. Das hält vor allem bei Laune, schliesslich gehe es nicht darum, fit zu werden, sondern fit zu bleiben. «Die Zeit zwischen den Saisons sollte dazu genutzt werden, Grundlagen wie Ausdauer, Kraft , Beweglichkeit und Koordination zu stärken», betont auch Ellen Leister von der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen.
Lieber leicht trainieren, dafür etwas länger oder öfter. Doch bei aller Lockerheit – drei Trainingseinheiten pro Woche sollten schon auf dem Programm stehen. Das erhalte die Sommerfitness und erleichtere den Intensivaufbau für die nächste Saison.
Schadet Joggen im Winter den Atemwegen?
Bleibt die Frage: Welche Sportart ergänzt den Lieblingssport in der Gegenjahreszeit ideal? «Kommt darauf an, wie zielgerichtet es sein soll», sagt German Clénin, Chefarzt am Sportmedizinischen Zentrum Bern-Ittingen. Grundsätzlich gelte: Fit hält, was bewegt – jedenfalls im Breitensport.
Wichtig sei, nicht einseitig zu trainieren. Starke Beine: super. Doch wenn der Rumpf nicht kräftig ist und der Rücken ächzt, sieht es mit der Leistung bös aus. Und was nützt schon ein athletischer Oberkörper, wenn der Kreislauf schlappmacht und die Kondition nicht stimmt? Ein paar Tipps vom Fachmann:
- Wer Velo fährt oder rudert , kommt im Winter an der Rolle oder an Ergometern nicht vorbei. Zu langweilig? Ausdauer und Kraft lassen sich nicht nur durch andere Ausdauersportarten, sondern auch durch Tennis, Fussball und Badminton stärken.
- Im Winter keine Lust auf Laufen oder Nordic Walking? Ideales Ergänzungstraining ist der Skilanglauf im klassischen Stil.
- Wanderer können mit Schneeschuhwandern ihre Ausdauer stärken.
- Inlineskater können im Winter zielgerichtet zum Skaten auf die Langlaufskier wechseln.
Oberste Devise ist die Regelmässigkeit. Die aber macht im Winter die meisten Probleme: Ob morgens oder abends, meist ist es dunkel, wenn die Haustür ins Schloss fällt. Wer Tageslicht nutzen will, für den gelten jetzt andere Regeln. «Beim Wintertraining muss man sich besser organisieren», so Clénin.
Sein Rat: Zwei Einheiten am Wochenende und eine werktags über Mittag. Wer das nicht schafft, dem bleiben Stirnlampen, beleuchtete Lauf- oder Velostrecken oder Trainings im Studio und in der Halle. Persönlich zieht Clénin nach getaner Arbeit lieber die Orientierungslaufschuhe an: «Mit Spikes unter Strassenlaternen läuft es sich im Winter prima.»
- Online-Plattform, um Trainingsgruppen zum Joggen, Schwimmen, Skaten, Velofahren, etc. finden: www.freizeitsportler.ch
- Ein Trainingstagebuch kann helfen, die Motivation zu fördern. Unter www.sportunterricht.ch kann man eine Excel-Tabelle herunterladen, in der bis zu 10 Sportarten erfasst und in einer Jahresübersicht ausgewertet werden können. Ausserdem kann man auch Faktoren wie Anzahl Stunden Schlaf, Gewicht, Motivation und Regeneration eintragen.
- Netzwerk Gesundheit und Bewegung: Tipps für Einsteiger und Fortgeschrittene, damit Ausdauertraining Spass macht: www.hepa.ch
- Kräutertee, Gemüsesuppen oder eine heisse Bouillon wärmen uns von innen auf und enthalten nur wenige oder keine Kalorien.
- Für viel Körperwärme sorgt auch Bewegung im Freien: Wer sich einmal überwunden hat, auch bei schlechtem Wetter zügig spazieren, walken oder joggen zu gehen, kommt zufrieden und aufgewärmt nach Hause. Auch nach dem Essen wirkt ein Spaziergang an der frischen Luft Wunder.
- Im Winter trinken wir weniger als im Sommer. Häufig verwechseln wir daher Durst mit Hunger und greifen zu einem Snack. Bei einer Heisshungerattacke lohnt es sich deshalb, zuerst ein Glas Wasser zu trinken.
- Im Winter kann auch der Besuch eines Thermalbads oder ein duftendes Bad in der eigenen Badewanne viel zum Wohlgefühl beitragen. Gönnen Sie sich den Besuch eines Hamams, von denen in den letzten Jahren in den grösseren Städten mehrere eröffnet wurden. Die Atmosphäre der orientalisch inspirierten Wellnesstempel wirkt wärmend und beruhigend, und orientalische Massagen lassen den Alltag vergessen.
- Erscheinen Sie bei Einladungen nicht mit Heisshunger und grossem Durst. Eine Hand voll Apérogebäck und ein Drink enthalten schnell einmal so viele Kalorien wie ein Hauptgang.
- Kaufen Sie keine Süssigkeiten selbst – Sie bekommen sicher Geschenke.
- Lehnen Sie dankend ab, wenn Sie genug gegessen haben, und halten Sie sich bei alkoholischen und gezuckerten Getränken zurück.
- Gleichen Sie üppige Menüs mit Süssigkeiten aus und essen Sie bei den übrigen Mahlzeiten leichte Gemüsesuppen oder Salate.
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