Ein Onlineshop lebt von seinem Ruf. Sind die Käufer unzufrieden und die Bewertungen schlecht, zeigt das Wirkung: Er verschwindet. Wer nach der Verkaufsplattform Roselle googelte, stiess auf zahlreiche Reklamationen in Foren: Waren wurden zu spät, beschädigt oder gar nicht geliefert. Die Firma war in vielen Fällen kaum erreichbar. Auch der Beobachter schrieb über die zweifelhaften Geschäftspraktiken Roselle AG Geld kassiert, Ware nicht geliefert .

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Inzwischen gibt es die Roselle AG nicht mehr. Zuerst wurde der Firmensitz von Zug nach Schwyz verlegt, der Firmennamen Roselle wurde in Gomm AG umgewandelt und nun heisst der Shop Racondo. Optisch sind die alte und die neue Website aber kaum auseinanderzuhalten (siehe Grafik am Artikelende).

 

Kunden beschweren sich noch immer

Der Service scheint sich ebenfalls nicht geändert zu haben, wie die Beschwerden unzufriedener Kundinnen zeigen. Eine von ihnen ist Amanda Kunz*. Im vergangenen Sommer entdeckte sie auf der Plattform Facebook Marketplace Facebook Marketplace Ein Flohmarkt mit Risiken ein Campingzelt und kontaktierte den Inserenten. Zunächst schien alles unkompliziert: Sie einigten sich auf einen Preis und den Versand per Post. Doch dann verlangte der Käufer zusätzliche Kontaktangaben. Kurz nachdem Kunz ihre E-Mail-Adresse preisgegeben hatte, erhielt sie einen Kaufvertrag des Onlineshops Racondo mit einer Rechnung und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Der Privatverkäufer stellte sich überraschend als Händler heraus, der die Waren der Firma verkaufte. «Ich war erstaunt, weil ich zuvor noch nie von Racondo gehört hatte», sagt Kunz.

Eigentlich dürfte das laut Racondo nicht passieren: «Jeder neue Händler erhält zu Beginn seiner Tätigkeit eine klare Vorgabenliste, wie er sich ordentlich zu verhalten hat. Er ist beispielsweise verpflichtet, bei einem Verkauf an Konsumenten den Verkäufer Racondo zu benennen», so der Onlineshop. Dennoch könne nicht kontrolliert werden, wo und wie Händler die Waren anbieten. «Wenn Dritthändler oder -handelsagenten gegen unsere Richtlinien verstossen, werden diese sofort ermahnt und je nach Verstoss sanktioniert oder vom Handel mit Racondo-Waren weltweit ausgeschlossen.» Der Händler, der als vermeintliche Privatperson das Campingzelt auf Facebook Marketplace verkauft habe, werde überprüft.

Weil Amanda Kunz verunsichert war, googelte sie Racondo und stiess auf zahlreiche Reklamationen. Eine Käuferin beklagt sich in einem Forum darüber, dass das bestellte Produkt beschädigt geliefert wurde. Bei einer anderen traf weder die bestellte Ware noch eine Rückvergütung ein.

«Als ich das realisierte, schrieb ich ihm sofort, dass ich nichts mit Racondo zu tun haben will und auf das Zelt verzichte», so Kunz. Der Händler beschimpfte sie zuerst, dann war der Chatverlauf plötzlich verschwunden. Normalerweise können solche Verläufe nicht einseitig gelöscht werden, doch auch anderen Kunden erging es gleich: Sie können nicht mehr auf die Nachrichten des Händlers zugreifen. Facebook kann sich nicht erklären, wie es dazu gekommen ist.

Unlauteres Vorgehen

«Wenn hinter einer vermeintlichen Privatperson plötzlich eine Firma auftaucht, ist das ein unlauteres Vorgehen», sagt Beobachter-Expertin Doris Huber. «Zudem können AGB nur dann Vertragsbestandteil werden, wenn Kunden sie vor dem Kauf in irgendeiner Form einsehen konnten.» Das war beim vermeintlichen Privatkauf auf Facebook nicht der Fall. Amanda Kunz wurde erst nach ihrer Kaufzusage und beim Erhalt der Rechnung auf die AGB hingewiesen.

Aber: «Wer auf Facebook-Marketplace eine Kaufzusage macht, geht damit einen verbindlichen Vertrag ein, den letztlich auch eine Firma erfüllen kann», sagt Huber. So ist auch Amanda Kunz an ihre Kaufzusage gebunden.

Wer sich weigert zu zahlen, hat schnell ein Inkassobüro Mahnung Muss ich fürs Inkasso zahlen? am Hals. Im Fall von Amanda Kunz forderte es zum Verkaufspreis von 112 Franken Zusatzkosten in der Höhe von 153 Franken. Diese Zusatzkosten muss sie allerdings nicht bezahlen. «Wenn nichts Spezielles vereinbart wurde, schuldet man bei Zahlungsverzug nur den Grundbetrag plus 5 Prozent Verzugszins», so Huber.

Also wehrte sich Amanda Kunz. Racondo lenkte nach einigen E-Mails ein: «Nach Rückfrage bei Rechtsdienst sowie Abteilungsleitung und Händler wurde kulanterweise zu Ihren Gunsten entschieden», schreibt ihr die Firma in einer E-Mail. Kunz könne die Bestellung entweder kostenfrei stornieren oder eine neue Rechnung ohne zusätzliche Kosten verlangen. Das Campingzelt würde in diesem Fall versandt. Kunz entschied sich für die erste Lösung.

 

*Name geändert

Vorsicht auf Facebook-Marketplace

Facebook Marketplace macht immer wieder negative Schlagzeilen. Wer etwas kaufen will, kann das Produkt suchen und über eine Facebook-Nachricht Kontakt zum Verkäufer aufnehmen. Das ist zwar unkompliziert, hat aber einen Haken: Sowohl Käufer als auch Verkäufer wissen nicht, mit wem sie es zu tun haben. Im Gegensatz zu Ricardo müssen Verkäufer bei der Registrierung ihre Identität nicht offenlegen. Auch gibt es kein Bewertungssystem, womit sich abschätzen lässt, wie seriös der Verkäufer ist. So haben Betrüger ein leichtes Spiel.

Auf der Inserate-Plattform Ricardo wurde Roselle vor zwei Jahren blockiert. Das Verhalten der Verkäufer sei total exzessiv – das toleriere die Firma nicht, sagte Ricardo damals auf Anfrage. Die neue Racondo-Website hat Ricardo bereits bei der Registrierung aufgrund von fehlerhaften Angaben blockiert.

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