Cargo sous terrain – ein arg dunkler Tunnel
Michel Huissoud kennt Bundesbern wie kaum ein Zweiter. Für den Beobachter wirft der ehemalige Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle kritische Blicke auf Politik und Wirtschaft.
Veröffentlicht am 24. Mai 2023 - 14:00 Uhr
Nachdem das Projekt Swissmetro – «Von Genf nach Bern in 12 Minuten» – aufgegeben worden ist, lässt nun das Projekt Cargo sous terrain (CST) das Herz der Tunnelbauer und Hersteller von Rollmaterial wieder höherschlagen. Bis 2045 soll ein 500 Kilometer langes Tunnelsystem entstehen, von Genf bis St. Gallen mit Ablegern nach Basel, Luzern und Thun. Darin werden führerlose Güterzüge Waren transportieren. Das Ganze soll 33 Milliarden Franken kosten.
Das Projekt rühmt sich, ein ökologischer Erfolg zu sein. Eine Analyse seines Lebenszyklus würde, verglichen mit heutigen Transportsystemen, eine Verbesserung der Ökobilanz um bis zu 80 Prozent zeigen. Laut Branchenvertretern geht es aber im besten Fall darum, die nationale Lieferflotte von 52'000 Lastwagen zu ersetzen. Ob es umweltfreundlicher ist, 500 Kilometer Tunnel zu graben, um LKWs zu ersetzen, die bis dahin ziemlich sicher mit Strom fahren werden, darf bezweifelt werden. Eine einfachere Variante wäre, diese LKWs nachts fahren zu lassen. Und die 33 Milliarden Franken einzusparen, inklusive der Baustellen in den Zentren von einem Dutzend Städten.
Interessant ist auch ein Blick auf das Risikomanagement von CST und seinen Kunden. Geplant ist ein einziger, dreispuriger Tunnel. Was, wenn dieser etwa durch einen Brand blockiert ist? Kommt dann der gesamte Warenverkehr des Schweizer Mittellands zum Stillstand? Wie sieht der Plan B aus? Und wie würde die Feuerwehr in so einem Fall intervenieren?
Am spannendsten jedoch ist der Blick auf die Finanzen. Die ersten 100 Millionen sind versprochen, die Sondierungsarbeiten haben begonnen. Aber es müssen weitere 32,9 Milliarden aufgebracht werden. Wie wird der Güterverkehr diese Investitionssumme finanzieren können? Zu welchem Preis pro Palette für den Endkunden? Das Projekt wurde in der Zeit der Negativzinsen geschnürt. Wird es auch Zinssätze von zwei oder drei Prozent verkraften? Erfahren tut man solche Dinge nicht, die Rentabilitätsberechnungen sind leider unter Verschluss.
Immerhin schreibt das Gesetz vor: «Der unterirdische Gütertransport soll auf privater Initiative beruhen und eigenwirtschaftlich erbracht werden.» Für uns alle ist das eine gute Nachricht. Nicht aber für die Mitglieder der Migros-Pensionskasse, die in dieses abenteuerliche Projekt investiert hat. Bundesbern wird ihnen nicht helfen. Vielleicht die Kantone?
In einer St. Galler Machbarkeitsstudie ist zu lesen: «Je nach Streckenvariante sind mögliche Modelle zur Mitfinanzierung oder für Defizitgarantien durch die Kantone zu prüfen.»
Also doch die öffentliche Hand?