Es ist streng verboten: Abends im Bett noch husch die letzten Mails checken, einen spannenden Artikel fertig lesen oder doch noch eine klitzekleine Episode der Lieblingsserie schauen.

Wer es trotzdem tut, wird hart bestraft: Man muss sich stundenlang hin und her wälzen, kann niemals mehr einschlafen. Schuld ist das blaue Bildschirmlicht der Smartphones und Laptops. 

Schuld ist eine einzige Studie

Diese Annahme hält sich hartnäckig – seit über einem Jahrzehnt. Ihr Ursprung ist eine amerikanische Studie von 2014. Sie kam zum Schluss, dass Blaulicht die Produktion des Hormons Melatonin und damit das Einschlafen stört.

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Auf Social Media verbreitete sich die Theorie rasend schnell – allerdings gingen dabei entscheidende Details verloren.

Tatsächlich hatten die Teilnehmenden der Studie, die abends noch am Tablet lasen, niedrigere Melatoninwerte und schliefen erst etwas später ein. Aber: Es waren im Durchschnitt gerade mal zehn Minuten, um die sich das Sandmännchen verspätete. 

Melatoninpillen: Mit Vorsicht zu geniessen

Melatonin gilt als Schlafhormon – doch zu Unrecht. Patienten, die aufgrund einer Krankheit kein Melatonin produzieren können, schlummern trotzdem gut. Das Hormon spielt zwar eine Rolle beim Schlaf-wach-Rhythmus, doch sie ist laut Forschenden komplex. Und beim Einschlafen bei weitem nicht so entscheidend, wie in der Werbung für Melatoninsupplemente behauptet wird.

Es ist keine gute Idee, abendliche Stunden am Smartphone mit selbst gekauften Melatoninpillen auszubalancieren. Denn die Inhaltsstoffe wie auch die Wirkung der online angebotenen Supplemente werden nur selten von einem unabhängigen Labor oder einer medizinischen Behörde überprüft. Im schlimmsten Fall stecken in den Präparaten gefährliche Substanzen und Verunreinigungen. Ausserdem können sie unangenehme Nebenwirkungen haben wie Übelkeit, Zittern, Kopfschmerzen und Schwindel.

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Wer Schicht arbeitet oder wiederholt an Jetlag leidet, dem kann Melatonin tatsächlich helfen – wichtig ist aber die Rücksprache mit der Ärztin. Das Mittel muss richtig dosiert sein und über einen bestimmten Zeitraum eingenommen werden, dann kann es einen ausgeglichenen Schlaf-wach-Rhythmus fördern.

Der Mythos gerät ins Wanken

Was die erwähnte Studie von 2014 zeigt: Blaulicht kann den Schlaf beeinflussen, aber «diese Auswirkungen sind gering und geben keinen Anlass zur Besorgnis», erklärt Stuart Peirson, Professor am Sleep and Circadian Neuroscience Institute der Universität Oxford. «Es sei denn, Sie verbringen Stunden am Handy, mit hellster Bildschirmeinstellung, und leiden generell unter Einschlafproblemen

Ein internationales Forschungsteam wertete über 100 Studien zu diesem Thema aus und kam dieses Jahr zu einem ähnlichen Schluss: «Alles in allem deuten die empirischen Belege darauf hin, dass das Bildschirmlicht einen geringen bis vernachlässigbaren Einfluss auf den Schlaf hat.»

Der Winterhimmel ist zehnmal so hell wie der Compi

Aber was ist mit dem Licht? Macht das nicht grundsätzlich wach? Doch, das stimmt.

Computer sind aber zu wenig hell, um unseren Schlaf-wach-Rhythmus durcheinanderzubringen.

Das bestätigt ein Blick auf die Beleuchtungsstärke, die in Lux gemessen wird. Wenn wir zum Winterhimmel hochschauen, sind es 5000 Lux. Am sonnigen Himmel kommen 100’000 Lux zusammen, vor denen wir unsere Augen schützen sollten. Laptop-Bildschirme strahlen ungefähr 500 Lux aus. Bei Handys können es zwischen 5 und 50 sein.

Zudem müssen Geräte den europäischen Normen entsprechen. Die Buchstaben CE an der Produktverpackung stehen für Conformité européenne (europäische Konformität). Diese Geräte sind generell sicher. 

Blaulichtbrillen sind Humbug

Blaulichtfilter-Brillen und Anti-Blaulicht-Filter können sich die meisten von uns sparen. Sie haben laut Augenärzten keinen medizinischen Effekt. Stuart Peirson empfiehlt, das Bildschirmlicht zu dimmen oder den Dunkelmodus zu wählen.

Anders könnte es bei Menschen mit bestimmten Augenerkrankungen und Betroffenen von psychischen Erkrankungen wie Depressionen sein. Hier lohnt sich die Rücksprache mit Fachleuten.

Übrigens ist der Begriff Blaulicht, der in den sozialen Medien kursiert, nicht ganz korrekt. Computer strahlen kurzwelliges Licht aus, zu dem etwa auch Violett gehört. 

Negativer Effekt – aber kaum durch Licht

Abendliches Scrollen und Schmökern können dennoch einen unliebsamen Effekt auf die Psyche und den Körper haben. Wer am Smartphone oder Notebook liest, starrt konzentriert auf den Bildschirm und blinzelt seltener. Das kann die Augen trockener machen und zu Schmerz und Juckreiz führen.

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Hinzu kommt: Selbst im bequemen Bett verharren wir beim Scrollen oft in einer Haltung, die die Muskulatur von Schultern, Nacken und Armen verspannt. Gerade wenn Nachrichten über Katastrophen oder sonstige negative Ereignisse des Tages über den Bildschirm flackern, tendieren wir dazu, uns zu verkrampfen. Es kann zu Kopfschmerzen kommen. Das hilft nicht gerade dabei, sich zu entspannen.

Nähe zum Bildschirm schadet den Augen

Kinder und Jugendliche, die nachts heimlich noch unter der Decke mit ihren Freunden chatten, schaden zudem ihren Augen. Wenn der Bildschirm näher als 30 Zentimeter ist, könnte das kurzsichtig machen. 

Grundsätzlich gilt: Wer tagsüber viel natürliches Licht abbekommt, reagiert nachts weniger empfindlich auf Licht – und schläft deutlich besser ein und auch durch. Deshalb raten Expertinnen und Experten, jeden Tag möglichst viel Zeit im Freien zu verbringen. Das fördert den Schlaf-wach-Rhythmus. Also ab an die Sonne – für besseren Schlaf. 

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde nach der Erstveröffentlichung überarbeitet (23.10.2024)

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