Kantonale Meldestelle für Missstände erneut abgelehnt
Die Beobachter-Recherche über die Arbeitsbedingungen im Spital Oberengadin beschäftigt die Bündner Politik. Doch es harzt.
Veröffentlicht am 25. April 2025 - 12:07 Uhr
Kämpft mit Schwierigkeiten: Spital Oberengadin in Samedan
Tausendfach verstiess das Spital Oberengadin während Jahren gegen das Arbeitsgesetz – publik machte das der Beobachter Mitte Februar. Es ging um übermüdete Ärzte, Personalmangel auf der Notfallstation und die Risiken für die Patientensicherheit.
Mehrere Engadiner Politiker und Politikerinnen forderten, dass die verantwortliche Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin (SGO) eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gebe. Passiert ist das bislang nicht. Stiftungsratspräsident Christian Brantschen schreibt heute: «Das Thema wird am 1. Mai bei der Stiftungsratssitzung diskutiert.»
Bereits der zweite Anlauf
Diese Woche erreichten die Turbulenzen Chur. Im Graubündner Grossen Rat schlug SP-Politikerin Renate Rutishauser vor, eine kantonale Meldestelle für das Gesundheitswesen zu schaffen: «Gesundheitsfachpersonen brauchen eine unabhängige Anlaufstelle, um Missstände anonym und ohne Repressalien melden zu können.» Die Erfahrung zeige, dass Verstösse gegen das Arbeitsgesetz «aus Angst vor negativen Konsequenzen» oft nicht gemeldet würden. Rutishauser, die auch Präsidentin des Bündner Pflegeberufsverbands ist, forderte eine solche Meldestelle bereits 2018 – ohne Erfolg.
Auch diesmal lehnte die Bündner Regierung das Ansinnen ab. Eine solche Meldestelle biete zwar «eine Chance, sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Patientensicherheit systematisch zu verbessern», sagte SP-Regierungsrat Peter Peyer. Doch das Parlament habe in der Vergangenheit eine gesamtkantonale Meldestelle abgelehnt. In der Pflicht seien die Spitalträgerschaften, die sich in der Regel im Besitz der Gemeinden befänden. Peyer regte an, dass stattdessen der Bündner Spital- und Heimverband als «zentrale Stelle» bei Bedarf eine gemeinsame Meldestelle koordinieren könnte.
Spitalverband setzt auf bestehende Ombudsstellen
Dort ist die Idee bereits vom Tisch. Das Bündner Arbeitsinspektorat hatte dem Spital- und Heimverband bereits empfohlen, eine gemeinsame Meldestelle zu thematisieren. Laut dessen Geschäftsführer Daniel Derungs zeigte jedoch eine Sitzung mit den Spitalverantwortlichen am 4. Februar, «dass die meisten Spitäler und Kliniken bereits Verträge mit externen Ombudsstellen haben und keinen Handlungsbedarf sehen». Für den Verband sei das Thema damit erledigt.
SP-Grossrätin Renate Rutishauser findet es zwar gut, dass die Spitäler vermehrt auf externe Ansprechstellen setzten. Doch das Problem sei aus ihrer Sicht, dass die Verträge unterschiedlich und teilweise mit sehr eingeschränktem Auftrag ausgestaltet seien: «Die Spitäler wollen so die Deutungshoheit behalten.»
Fusion mit Kantonsspital Graubünden gescheitert
Das Spital Oberengadin steckt in einer schwierigen Situation. Um die finanziellen Probleme zu lösen, schlug die Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin vor, das Spital künftig vom Kantonsspital Graubünden betreiben zu lassen. Doch weil mehrere der betroffenen Gemeinden dazu bereits Nein sagten, ist das Projekt vorerst gescheitert.
Hinzu kommt das Ultimatum des kantonalen Arbeitsinspektorats, das in seinem Bericht im Dezember schrieb: «Spätestens Mitte 2025 müssen Fakten vorliegen, welche nahelegen, dass das Gesetz künftig eingehalten wird.»
Auf die Frage, ab wann das Gesetz eingehalten werde, schreiben die Verantwortlichen, die Umsetzung der eingeleiteten Massnahmen werde «mehrere Monate» benötigen: «Das Ausmass der Mängel macht es unmöglich, alle Probleme innert kürzester Zeit per Knopfdruck zu beheben.» Die Spitalleitung stehe in engem Kontakt mit dem Arbeitsinspektorat und arbeite daran, die Arbeitsbedingungen des Personals langfristig zu verbessern.
- Grosser Rat Graubünden: Anfrage Rutishauser betreffend Ombudsstelle im Gesundheits- und Sozialwesen
- Auskunft Daniel Derungs, Geschäftsführer Bündner Spital- und Heimverband (BSH)
- Auskunft Sara Ianni, stv. Leiterin Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Graubünden (Kiga), zuständig für das Arbeitsinspektorat
- Auskunft Renate Rutishauser, Grossrätin (SP) und Präsidentin Sektion Graubünden des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK)
- Stellungnahme Rolf Gilgen, CEO a. i. Spital Oberengadin, und Prisca Anand, Verwaltungsratspräsidentin Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin (SGO)
- Stellungnahme Christian Brantschen, Stiftungsratspräsident SGO