Der Trick mit der Beerdigung
Nirgendwo in Europa wird öfter eingebrochen als in der Schweiz. Die neuste Masche der Täter: Todesanzeigen studieren, um während einer Beerdigung zuzuschlagen.
aktualisiert am 13. November 2015 - 14:36 Uhr
Der Wagen trägt Trauerflor. Schwarz gekleidet steigt Helga Bieri* kurz nach Mittag ein. Sie wird abgeholt und zur Beerdigung der Schwester gefahren.
Gegen 16.30 Uhr entdeckt ihr Enkel, dass die Eingangstür offen steht. Die Wohnung im zweiten Stock des Mehrfamilienhauses in Winterthur ist verwüstet. Die Wertsachen sind weg. Goldkettchen, Bargeld, Ringe. «Die haben aus der Zeitung von der Beerdigung erfahren», sagt die 80-Jährige. «Mein Name steht bei der Trauerfamilie, die Adresse im Telefonbuch.»
Die Schweiz ist die Traumdestination der Einbrecher in Europa. Es gibt viel zu holen und wenig zu verlieren. 2014 wurden beinahe 53'000 Einbrüche gezählt, aufgeklärt wurden nur 13 Prozent. Die Diebe schlagen öfter zu – und rund um die Uhr. «Der Einbrecher, der nur nachts kommt, ist ein Klischee», sagt Joe Müller, Präventionsverantwortlicher bei der Zuger Polizei. Die Täter steigen ein, wenn die Bewohner ausser Haus sind, vor allem tagsüber.
Günstige Gelegenheiten erkennen die Einbrecher gemäss Müller auf zwei Arten: Entweder sie streifen durchs Quartier und bemerken verlassene Häuser, oder sie informieren sich im Voraus. «Es ist heute sehr einfach, an Informationen zu kommen», sagt Müller. Die Ferienmeldung auf Facebook, die Abwesenheitsmeldung im Büro oder eben die Todesanzeige in der Zeitung – Spuren sind überall.
Doch der Polizist relativiert: «Sich zu informieren ist kein Delikt. Man verhindert besser den Einbruch an sich, dann ist auch die Recherche zwecklos.»
Veraltete Türen und Schlösser seien die beste Einladung für erfahrene Einbrecher. «Türen mit Ausstattung aus den siebziger Jahren knacken Profis innert Sekunden.» So geschehen auch im Wallis, wo bei Marta Meier* ebenfalls während einer Beerdigung eingebrochen wurde. Meier glaubt indes nicht, dass die Täter wegen der Todesanzeige von ihrer Abwesenheit wussten. «Ich erhielt in den Tagen zuvor immer wieder Anrufe mit unterdrückter Nummer.»
Auch das ist ein simpler Trick, um zu prüfen, ob jemand zu Hause ist. Bei Meiers waren die Täter offenbar nur wenige Minuten im Haus. Sie lässt nun die neuste Technologie installieren. «Eine solche Tür ist nicht unter einer Stunde zu knacken.»
*Name geändert
Tipps: So schützen Sie sich
«Alles vermeiden, was Abwesenheit verrät», so der wichtigste Ratschlag von Joe Müller, Mediensprecher bei der Zuger Polizei. Er empfiehlt etwa Zeitschaltuhren beim Licht. Weiter könne man ja mal den Nachbarn beauftragen, den Briefkasten zu leeren und ein Auge auf die Wohnung zu werfen. Sparen bei Tür und Schloss empfiehlt sich nicht.
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Nach einem Einbruch ist der Schreck meistens gross. Eine Hausratversicherung federt zumindest den materiellen Wert des gestohlenen Guts ab. Beobachter-Mitglieder erhalten weitergehende Infos, worauf sie bei der Versicherungsdeckung achten sollten, welche Zusätze sich lohnen können und ob Mieter für Einbruchschäden haften.