Liebe Leserinnen und Leser

Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. 

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Das Zitat der Woche

Ach, Schweiz. Manchmal musst du dich nicht wundern, wenn deine Nachbarn langsam die Geduld mit dir verlieren. Das war so eine Woche zum Kopfschütteln. Da setzt der Aussenminister öffentlichkeitswirksam sich und das Land als Freund der Ukraine in Szene, während der Bundesrat als Ganzes beschliesst, dass er ab jetzt die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mehr voll mittragen wird. Linke Politiker kritisieren den Entscheid scharf.

«Die Schweiz wird zur Kriegsprofiteurin.» – Fabian Molina, Nationalrat und Mitglied der Aussenpolitischen Kommission

Konkret geht es um eine Lücke, die es westlichen Firmen ermöglichte, weiterhin mit Russland zu geschäften. Dazu brauchten sie einfach ausserhalb der EU eine Tochterfirma zu gründen, die das stellvertretend tat. In der EU ist das nun verboten. In der Schweiz nicht. Ob es etwas damit zu tun hat, dass die Schweiz der wichtigste Rohstoffhandelsplatz der Welt ist – und es halt einfacher ist, Friedenskonferenzen auszurichten, als eine milliardenschwere Branche zu verärgern? ¯\_(ツ)_/¯.

Bundesgericht: Keine mildere Strafe für «kurze» Vergewaltigung

Darum gehts: Das oberste Gericht hat in einem neuen Urteil betont: Die Dauer einer Vergewaltigung dürfe für die Strafzumessung in keinem Fall zugunsten des Täters berücksichtigt werden. Es wies die Beschwerde eines 51-jährigen Portugiesen ab. Der Täter hatte 2023 eine Frau auf dem Heimweg überwältigt, die er zuvor in einer Bar kennengelernt hatte. Er argumentierte, das Walliser Kantonsgericht hätte seine Schuld bei der Strafzumessung wegen der kurzen Dauer der Tat milder beurteilen müssen.

Warum das wichtig ist: Der Portugiese verwies auf einen Fall aus dem Kanton Basel-Stadt, in dem das Appellationsgericht bei der Begründung unter anderem auf die Dauer der Tat Bezug genommen hatte. Das Bundesgericht bezeichnet nun seine eigene Formulierung zum Fall aus Basel heute als eine «isolierte und unangemessene» Formulierung. Damals hatte es geschrieben: «So ist bundesrechtskonform, dass die Vorinstanz die (im Vergleich relativ kurze) Vergewaltigung berücksichtigt.» Das höchste Schweizer Gericht hält nun fest, dass die Bezeichnung «Vergewaltigung von kurzer Dauer» ein Unding sei.

Das sagt der Beobachter: Die Passage aus dem Basler Urteil hatte damals grosse Empörung ausgelöst – zu Recht. Die Klärung ist richtig und wichtig. Zusammen mit dem revidierten Sexualstrafrecht wird 2024 als ein wichtiges Jahr in Sachen Opferschutz in die Geschichte eingehen. Mehr über das revidierte Sexualstrafrecht erfahren Sie in unserem Erklärartikel. Etwa, was «Nein heisst Nein» bedeutet und was «Nein heisst nein plus» heisst. 

Über «Das war richtig wichtig»

Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.

Kinderarmut: Schweizer Sozialhilfe reicht oft nicht aus

Darum gehts: Eine neue Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) stellt fest, dass vor allem bei Familien mit mehreren Kindern das Geld von der Sozialhilfe oft nicht die soziale Existenzsicherung deckt. Ausserdem wird kritisiert, dass häufig erhebliche Unterschiede in der Bemessung von sogenannten situationsbedingten Leistungen bestehen – ob ein bedürftiges Kind für den Besuch von Musikunterricht oder fürs Skilager unterstützt wird, entscheidet jede Gemeinde anders. Chancengleichheit gebe es deshalb nicht.

Warum das wichtig ist: Kinder machen hierzulande den grössten Anteil von Menschen aus, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Mehr als 17 Prozent aller Minderjährigen waren 2022 hierzulande armutsgefährdet. Trotz dieser Zahlen kommt der Bericht zu ernüchternden Ergebnissen: «Die Studie zeigt erstmals, dass der Grundbedarf für Familienhaushalte in der Sozialhilfe tendenziell zu niedrig angesetzt ist. Dies führt zu einer strukturellen Unterdeckung, die die Existenzsicherung gefährdet», heisst es von Mirjam Ballmer. Sie ist Vizepräsidentin der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos), die die Untersuchung in Auftrag gegeben hat.

Das sagt der Beobachter: «Man kann sich nicht darauf verlassen, dass eine Leistung wie das Skilager bezahlt wird», sagt dazu Corinne Strebel, Leiterin des Beobachter-Beratungszentrums und Rechtsexpertin. «Am besten könnte dieses Problem gelöst werden, wenn die Sozialhilfe nicht mehr auf Kantonsebene, sondern auf Bundesebene geregelt wird.» In der Zwischenzeit kann die Stiftung SOS Beobachter in vielen Fällen Abhilfe schaffen. Wie, lesen Sie zum Beispiel hier: 

Einkaufstourismus: Nur noch halb so viel zollfrei

Darum gehts: Der Bundesrat will den Einkaufstourismus bekämpfen. Er hat darum diese Woche beschlossen: Ab 2025 dürfen nur noch Waren für 150 Franken pro Tag und Kopf für den privaten Gebrauch mehrwertsteuerfrei eingeführt werden. Aktuell sind es 300 Franken.

Warum das wichtig ist: Die Schweizer Bevölkerung geht jährlich für rund 8 Milliarden Franken im Ausland einkaufen. Und nun, da der Schweizer Franken im Vergleich zum Euro fast rekordhoch teuer ist, dürften noch mehr Menschen geneigt sein, den Wocheneinkauf in Lörrach oder Varese zu erledigen. Die neue Freigrenze dürfte daran nicht viel ändern. Der Bundesrat wagt denn auch keine Prognose, wie viel mehr (oder weniger) Mehrwertsteuer die Senkung einbringen wird.

Das sagt der Beobachter: Treffen wird die Senkung vor allem die Einkommensschwachen. Die Schweiz hat gerade erst einen massiven Teuerungsschub hinter sich. Und ausgerechnet jetzt zieht man für Menschen, die jeden Franken umdrehen müssen, die Schraube unnötigerweise noch mal an. Wie Beobachter-Redaktor Martin Vetterli in seinem Kommentar schrieb: «Die tiefere Freigrenze bringt dem Schweizer Handel sehr wenig, bedeutet für den Zoll Mehrarbeit und für Konsumentinnen und Konsumenten höhere Preise.»

Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Caroline Freigang, Oliver Fuchs und Fabienne Niederer.

Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.