Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 10. Februar 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein.
So – und jetzt die Themen:
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Budget: Der Bund hat sich (schon wieder) verrechnet – braucht es das Sparprogramm gar nicht?
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Handelskrieg: Was die amerikanischen Zölle für die Schweiz bedeuten könnten
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Schweiz/EU: Sind die neuen Verträge tot, bevor die Debatte richtig losgeht?
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Mindestlöhne: Nach dem Doppel-Nein am Abstimmungssonntag – wie weiter?
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Budget: Der Bund hat sich (schon wieder) verrechnet – braucht es das Sparprogramm gar nicht?
Darum gehts: Mitte Woche hat Finanzministerin Keller-Sutter den Abschluss des Jahres 2024 präsentiert – er fällt um 2,5 Milliarden Franken besser aus als budgetiert. Der Bund kann damit sogar Schulden abbauen. Kritiker des geplanten rund vier Milliarden schweren Sparpakets nehmen das nun als Steilvorlage. Keller-Sutter konterte: «Wir haben ein Ausgabenproblem, kein Einnahmenproblem.» Man müsse sparen, weil man die 13. AHV-Rente und die Aufrüstung beschlossen habe.
Warum das wichtig ist: Von den letzten 15 Rechnungen des Bundes schlossen 11 mit einem besseren Finanzierungsergebnis ab als vorausgesehen. Grundsätzlich ist das ja eine gute Nachricht. Aber es schwächt die Argumente des Sparlagers. Wenn die Prognosen so oft zu pessimistisch sind: Warum soll jetzt ausgerechnet jene zur finanziellen Zukunft verlässlich sein? Noch bis im Sommer berät das Parlament über das sogenannte Entlastungspaket. Links der Mitte droht man bereits mit Referenden, sollte es nicht abgemildert werden.
Das sagt der Beobachter: Die Finanzministerin findet die enorme Differenz zwischen Prognose und Ergebnis nicht sonderlich bemerkenswert. Das mag für sich genommen sogar stimmen. Aber in letzter Zeit haben gleich mehrere Fälle das Vertrauen in die Prognosen des Bundes untergraben. Die prominentesten: der Rechenfehler in der AHV (vier Milliarden besser als dargestellt) und derjenige beim Bahnausbau (14 Milliarden teurer als geplant). Die Regierung darf das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn die Entfremdung mit Staat und Politik wächst, wie unser Gerechtigkeitsbarometer zeigt:
⇒ Jetzt lesen: Der soziale Kitt bröckelt
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Handelskrieg: Was die amerikanischen Zölle für die Schweiz bedeuten könnten
Darum gehts: Nach einigem Hin und Her hat der neue US-Präsident Anfang Woche Ernst gemacht – und Handelszölle gegen «befreundete» Nationen angeordnet. Ab Anfang März werden auf Stahl und Aluminium 25 Prozent erhoben. Weitere Zölle hat er angekündigt. Eine neue Studie der UBS zeigt auf, welche Zölle die Schweiz besonders treffen würden.
Warum das wichtig ist: Die neuen Stahl- und Aluminiumzölle treffen die Schweiz kaum, da vergleichbare Zölle bereits seit Jahren in Kraft sind. Gefährlicher wird es gemäss den Ökonomen der UBS, sollte Trump die Pharmabranche ins Visier nehmen: Ihre Produkte machen 60 Prozent der Warenexporte in die USA aus. Allerdings wäre der Schaden erst mittelfristig beträchtlich, da Menschen oft gar keine Wahl haben, ob sie ein Medikament nehmen oder nicht – auch wenn es teurer wird. Schneller könnten Zölle auf deutsche Autos die hiesigen Zulieferer der Automobilindustrie treffen.
Das sagt der Beobachter: Trump tut, was er im Wahlkampf versprochen hat. Trotzdem reagieren Expertinnen und Analysten immer wieder überrascht. Wahrscheinlich fällt es vielen schwer, sich vorzustellen, dass er der amerikanischen Wirtschaft willentlich schaden würde – um seine Politik durchzusetzen. Aber warum eigentlich nicht?
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Schweiz/EU: Sind die neuen Verträge tot, bevor die Debatte richtig losgeht?
Darum gehts: Die neuen EU-Verträge sollen nicht dem obligatorischen Referendum unterstellt sein, findet die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats. Damit bräuchte es kein Ständemehr. Dieser Entscheid der Kommission ist nicht verbindlich. Am Ende werden der Bundesrat und dann das Parlament darüber entscheiden.
Warum das wichtig ist: Ein obligatorisches Referendum sei nur bei einem Beitritt zu einer supranationalen Organisation vorgeschrieben, begründet die Kommission ihre Haltung. Allerdings wurden frühere Abkommen von grosser Tragweite trotzdem dem obligatorischen Referendum unterstellt. Das war zum Beispiel beim Beitritt zum EWR so.
Das sagt der Beobachter: Ehrlicherweise muss man sagen: Bräuchte dieses Vertragspaket ein Ständemehr, könnte man sich die Abstimmung gleich sparen – es wäre praktisch chancenlos. Und es leuchtet nicht unbedingt ein, warum ein obligatorisches Referendum zwingend wäre: Bei den Bilateralen I und II gab es das auch nicht. Kritiker können einwenden, dass es die Demokratieverdrossenheit befeuert, eine solch folgenschwere Vorlage nicht so breit wie irgend möglich demokratisch zu legitimieren. Und könnten auf die stetig sinkende Wahlbeteiligung verweisen:
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Mindestlöhne: Nach dem Doppel-Nein am Abstimmungssonntag – wie weiter?
Darum gehts: In den Kantonen Solothurn und Baselland hat es das Stimmvolk am Wochenende abgelehnt, verbindliche Mindestlöhne einzuführen. Die Gewerkschaften hatten dies mit zwei kantonalen Volksinitiativen gefordert.
Warum das wichtig ist: In den Kantonen Genf, Jura, Neuenburg und Tessin wurde in den vergangenen Jahren ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt, um Arbeitnehmende in Tieflohnbranchen zu schützen. In der Deutschschweiz kennt einzig Basel-Stadt eine solche Regelung. Sie gilt allerdings nur für Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag. Diese kantonalen Gesetze sind jedoch unter Druck: Das Parlament hat einen Vorstoss des Obwaldner Mitte-Ständerats Erich Ettlin überwiesen, der allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge höher gewichten will als kantonal geregelte Mindestlöhne. Diese würden damit faktisch abgeschafft.
Das sagt der Beobachter: Wenn Lebensmittel, Energie und Krankenkassenprämien immer teurer werden, dann trifft dies vor allem die Schwächsten in der Gesellschaft: Menschen, die in Tieflohnbranchen arbeiten und jeden Franken zweimal umdrehen müssen. Mit kantonal geregelten Mindestlöhnen können Angestellte in diesen Berufen geschützt werden.
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Ausserdem wichtig diese Woche
- Die Stromkonzerne dürfen Privatpersonen und Unternehmen nächstes Jahr weniger verrechnen. Das hat der Bundesrat entschieden. Für einen durchschnittlichen Haushalt bedeutet das übers Jahr rund zehn Franken weniger.
- Nationalfonds, Universitäten und weitere Bildungsakteure warnen vor den Sparplänen des Bundes. Die geplanten Kürzungen von fast einer halben Milliarde Franken pro Jahr würden den Fachkräftemangel verstärken und der Wirtschaft schaden, schreiben sie in einer gemeinsamen Mitteilung.
- Der Bundesrat steht der Unverjährbarkeit von Mord skeptisch gegenüber. Trotzdem will er einen entsprechenden Reformvorschlag des Ständerates prüfen.
- Uiguren und Tibeter, die in der Schweiz leben, werden von China unter Druck gesetzt und bespitzelt. Das legt ein neuer Bericht des Bundesrats ans Parlament nahe.
- Der Bundesrat will mehr Spielraum, Kriegsmaterial-Ausfuhren zu bewilligen. Diese Woche hat er eine entsprechende Vorlage an das Parlament überwiesen.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Thomas Angeli und Oliver Fuchs.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.