Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 17. März 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Es gibt diesmal ziemlich viele – denn diese Woche hat das Parlament die Frühjahrssession abgeschlossen. Wir haben Ihnen darum ein paar weitere Meldungen am Schluss knapp zusammengefasst.
Die Themen:
- Gesundheitskosten: Das Parlament hat Massnahmen beschlossen – was bringen sie?
- Sammelklagen: Der Nationalrat will nicht mal darüber reden
- Entwicklungshilfe: Wie der Kahlschlag in den USA die Schweiz trifft
- Und das Zitat der Woche ist eine sichere Bank
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Gesundheitskosten: Das Parlament hat Massnahmen beschlossen – was bringen sie?
Darum gehts: Das Parlament hat in der Frühjahrssession gleich drei wichtige Entscheide im Gesundheitswesen getroffen. Der Vertragszwang für die Krankenkassen soll gelockert und die Mindestfranchise erhöht werden. Der Ständerat hat zudem dafür votiert, dass die Kantone sich bei der Spitalplanung besser absprechen.
Warum das wichtig ist: Die steigenden Krankenkassenprämien sind die Sorge Nummer eins der Schweizer Bevölkerung. Das bestätigt auch das aktuelle Familienbarometer. Die Frühjahrssession hat gezeigt, dass die Reformbereitschaft im Parlament stark gestiegen ist.
Das sagt der Beobachter: Eine Lockerung des Vertragszwangs galt lange als Tabu, die Hoheit der Kantone bei der Spitalplanung als unantastbar. Reformen sind nötig. Gut, dass endlich Bewegung in die Sache kommt. Die zentrale Frage dabei aber ist: Wer zahlt die Zeche? Mit der Erhöhung der Mindestfranchise antwortet das Parlament: die Bevölkerung. Dabei finanziert die Schweiz die Gesundheit bereits mit Abstand am unsozialsten. Das ist nicht der richtige Weg, denn die Pfründen der Leistungserbringer, wie sie der Beobachter etwa hier und hier dokumentiert hat, blieben unangetastet. Der Sparhammer muss auf die Einkommen und Profite der Leistungserbringer niedersausen und nicht auf das Portemonnaie des ohnehin schon gebeutelten Prämienzahlers.
⇒ Jetzt lesen: Das Geld ist zu knapp, klagt fast die Hälfte der Familien
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Sammelklagen: Der Nationalrat will nicht mal darüber reden
Darum gehts: Nach zig Schlaufen hat der Nationalrat diese Woche beschlossen, auf den Vorschlag des Bundesrats zum kollektiven Rechtsschutz nicht einzutreten. Sprich: Es gibt keine Debatte darüber, ob und wie Sammelklagen gesetzlich geregelt werden könnten. Konsumentenschützer kritisieren den Entscheid scharf.
Warum das wichtig ist: Wenn Konzerne mit ihren Produkten massenhaft Menschen krank machen oder in die Irre führen, können die Geschädigten in vielen Ländern gemeinsam klagen. Damit teilen sie sich das Prozessrisiko und die finanzielle Last. In der Schweiz muss jede Geschädigte separat vor Gericht. Die Befürworter von Sammelklagen führten etwa den VW-Abgasskandal an: In Ländern mit Sammelklage wurden Betroffene entschädigt, in der Schweiz nicht. Die Gegner argumentierten, in den USA und auch in europäischen Ländern sei eine regelrechte «Klageindustrie» entstanden.
Das sagt der Beobachter: Elf Jahre ist es her, seit das Parlament den Bundesrat damit beauftragt hat, eine gesetzliche Grundlage für Sammelklagen zu schaffen. Dann hat die Rechtskommission immer wieder neue Berichte und Abklärungen bestellt – nur um am Schluss zu empfehlen, das Ganze einfach sein zu lassen. Das grenzt an Arbeitsverweigerung, egal, wie man inhaltlich dazu steht.
⇒ Jetzt lesen: Parlament will über Sammelklagen gar nicht erst diskutieren
Entwicklungshilfe: Wie der Kahlschlag in den USA die Schweiz trifft
Darum gehts: Die neue US-Regierung hat die Not- und Entwicklungshilfe fast komplett eingestellt. Das trifft nun Genf, wo rund 40 internationale Organisationen ihren Sitz haben. Diese Woche hat die Uno-Organisation für Migration etwa bekannt gegeben, dass sie 6000 Mitarbeiter entlassen muss, weil das Geld fehlt. Rund 250 Stellen fallen in Genf weg. Das Arbeitsamt des Kantons Genf hat eine Notfallhotline eingerichtet, und der Kanton hat zehn Millionen Franken gesprochen, um Organisationen kurzfristig zu stützen.
Warum das wichtig ist: Natürlich sind die USA frei darin, ob und wie viel sie zu internationalen Organisationen beitragen. Problematisch ist aber, wie abrupt und massiv die neue Regierung die Kehrtwende vollzogen hat. Ein ehemaliger Leiter der US-Entwicklungshilfe USAID unter Präsident Bush jr. verdeutlichte unlängst das Ausmass: «40 Prozent der globalen Nothilfe sind über Nacht kollabiert: Erdbeben, Hungersnöte, Flüchtlingscamps. [...] Das halbe Uno-System verschwindet damit.» Es ist unwahrscheinlich, dass andere Länder diese Lücke füllen wollen oder können.
Das sagt der Beobachter: Im Vergleich zu ihrer Grösse ist die Schweiz eine diplomatische Supermacht. Ein wichtiger Grund dafür ist Genf. Hier sind etwa das Internationale Komitee vom Roten Kreuz beheimatet, die Weltgesundheitsorganisation und der Uno-Menschenrechtsrat. In der Vergangenheit kämpfte sie manchmal mit harten Bandagen, um diesen Einfluss nicht zu verlieren. Ein Beispiel:
⇒ Jetzt lesen: Schweizer Waffen für den Kreml
Das Zitat der Woche
Zwei Jahre ist es her, seit die Credit Suisse kollabierte und hau ruck von der UBS übernommen wurde. In Bern sitzen Schock und Wut noch immer tief, nicht nur links der Mitte, wo man den Banken gegenüber traditionell skeptisch ist. Von Grün bis SVP ist man sich einig: Die Banken müssen an eine kürzere Leine. Auch die Finanzministerin stimmte mit ein.
«Ich höre immer wieder von den Menschen in diesem Land, dass ihre Geduld erschöpft ist. Das ist nicht eine politische Einstellung, das ist einfach gesunder Menschenverstand.» – Karin Keller-Sutter
Beide Räte wollen der Finanzmarktaufsicht mehr Macht geben, die «Too big to fail»-Regeln anpassen und den Banken Spielraum bei Eigenkapital und bei den Boni wegnehmen – im Prinzip. Mal schauen, ob die Einigkeit auch noch besteht, wenn es dann darum geht, die grossen Bögen in konkrete gesetzliche Verordnungen zu übersetzen. Die UBS tut jedenfalls, was sie kann, um die Politik motiviert zu behalten. Just als man im Parlament gegen abgehobene Banker wetterte, wurde bekannt, wie viel Lohn UBS-Chef Sergio Ermotti für das vergangene Geschäftsjahr bekommt: 15 Millionen Franken.
Aus der Frühlingssession
Auch sonst war diese Woche viel los. So hat das Parlament an der Session unter anderem diese Entscheide gefällt, die uns wichtig scheinen:
- Der Ständerat will wissen, ob ein Verbot von Social-Media-Plattformen wie Tiktok und Instagram für unter 16-Jährige sinnvoller Jugendschutz sein kann. Der Bundesrat soll nun prüfen, ob beispielsweise ein Handyverbot an Schulen sinnvoll wäre.
- Das Parlament sagt Nein zu mehr Transparenz bei den Pensionskassen. Deren Verwaltungskosten belaufen sich auf sieben Milliarden Franken jährlich. Doch die Forderung nach detaillierten Aufschlüsselungen dieser Kosten blieb chancenlos.
- Mitglieder von Initiativkomitees sollen besser geschützt werden. Sie sollen auf dem Unterschriftenbogen ihre Wohnadresse nicht mehr angeben müssen, hat das Parlament beschlossen.
- Die 13. IV-Rente für Bezügerinnen und Bezüger mit Ergänzungsleistungen ist vom Tisch. Der Ständerat hat eine Motion seiner zuständigen Kommission abgelehnt.
- Hausärztinnen und Hausärzte sollen mehr Geld bekommen. Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, die medizinischen Tarife anzupassen.
- Der Ständerat will die Ladenöffnungszeiten nicht lockern. Er hat eine Motion aus dem Nationalrat abgelehnt, die kleinen lokalen Läden erlauben wollte, am Sonntag zu öffnen.
- Die Kosten für Verhütungsmittel sollen auch künftig nicht von der Krankenkasse übernommen werden.Nach dem Ständerat hat das am Donnerstag auch der Nationalrat abgelehnt.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Oliver Fuchs und Gian Signorell.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.