Wenn Mama nicht mehr kann
Irgendwann sind die Eltern zu gebrechlich, um auf eigenen Füssen zu stehen. Oft übernehmen dann Angehörige die Pflege. Das kann für Streit sorgen – schliesslich geht es auch ums Erben.
Mit dem Alter kommt nicht nur Silber ins Haar, mit dem Alter kommen auch körperliche oder geistige Beschwerden. Kochen, Einkaufen, Waschen können früher oder später nicht mehr allein bewältigt werden – Betreuung und Pflege im Alltag werden nötig. Und irgendwann drängt sich die Frage auf nach einem Umzug ins Pflegeheim . Für viele eine traurige Vorstellung.
Umso schöner, wenn dank Mithilfe von Angehörigen der Umzug hinausgezögert oder gar verhindert werden kann und die betreffende Person im vertrauten Umfeld bleibt.
Oft übernehmen die eigenen Kinder diese Aufgabe. Sie sind zwar gesetzlich nicht verpflichtet, die Eltern zu pflegen oder bei sich aufzunehmen. Trotzdem tun es viele, aus Zuneigung und Dankbarkeit, moralischer Verpflichtung oder aufgrund der gesellschaftlichen Erwartungshaltung. Für das Gesundheitswesen bedeutet dies eine massive Entlastung – mehr als 200'000 Menschen werden zu Hause gepflegt.
Wer einen Angehörigen umsorgt, übernimmt eine anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe. Darum ist es ratsam, mit Bedacht vorzugehen und – bei aller Liebe – vorgängig eine Analyse der zu erwartenden Situation zu machen, Abmachungen zu treffen und finanzielle Fragen zu klären.
Überlegen Sie sich genau, ob Sie in der Lage sind, die Pflege zu bieten, die nötig ist – emotional, finanziell, fachlich und vom Zeitaufwand her. Auch eine gute Beziehung zum Vater oder zur Mutter ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Pflege. Entsprechende Fragen könnten also lauten:
- Wie steht Ihre eigene Familie dazu?
- Ist die Pflege mit Ihrem Job vereinbar ?
- Wie viele Stunden pro Woche können Sie aufwenden?
- Wie ist Ihr Verhältnis zur pflegebedürftigen Person?
- Was erwartet sie von Ihnen?
- Helfen Geschwister mit?
- Gibt es Stellen, die Aufgaben übernehmen können (Spitex, Mahlzeitendienste)?
So manche Tochter rutscht in den Pflegedienst hinein, ohne klare Abmachungen zu treffen. Schliesslich ist sie es doch, die gerade in der Nähe wohnt, da liegt diese Lösung auf der Hand, denken die Geschwister.
Fragen nach einer Entschädigung für Pflege und Zeitaufwand tauchen dann oft erst nach dem Tod des betreuten Elternteils auf – schliesslich haben die Geschwister nicht mitgeholfen und sollen nun dafür zumindest finanziell geradestehen.
Entsprechende Anfragen im Beobachter-Beratungszentrum zeigen, dass viele Menschen glauben, eine solche Entschädigung könne nach dem Tod der Eltern von den Miterben verlangt werden. Doch das ist nicht so.
Rechtlich liegt zwar ein Auftrag zwischen betreuter und pflegeleistender Person vor. Doch Geld gibts dafür nur auf ausdrückliche Vereinbarung hin oder wenn das so üblich ist – sonst gilt die Pflege von Angehörigen als kostenloser Liebesdienst.
Der Einwand, das gesamte Erbe wäre bereits aufgebraucht, wären die Eltern in einem Pflegeheim betreut gewesen, mag in vielen Fällen berechtigt sein. Doch auch dann kann die betroffene Person nur auf den Goodwill der anderen Erben hoffen.
Nicht nur für die Eltern kann die Pflege zur Belastung werden, sondern auch für die Kinder. Beobachter-Mitglieder erhalten in der Checkliste «Pflege im Alter» weitere Infos, wie sich körperliche Alarmzeichen bemerkbar machen und welche Hilfsstellen sie zur Entlastung ansprechen können.
Anders sieht es für getätigte Ausgaben aus, etwa fürs Einkaufen oder das Benzin für Fahrdienste: Sie können von der zu pflegenden Person zurückverlangt werden beziehungsweise nach deren Tod von den Miterben, sofern die Kosten noch nicht verjährt sind.
Im Streitfall scheitert diese berechtigte Forderung jedoch vielfach an der Beweislage: Wer sammelt schon über Jahre hinweg Belege für solche Ausgaben? Und selbst wenn sie vorhanden sind, ist noch nicht erwiesen, ob die Ausgaben auch tatsächlich für den entsprechenden Pflegedienst getätigt worden sind.
Um genau solche frustrierenden Situationen zu vermeiden, sollte man mit dem zu betreuenden Elternteil einen schriftlichen Betreuungs- und Pflegevertrag abschliessen. Darin können die Aufgaben vereinbart sowie deren Entschädigung geregelt werden. Sie können sich dabei an folgenden Richtwerten orientieren:
- Entschädigung für Unterkunft pro Monat: 250 bis 800 Franken;
- Verpflegung pro Tag: 24 bis 30.50 Franken;
- Wäsche pro Monat: 150 bis 240 Franken;
- 25 bis 30 Franken Stundenlohn für geleistete Haushalts- und Pflegearbeit;
Am besten gleich abrechnen
Wechselt der Umfang der Betreuung, empfiehlt es sich, die entsprechende Arbeit auf einem Erhebungsblatt zu notieren. Am einfachsten ist es, monatlich abzurechnen und sofort auszuzahlen.
Oder die Arbeit wird vertragsgemäss in Rechnung gestellt, die Fälligkeit aber auf den Zeitpunkt nach dem Tod der pflegebedürftigen Person verschoben. Dann wäre es eine gewöhnliche Schuld des Erblassers, die aus dem Erbvermögen bezahlt werden kann, ehe der Rest verteilt wird. Eine solche Regelung ist aber nur sinnvoll, wenn beim Tod voraussichtlich noch ein Vermögen vorhanden ist.
Ohne einen solchen Vertrag könnte die betreute Person im Testament verfügen , dass die Person, die sie gepflegt hat, mehr erhalten soll als die Miterben, und festhalten, dass diese Begünstigung wegen Pflege von der Ausgleichungspflicht befreit ist.
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