Meteorologe Jörg Kachelmann regt sich regelmässig darüber auf. «Das Verbrennen von Holz ist eine der dümmsten Ideen, die man sich im Jahr 2020 vorstellen kann.» Holzheizungen sind seiner Meinung nach für die Gesundheit eine Katastrophe. «Viele Menschen können abends nicht mehr lüften wegen des Feinstaubs aus Holzfeuerungen.» Holzheizungen fördern – das sei wie Raucherecken in Kinderzimmern einrichten. 

Partnerinhalte
 
 
 
 

Für das Bundesamt für Energie sind Holzheizungen indes die Lösung. Mit modernen Holzfeuerungen könne man Öl- und Gasheizungen ideal ersetzen. Weil der Schweizer Wald unternutzt sei, sei Heizen mit Holz CO2-neutral. Das Holz wachse schnell nach. 

Deshalb wird das Heizen mit Holzpellets im Namen des Klimaschutzes offiziell beworben. Etwa mit einem Tierli-Werbefilm, der so professionell wie herzig ist. Die Botschaft: «Die Natur dankt» allen, die mit Holz heizen. Dazu schreibt das Bundesamt, automatische Holzpelletheizungen hätten dank «entsprechenden Filteranlagen nur einen sehr geringen Feinstaubausstoss». 

1900 Tote pro Jahr

Das Bundesamt für Umwelt widerspricht. Gemäss seiner Untersuchung stossen selbst modernste Holzheizungen zehn bis hundertmal mehr Feinstaub aus als Öl- oder Gasheizungen. Holzfeuerungen seien zu knapp einem Drittel für den Ausstoss der kleinsten Feinstaubpartikel verantwortlich. Und genau diese Partikel sind am gefährlichsten. Feinstaubteilchen, die weniger als 2,5 Mikrometer gross sind, also mehr als 30-mal kleiner als ein Sandkorn, dringen besonders tief in die Lunge ein und können Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen Herz Bewegung ist die beste Prävention auslösen. 

Holzheizungen stossen 100 Mal mehr Feinstaub aus als Öl- oder Gasheizungen.

In Bern, Basel und Zürich wurden letztes Jahr die Grenzwerte für solchen Feinststaub an bis zu 21 Tagen überschritten, stellte das Bundesamt für Umwelt fest. Meistens im Winterhalbjahr, wenn Hochnebel liegt und viel geheizt wird. 

Was harmlos klingt, kann tödlich enden. Wenn die Grenzwerte für die Kleinstpartikel vollständig eingehalten würden, könnten jedes Jahr 1900 frühzeitige Todesfälle vermieden werden. 13'500 Spitaltage würden wegfallen, 2,7 Milliarden Franken Gesundheitskosten gespart. Das schrieb das Bundesamt für Umwelt vor zwei Jahren in einem Bericht an den Bundesrat. 

«In städtischen Gebieten deplatziert»

Im Kanton Freiburg stösst die mit Steuergeldern finanzierte Holzfeuerwerbung auf wenig Gegenliebe. Er schreibt auf der Seite energie-umwelt.ch, dass Holzheizungen «in städtischen Gebieten deplatziert» seien – trotz technischen Fortschritts und moderner Partikelfilter. Sie seien «wegen der ohnehin kritischen Luftqualität nicht empfehlenswert». Damit die Luftqualität in den Städten Freiburg und Bulle genügend hoch bleibt, hat der Kanton Sondermassnahmen erlassen. Wer neu einen Holzpelletofen einbaut, muss mehr als doppelt so strenge Emissionsgrenzwerte einhalten wie vom Bund verlangt – obwohl dieser die nationalen Grenzwerte erst 2018 deutlich verschärft hat. 

Im Massnahmenplan zur Luftreinhaltung hat sich Freiburg zum Ziel gesetzt, «die Auswirkungen der Förderung von Holzfeuerungen auf die Luftqualität in den Agglomerationen zu begrenzen». Im Klartext: Was der Bund im Namen des Klimas fördert, bekämpft der Kanton im Namen der Lufthygiene.

Mehr Feinstaub als Autobahn und Industrie

Die Feinstaubbelastung ist in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten tatsächlich stark gesunken. Doch laut dem Basler Professor Nino Künzli ist die Luftqualität noch immer so schlecht, dass man gesundheitliche Folgen beobachten kann. Verkehr Verstopfte Strassen und überfüllte Züge Der Verkehrskollaps droht und Industrie hätten ihren Feinstaubausstoss so stark gesenkt, dass der Feinstaub aus Holzheizungen anteilsmässig an Bedeutung gewonnen habe, sagt Künzli, der die Eidgenössische Kommission für Lufthygiene präsidiert. «Insbesondere in ländlichen Regionen könnten deshalb die Holzheizungen zur grössten Quelle von Feinstaub werden.» 

30 Prozent der kleinsten Feinstaub-Teilchen stammen aus Holzfeuerungen.

Man müsse diese Quellen unbedingt beobachten und dafür sorgen, dass immer nur die beste verfügbare Holzheizungstechnologie zum Einsatz komme. Grosse Holzheizungszentralen oder Holzwärmeverbunde sind laut Künzli sauberer als moderne Öfen für ein Einzelhaus oder eine Wohnung, da sie deutlich weniger Schadstoffe ausstossen. Wer das Feinstaubproblem ernst nehme, müsse auf Grossanlagen setzen. 

Wie gefährlich Holzheizungen sein können, zeigt sich im kleinen Dorf San Vittore im bündnerischen Misox Waldbrand Im Norden steigt die Brandgefahr . Allein im Januar wurde der Tagesgrenzwert für Grosspartikel zehnmal überschritten – während einzelner Stunden gar um das Vierfache. Erlaubt ist das an höchstens drei Tagen pro Jahr. Und die noch gefährlicheren Kleinstpartikel misst der Kanton gar nicht erst. 

In den Wintermonaten stammen bis zu 70 Prozent des gemessenen Feinstaubs aus Holzfeuerungen, wenn bei Inversionslage ein Kaltluftsee die Luftabfuhr blockiert. Die nahe Autobahn und die Industrie sondern deutlich weniger Feinstaub ab, ergab eine Studie des Kantons Graubünden. 

Vom Joggen wird abgeraten

«In San Vittore gibt es viele Haushalte mit alten Einzelraumfeuerungen, die sehr viel Feinstaub produzieren», sagt Hanspeter Lötscher vom Bündner Amt für Natur und Umwelt. «Weil die Belastung gesundheitsgefährdend ist, haben wir Massnahmen getroffen.» Der Kanton will die Hausbesitzer nun animieren, die Holzverbrennung zu stoppen oder zu modernisieren. Seit zwei Jahren zahlt er deshalb den Besitzern von Holzöfen bei Sanierungen bis zur Hälfte der Kosten. Auf eine Gesundheitswarnung verzichtet der Kanton Graubünden aber. «Natürlich sollte man am Abend in diesem Dunst nicht joggen gehen. Wir wollen aber keine Verhaltensregeln vorschreiben und appellieren an den gesunden Menschenverstand», sagt Hanspeter Lötscher. 

Die Werte in San Vittore sind extrem hoch, doch auch in anderen Talkesseln gibt es im Winter Kaltluftseen und wird mit Holz geheizt. Nur stehe dort keine Feinstaub-Messstation, so Lötscher. «Es kann sein, dass andere Orte in der Schweiz ähnlich betroffen sind.» 

Holz zweifelhafter Herkunft

Das Bundesamt für Energie hält trotz aller Warnungen an seinem Plan fest und will Holzheizungen auch in Zukunft weiter fördern. Man beschönige die Feinstaubproblematik nicht. Aber: «Die aktuelle Klimapolitik verfolgt eine rasche Reduktion der CO2-Emissionen», erklärt eine Sprecherin. Fossile Heizungen Erneuerbare Energien So einfach geht sauber heizen müssten deshalb «jetzt» ersetzt werden. «Mit Holzheizungen werden moderne Lösungen angeboten, die sich für verschiedene Einsatzbereiche sehr gut eignen. Diese Holzheizungen entsprechen den gesetzlichen Anforderungen an die Luftreinhaltung voll und ganz.» 

Wer Holzpellets aus der Schweiz, Deutschland oder Österreich verbrenne, setze auf CO2-neutrale Holzquellen, sagt das Bundesamt. Alle drei Länder dürften gesetzlich nicht mehr Holz schlagen, als nachwachse. Tatsächlich stammen rund 97 Prozent der in der Schweiz verbrannten Holzpellets aus diesen drei Ländern. Der Rest, rund 10'000 Tonnen, kam letztes Jahr aus Wäldern, die kaum nachhaltig bewirtschaftet werden. So wurden rund 800 Tonnen Holzpellets aus der Ukraine importiert. Der Grund: Die einheimische Pelletproduktion reiche nicht aus, um den Bedarf zu decken, sagt ein grosser Anbieter. 

Über Importe sprechen aber weder der Bund noch die Holzlobby gern. Die angebliche Erfolgsstory vom sauberen und CO2-freien Rohstoff Holz soll weitergehen.

Zwei Mal pro Woche direkt in Ihre Mailbox
«Zwei Mal pro Woche direkt in Ihre Mailbox»
Dominique Strebel, Chefredaktor
Der Beobachter-Newsletter