So halten Sie Ihr Risiko klein
Der Beobachter betreibt die grösste und kompetenteste Beratung für Whistleblower in der Schweiz, die leider noch immer schlecht geschützt sind. Wichtige Fragen und Antworten anhand von sieben Beispielen.
aktualisiert am 19. März 2018 - 13:07 Uhr
Ich arbeite in einer kleinen Firma und habe festgestellt, dass mein Chef für Aufträge Schmiergelder in die eigene Tasche steckt. Wem kann ich diesen Missstand melden?
Gemäss Praxis des Bundesgerichts müssen Sie dies zunächst intern zur Sprache bringen, also bei den Vorgesetzten Ihres Chefs oder – sofern vorhanden – bei einer internen Anlaufstelle. Erst wenn die Probleme intern nicht bereinigt werden, dürfen Sie den Missstand an eine zuständige Behörde und als letzten Ausweg an die Öffentlichkeit tragen.
Vor Sanktionen und Repressionen können Sie sich schützen, indem Sie Beweise für die Machenschaften Ihres Chefs bei einem Anwalt deponieren, der an Ihrer Stelle an die Vorgesetzten und später allenfalls an die Medien gelangt. Sie selbst bleiben anonym. Falls Sie befürchten, in einer kleinen Firma trotzdem unter Verdacht zu geraten, der Whistleblower zu sein, empfiehlt es sich, zuerst eine neue Stelle zu suchen und erst dann Meldung zu erstatten.
Als kantonaler Beamter habe ich Missstände in der Verwaltung direkt den Medien gemeldet. Das hat zu Verbesserungen geführt. Trotzdem wurde ich wegen Amtsgeheimnisverletzung angezeigt. Habe ich mich strafbar gemacht?
Als Staatsangestellter sind Sie ans Amtsgeheimnis gebunden . Das haben Sie verletzt, weil Sie Missstände ohne Einwilligung Ihrer Vorgesetzten öffentlich gemacht haben. Grundsätzlich müssen Sie Missstände zuerst intern Vorgesetzten oder falls dies nichts nützt extern einem Aufsichtsorgan bei Kanton oder Bund, einem politischen Kontrollorgan (Departementsleitung oder Geschäftsprüfungskommission) oder zum Beispiel einer Ombudsstelle melden. Erst dann können Sie sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen und bleiben straflos.
Ich werde seit längerer Zeit von einer Kollegin gemobbt und schikaniert. Mein Chef war nicht einmal bereit, mich anzuhören. Ich habe mich deshalb ans kantonale Arbeitsinspektorat gewendet. Als mein Arbeitgeber das erfuhr, hat er mir gekündigt. Was kann ich tun?
Sie haben sich völlig korrekt verhalten. Ihr Arbeitgeber hat eine gesetzliche Fürsorgepflicht und müsste eingreifen und zumindest Schlichtungsversuche unternehmen, wenn Sie von einer Kollegin schikaniert werden. Da er trotz Ihrer wiederholten Aufforderung, Abhilfe zu schaffen, nichts unternommen hat, war es Ihr Recht, sich an die zuständige Behörde zu wenden. Die Kündigung ist deshalb missbräuchlich . Protestieren Sie noch während der Kündigungsfrist schriftlich dagegen. Kommt keine gütliche Einigung zustande, können Sie vor Gericht eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen einklagen. Eine Aufhebung der Kündigung können Sie jedoch nicht verlangen.
Ich arbeite in einem Altersheim und erlebe täglich, dass alte Menschen ans Bett gefesselt werden. Wem kann ich das melden?
In vielen Heimen gibt es heutzutage schon interne Melde- oder Anlaufstellen mit Fachpersonen, an die man sich in solchen Fällen wenden kann. Falls in Ihrem Heim keine solche Stelle existiert, müssen Sie die Probleme grundsätzlich zuerst bei den nächsthöheren Vorgesetzten deponieren – oder direkt bei der Heimleitung, falls Ihre Vorgesetzten selbst in die Vorfälle involviert sind. Unternehmen die Verantwortlichen des Heims nichts oder befürworten sie die Misshandlungen sogar, stehen Ihnen extern diverse Meldestellen zur Verfügung: die Sozialabteilung der Gemeinde, die kantonale Aufsichtsbehörde oder – falls vorhanden – eine Ombudsstelle. Als Angestellte eines Alters- und Pflegeheims können Sie sich auch an die Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter wenden (www.uba.ch).
Darf ich betriebliche Missstände in jedem Fall einem Staatsanwalt melden?
Sie können Missstände immer der Staatsanwaltschaft oder der Polizei melden, doch das wird nur Konsequenzen haben, wenn es sich um mutmassliche Straftaten handelt. Nur in solchen Fällen müssen die Strafverfolgungsbehörden Ihrer Anzeige nachgehen, und Sie können Auskunft verlangen, ob ein Strafverfahren eingeleitet und wie es erledigt wird. Bei manchen Verstössen besteht gar eine Meldepflicht – so müssen etwa Bundesangestellte Verbrechen und Vergehen anzeigen, die von Amts wegen verfolgt werden. Bundesangestellten darf aus einer solchen Meldung kein beruflicher Nachteil erwachsen. Bei den meisten kantonalen Angestellten oder bei Mitarbeitern eines privaten Unternehmens kann eine Meldung aber zu Mobbing oder gar zur Kündigung führen. Achten Sie deshalb darauf, dass die Staatsanwaltschaft Ihren Namen wenn immer möglich anonym hält.
Kann ich gezwungen werden, vor Gericht auszusagen, wenn meine Meldung zu einem Strafverfahren führt? Auch wenn mir eine Meldestelle Anonymität zugesichert hat?
Unter Umständen schon. Anlaufstellen wie zum Beispiel die Ombudsstelle des Kantons Zürich oder die Eidgenössische Finanzkontrolle können von den Vorgesetzten verpflichtet werden, in einem Strafverfahren Ihren Namen zu nennen. Das geschieht, wenn nicht genügend Beweise vorliegen und die Strafverfolgungsbehörden auf Ihre Aussage als Zeuge angewiesen sind. In einem solchen Fall haben Sie auch die Pflicht, vor Gericht als Zeuge auszusagen. Der Zürcher Ombudsmann zum Beispiel macht gemäss eigenen Angaben nur dann keinen Hinweis auf den Melder, wenn genügend Beweise vorliegen. Anders ist das, wenn Sie einen Missstand den Medien oder einem Anwalt melden. Diese können Ihre Anonymität mit dem Quellenschutz und dem Anwaltsgeheimnis besser schützen.
Ich bin Arzt in einem Regionalspital. Immer wieder sponsern Pharmafirmen teure Ausflüge, damit wir ihre Medikamente abgeben. Wem kann ich das melden?
Bis Ende 2018 sind Ärzte verpflichtet, Verstösse gegen das Korruptionsverbot des Heilmittelgesetzes zuerst an den Vorgesetzten oder den Leiter des Regionalspitals zu melden. Weil Angestellte damit jedoch unter Umständen ihren Job riskieren, ist eine direkte Meldung an die Behörden im Rahmen des Heilmittelgesetzes ab Anfang 2019 möglich. Artikel 59 des Heilmittelgesetzes wird ab dann ergänzt, so dass Personen und Organisationen, die Heilmittel herstellen, vertreiben, verschreiben oder abgeben, berechtigt sind, Wahrnehmungen direkt an die Behörden zu melden. Für eine solche Meldung können Ärzte am besten an die Heilmittelkontrollstelle Swissmedic gelangen, die für die Untersuchung von solchen Vorkommnissen zuständig ist. Dort wird dem Melder auch Anonymität zugesichert.
Whistleblower: Warum Julian Assange geschützt werden muss
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