Vorsorgegelder befeuern den Klimawandel
Wie klimaverträglich ist mein Pensionskassengeld angelegt? Unsere Autorin wollte es wissen und erfuhr Erstaunliches.
Veröffentlicht am 9. Dezember 2019 - 15:03 Uhr
Ich kaufe regional ein, vermeide es, zu fliegen, kompensiere meine Emissionen – kurz: Ich gebe mir Mühe, klimaverträglich zu leben. Zu den untrüglichen Zeichen des Älterwerdens gehört, dass mein Erspartes in der Pensionskasse von Jahr zu Jahr grösser wird. Und ich frage mich: Wie ist dieses Geld angelegt? Stimmt die Anlagestrategie mit meinen Werten überein?
Schweizer Pensionskassen verfügen über ein Vermögen von rund 900 Milliarden Franken. Das macht die 2. Säule zu einer äusserst einflussreichen Anlegergruppe auf dem Schweizer Finanzplatz. Die rund 1700 Pensionskassen sind verpflichtet, das Vorsorgekapital sicher anzulegen und eine anständige Rendite zu erwirtschaften. Das hilft mit, meine Rente zu sichern.
Doch diese Geldanlagen finanzieren auch CO2-Emissionen. Das berufliche Vorsorgevermögen eines Pensionskassenversicherten hat einen CO2-Fussabdruck, der etwa gleich gross ist wie derjenige, den ein Durchschnittsschweizer mit seinem Lebensstil verursacht. Das hat eine Studie des Bundesamts für Umwelt (Bafu) berechnet. Verglichen mit der gewaltigen Wirkung der Finanzflüsse auf das Klima kommen mir meine regionalen Äpfel nun wie ein Tropfen auf einen heissen Stein vor.
Die EU hat die Bedeutung der Finanzflüsse für den Klimawandel mittlerweile erkannt. Sie will ein Finanzsystem etablieren, das ein nachhaltiges Wachstum fördert. Unter dem Begriff Divestment ist eine globale Bewegung entstanden, die Investitionen aus Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern, verarbeiten oder damit handeln, abzieht und nach Möglichkeit nachhaltig reinvestiert.
Auch in der Schweiz setzt man sich mit dem Thema auseinander. Der WWF hat 2019 zum zweiten Mal ein Pensionskassen-Rating vorgelegt. «Klimabezogene Risiken und Chancen bei den Pensionskassen finden immer noch zu wenig Beachtung», zieht Mitautor Claude Amstutz Bilanz.
Das Bafu hat 2017 allen Schweizer Pensionskassen angeboten, ihre Portfolios auf Klimaverträglichkeit zu testen. Zwar gebe es bereits einzelne Pensionskassen, die klimaverträglich investierten, war das Fazit. Doch im Durchschnitt unterstützen die Investitionen der Pensionskassen immer noch eine Erderwärmung von 4 bis 6 Grad.
Das steht im Widerspruch zum Pariser Klima-Übereinkommen von 2015. In diesem hat sich die Staatengemeinschaft, darunter auch die Schweiz, verpflichtet, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Es wurde explizit festgehalten, dass auch die Finanzflüsse auf dieses Klimaziel auszurichten sind. Denn diesen kommt eine entscheidende Rolle bei der sogenannten Dekarbonisierung der Wirtschaft zu, das heisst der Abkehr von der Nutzung kohlenstoffhaltiger Energieträger. «Heutige Investitionsentscheide», schreibt das Bafu, «sind mitentscheidend, wie viele Treibhausgase zukünftig ausgestossen werden.»
Desinvestition wirkt dabei immer auf drei Ebenen: Auf der direkten ökonomischen wirkt sie bislang nur bescheiden, wie eine Studie der Universität Zürich zeigt. Wenn kritische Investoren «dreckige» Aktien verkaufen, gibt es noch genügend unkritische Investoren, die sie wieder kaufen. Divestment ist aber auch mit Aufklärung verbunden: Es bringt das Thema des verantwortungsvollen Umgangs mit Rohstoffen und Energien in die Öffentlichkeit. Das führt dazu, dass sich gesellschaftliche Normen verändern und der Druck auf die Politik steigt.
Klimafreundliche Indizes rentieren besser als konventionelle.
Die Personalvorsorgestiftung der Ringier-Gruppe, die mein Altersguthaben treuhänderisch verwaltet, machte beim Bafu-Test nicht mit. Er wurde durchgeführt, bevor Geschäftsführer Antonio Sacco ans Ruder kam. Ich muss also selbst herausfinden, wie meine Pensionskasse mein Geld anlegt. Gar nicht so einfach.
Meine Pensionskasse setzt auf sogenannte passive Indexfonds: Sie investiert in Fonds, die einen bestimmten Börsenindex abbilden. Hinter diesen Börsenindizes verbergen sich ganze Listen von Firmen. Unternehmen, die Kernwaffen, Streumunition und Antipersonenminen herstellen, sind ausgeschlossen, so wie es der Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen empfiehlt. Zudem investiert meine PK in einen «Clean Energy»-Fonds, der Unternehmen fördert, die saubere Energie in der Schweiz produzieren.
Bei den ausländischen Aktien scheint Klimafreundlichkeit allerdings ein Fremdwort zu sein. Ein Fonds bildet den MSCI-Welt-Index ab, in dem die Aktien der grossen Industrieländer abgebildet werden, einer den MSCI World Small Cap, der kleinere Firmen abbildet, ein dritter den MSCI Emerging Markets, der die Entwicklung an den Börsen der wichtigsten Schwellenländer widerspiegelt. «Alle drei Aktienfonds investieren in fossile Energien», sagt Sandro Leuenberger, Experte für Pensionskassen der Klima-Allianz Schweiz. Er unterstützt Versicherte, die mit ihrer Kasse in einen Dialog über klimaschädliche Investitionen treten wollen.
Leuenbergers Fazit ist ernüchternd: Meine Pensionskasse befindet sich auf einem Klimapfad von 4 bis 6 Grad. Das 2-Grad-Klimaziel ? In weiter Ferne. Mit diesem Resultat konfrontiert, weist der Geschäftsführer Antonio Sacco darauf hin, dass mit der «Clean Energy»-Investition ein erster Schritt gemacht wurde. Und dass die Pensionskasse die Aufgabe habe, in möglichst kostengünstige und sichere Vermögensanlagen zu investieren, die genügend Erträge erbringen, damit die Leistungsversprechen an die Versicherten sichergestellt werden können.
Da bin ich völlig einverstanden. Es geht nicht nur um ethische Prinzipien, sondern auch um finanzielle Risiken. Genau gesagt: um meine Rente. Eine Bafu-Studie aus dem Jahr 2015 hat die Kohlenstoffrisiken für den Schweizer Finanzmarkt untersucht. Sie warnt davor, dass die Investitionen in treibhausgasintensive Unternehmen und in fossile Energieträger an Wert verlieren werden, wenn die Staatengemeinschaft die globalen Treibhausgasemissionen herunterfährt, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Halten die Pensionskassen dann an ihrer bisherigen Anlagestrategie fest, würden die durchschnittlichen Renten aus der 2. Säule um 2 bis 4 Prozent tiefer ausfallen. Auch der Schweizerische Pensionskassenverband (Asip) anerkennt, dass solche Transitionsrisiken, die durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft entstehen, relevante Anlagerisiken sind.
Das Bafu widerlegte das Vorurteil, nachhaltige Investitionen würden nicht die gleiche Rendite abwerfen wie konventionelle. Es hat elf klimafreundliche Indizes der marktrelevanten Indexanbieter MSCI und Stoxx analysiert und mit konventionellen Indizes verglichen: In zehn von elf untersuchten Fällen erwies sich die Rendite der klimafreundlichen Strategie als höher, in acht von elf Fällen erzielte sie ein besseres Rendite-Risiko-Verhältnis.
Auch abgesehen von rechtlichen und finanziellen Überlegungen müssten Pensionskassen daran interessiert sein, die Zukunft im Blick zu haben. «Die Pensionskassen haben einen generationenübergreifenden Auftrag», sagt Claude Amstutz vom WWF. «Es ergibt wenig Sinn, für eine Welt zu sparen, die aus den Fugen geraten wird. Wir sollten in eine zukunftsfähige Welt investieren, in der natürliche Ökosysteme und menschengemachte Systeme miteinander harmonieren.» Antonio Sacco sieht das gar nicht so viel anders. «Wenn wir nicht mehr in die fossile Industrie investieren, wird diese vermehrt unter Druck kommen. So werden die Firmen gezwungen, ihre Unternehmensführung zu ändern. Das ist ein Prozess.»
Die Bernische Lehrerversicherungskasse und die Publica haben Kohleproduzenten bereits aus ihren Portfolios ausgeschlossen. Die Luzerner Pensionskasse und die Pensionskasse der Stadt Zürich haben darüber hinaus den Weg der Dekarbonisierung eingeschlagen. Das beste Beispiel, dass es funktioniert, ist die Nest-Sammelstiftung. Die Pensionskasse gilt in Sachen Klimaverträglichkeit als Vorreiterin. Unter den teilautonomen Gemeinschafts- und Sammelstiftungen hatte sie die beste Anlagerendite in den letzten zehn Jahren.
Da bleibt zu hoffen, dass meine Pensionskasse nachzieht. Antonio Sacco sagt: «Wenn man mit klimafreundlichen Anlagen mit gleichem Risiko eine gleichwertige Rendite herausholen kann, dann muss dieses Thema auf den Tisch.» Er verspricht, dass er die Sache mit dem Stiftungsrat angehen wird. «Der Stein muss ins Rollen gebracht werden.»
Auch beim 3a-Sparen kann man sein Geld nach ökologischen Kriterien anlegen. Verschiedene Banken haben mittlerweile entsprechende Angebote, und es kommen laufend neue dazu.
Sandro Leuenberger von der Klima-Allianz hat die fünf Angebote, die seit mindestens fünf Jahren auf dem Markt sind (siehe Tabelle unten), für den Beobachter analysiert: «Obwohl die Fonds nicht explizit als klimafreundlich ausgewiesen sind, wurde ihr CO2-Fussabdruck bestmöglich reduziert. Sie werden allen Aspekten der Nachhaltigkeit einschliesslich Klimaverträglichkeit gerecht.»
«Man investiert in Firmen, die eine langfristige Perspektive haben.»
Sandro Leuenberger, Projektleiter Klima-Allianz
Bei allen fünf Produkten wurde das Anlageuniversum nach dem «Best in Class»-Ansatz stark eingeschränkt, das heisst, die Umweltsünder unter den Unternehmen wurden von vornherein ausgeschlossen. Auf diese Weise verbleiben in den kritischen Branchen wie dem Energiesektor oder der Automobilbranche nur die, die sich um Veränderungen hin zu einer umwelt- und klimafreundlichen Zukunft bemühen.
Bei der ZKB, Raiffeisen und J. Safra Sarasin wird das Portfolio aktiv zusammengestellt und verwaltet, beim Vergleichsprodukt von der Migros-Bank und Viac handelt es sich um einen passiven Anlageplan, der beim ausländischen Aktienanteil dem MSCI Socially Responsible Index folgt. Das bedeutet laut einer Berechnung des Indexanbieters MSCI nur noch rund halb so viele CO2-Emissionen wie im Basisindex MSCI-World.
Gemäss VZ Vermögenszentrum erbringen die nachhaltigen 3a-Vorsorgefonds grundsätzlich eine ähnlich gute Rendite wie ihre klassischen Pendants. Leuenberger verweist auf die besseren Performance-Kurven von MSCI SRI im Vergleich zu MSCI World und formuliert offensiver: «Sie schneiden heute schon besser ab und werden in Zukunft noch zulegen, weil man in Firmen investiert, die eine langfristige Perspektive haben.»
Bei der Wahl eines 3a-Fonds sollte man auch die Kosten vergleichen, die je nach Angebot und gewähltem Aktienanteil unterschiedlich ausfallen können. Das Start-up Viac fällt durch besonders tiefe Gebühren auf. Weil es sich um ein reines Online-Angebot handelt, kann die Firma im Verkauf und bei der Beratung sparen.
Klimaverträglich Geld anlegen | Rendite* (3 Jahre) |
Rendite* (5 Jahre) |
Raiffeisen Pension Invest Futura Bal A (Aktienanteil 45%) | 3,63% | 3,22% |
Swisscanto BVG 3 Oeko 45 RT CHF (Aktienanteil 25-50%) | 5,30% | 4,09% |
J. Safra Sarasin SAST BVG Nachhaltigkeit B (Aktienanteil 31-40%) | 4,50% | 3,50% |
Migros-Bank (CH) Fds Sustainable 45 V (Aktienanteil rund 45%) | 4,33% | 3,43% |
Viac Global Nachhaltig 40 (Aktienanteil 40%) | 4,70% | 3,90% |
*Jahresdurchschnitt. Renditen vergangener Jahre sind historisch und nicht als Prognose zu verstehen.
Arbeitnehmende zahlen jahrelang in die Pensionskasse (zweite Säule) der Arbeitgeberin ein, bei einem Stellenwechsel manchmal sogar in mehrere. Der Beobachter bietet seinen Mitgliedern mit Hilfe von Merkblättern und Vorlagen eine optimale Entscheidungsgrundlage. Etwa zu den Fragen, ob sich ein Einkauf in die Pensionskasse lohnt oder wie ein Budgetplan hilft, um Einkünfte und Ausgaben im Pensionsalter im Griff zu haben.
- 1Diese Beiträge zahlen Sie an die Pensionskasse
- 2Wann lohnt sich der Einkauf in die Pensionskasse?
- 3Pensionierung: Kapital oder Rente – was ist günstiger?
- 4Der flexible Altersrücktritt in der Pensionskasse
- 5Vorzeitig pensionieren: Das gilt!
- 6Budgetplan: Stellen Sie Ihre Finanzen mithilfe unserer Vorlage zusammen
4 Kommentare
Gerade vom Beobachter würde ich endlich eine etwas kritischere Haltung oder zu mindest eine bessere Formulierung erwarten. Schreiben Sie wenigstens "befeuert die Produktion von CO2" statt immer automatisch und in guter Mainstreammanier kritiklos zu indoktrinieren, dass das CO2 für die momentan etwas ansteigenden Temperaturen allein verantwortlich sei. Dabei gibt es zu viele Beweise, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgekehrt ist. Vielleicht investieren Sie mal eine Stunde und schauen dieses Video an:
https://www.youtube.com/watc…
Bitte schreiben Sie dann auch dazu einen Artikel, statt nur immer die schon apokalyptisches Ausmass angenommene Panik weiter zu schüren. Das kann nicht im entferntesten als Verschwörungstheorie abgetan werden. Danke.
Herr Dupont, da kann ich nur den Kopf schütteln. Haben Sie sich über Werner Kirstein informiert? Ist Ihnen seine Nähe zu diversen Verschwörungstheorien bekannt?
Auch das Argument, dass zuerst die Temperatur ansteigt und erst danach das CO2 wurde längst erklärt. Zum Beispiel hier: https://www.klimafakten.de/beha…
Also wenn Sie dem Beobachter des unkritischen Wissenverbreitens bezichtigen dann braucht es schon etwas mehr als einen Verweis auf Kirstein. Aber eben, es ist bequemer die Augen zu verschliessen und jenen zu folgen, die eine Verschwörung sehen.
Danke, werte Redaktoren / innen des Beobachters, dass Ihr den Mut hattet, diesen Link zu publizieren. Vielleicht könnt Ihr auch mal dieses Video kommentieren und auf Unstimmigkeiten und / oder Widersprüche überprüfen und kommentieren. Falls dazu etwas falsches entdeckt wird, bin ich gerne bereit meine bereits während dem Studium gewonnen Haltung betreffend Klimawandel (z.Z. als noch vor einer drohenden Eiszeit gewarnt wurde, anfangs 70er Jahre) zu überdenken. Selbstverständliche freue ich mich auf den Kommentar anderer aufmerksamer Leser, die sich eine Stunde Zeit nehmen und dabei etwas falsches entdecken.
@huber81: Ja, das ist die Standardantwort, Verschwörungstheorie. Nur, wenn es so klar ist, dass das CO2 die Hauptursache für die momentan ansteigenden Temperaturen ist, warum wird nicht konkret quantifiziert, um wieviele Terajoule die Wärmeabstrahlung während den letzten 140 Jahren abgenommen hat, weil das CO2 um 30% zunahm. Man liest auch, das Laborversuche gemacht wurden, findet aber keine Zahlen bzw. Grafiken, die diesen Zusammenhang aufzeigen. Wichtige wäre es auch, diese Zahlen in Relation zu setzen zur natürlichen Erwärmung und vor allem auch zu der Abwärme, die wir direkt in die Atmosphäre lassen. Unabhängig wie Energie für's Heizen, die Mobilität, Machinen / Computer, etc. erzeugt wird endet fast alles als Abwärme und dies ist mit der Bevölkerungsexplosion (+ 400% in diesem Zeitraum) gigantisch angewachsen. Dazu muss man nur mal den weltweiten Energieverbrauch anschauen. Wo finde ich solche elementare Quantifizierungen bzw. kennen Sie die paar wenigen Zahlen dazu?