Das müssen Sie über Generika wissen
Weshalb sind Generika so viel günstiger als Originalpräparate – und noch immer doppelt so teuer wie im Ausland? Wann ist Vorsicht geboten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Veröffentlicht am 2. Dezember 2019 - 15:47 Uhr
- Was sind Generika?
- Welche Kriterien muss ein Generikum erfüllen?
- Wozu gibt es Generika?
- Weshalb sind Generika günstiger als Originalpräparate?
- Bezahlt meine Krankenkasse ein Generikum?
- Was habe ich als Patient davon, wenn ich mich für ein Generikum entscheide?
- Mein Arzt hat mir ein Rezept für das Originalmedikament ausgestellt. Darf ich in der Apotheke trotzdem ein Generikum verlangen?
- Weshalb ist auf meiner Abrechnung ein «Substitutionszuschlag» aufgeführt?
- Gibt es Fälle, in denen ich nicht auf ein Generikum wechseln sollte?
- Weshalb verschreibt mir der Arzt ein Originalpräparat, obwohl es Generika gibt?
- Weshalb sind Generika in der Schweiz viel teurer als im Ausland?
- Kann ich mein Generikum im Ausland kaufen?
- Warum gibt es für mein Medikament kein Generikum?
- Preisvergleich: Originalpräparate und Generika der umsatzstärksten Wirkstoffe?
Wird ein neuer Wirkstoff auf den Markt gebracht, handelt es sich beim Medikament um ein Originalpräparat. Generika hingegen sind Nachfolgemedikamente. Sie dürfen erst dann verkauft werden, wenn der Patentschutz des Originals abgelaufen ist. Fertigt der Hersteller des Originalpräparats nach Ablauf des Patentschutzes selbst ein Generikum an, handelt es sich um ein Autogenerikum. Generika sind bis zu 70 Prozent günstiger als Originalpräparate.
Ein Beispiel: Der Cholesterinsenker Crestor enthält den Wirkstoff Rosuvastatin. Er kam 2002 in den Niederlanden auf den Markt und wurde 4 Jahre später in der Schweiz zugelassen. Das Patent erlosch 2017. Kurz darauf entstanden Generika mit demselben Wirkstoff, darunter Rosuvastatin-Mepha oder das Autogenerikum Crestastatin. Eine Packung des Originals (10 mg, 30 Stück) kostet Fr. 47.50, Generikum und Autogenerikum sind beide für Fr. 18.85 erhältlich.
Generikum und Original müssen viele Gemeinsamkeiten aufweisen: Wirkstoff, dessen Verabreichungsmenge, Verträglichkeit und Form (Zäpfchen, Tabletten, Kapseln). Unterscheiden dürfen sich die Medikamente nur in Bezug auf die enthaltenen Hilfsstoffe, die keine direkte Auswirkung auf den Körper haben. Dazu gehören zum Beispiel Farb- oder Geschmacksstoffe. Um die Akzeptanz beim Patienten zu erhöhen, sind Generika dem Originalpräparat oft ähnlich. So enthalten die meisten Viagra -Präparate ebenfalls einen blauen Farbstoff. Ein Hersteller muss bei der Produktion des Generikums schweizerische Qualitätsstandards einhalten.
Das schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic prüft, ob alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.
Im besten Fall ist ein Generikum eine Weiterentwicklung des Originalpräparats. Patienten profitieren zum Beispiel von kleineren Tabletten, die sich leichter schlucken lassen. Entscheidender ist aber, dass Generika zwischen 20 und 70 Prozent günstiger sind als Originalpräparate. Damit helfen sie, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.
Die Entwicklung eines Originalpräparats ist sehr kostspielig. In aufwendigen Verfahren müssen Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments getestet werden. Meist vergehen mehrere Jahre, bis das Präparat auf den Markt kommt. Ein Patentschutz belohnt den Hersteller deshalb für seine Bemühungen. In der Schweiz beträgt er grundsätzlich 20 Jahre. In einigen Fällen kann er um 5 Jahre verlängert werden, weil ein Patent schon vor der Markteinführung beantragt wird und die Nutzungsdauer dadurch verkürzt ist. Es gibt aber auch Originalpräparate, deren Preis nach Ablauf des Patents so stark gesenkt wird, dass es beinahe gleich teuer ist wie das Generikum.
Die Entwicklung eines Generikums ist deutlich weniger aufwendig, da der Wirkstoff schon eingehend untersucht wurde. Der Hersteller investiert also weniger.
Die Grundversicherung bezahlt Medikamente, die von Swissmedic zugelassen wurden und auf der Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit (BAG) aufgeführt sind. Generika werden nur dann aufgenommen, wenn sie günstig genug sind, also die gesetzlichen Regeln des Preisabstands erfüllen. Diese richten sich nach dem Umsatzvolumen des Originalpräparats und dem durchschnittlichen Preisniveau im Ausland zum Zeitpunkt des Patentablaufs.
Nicht nur die Krankenkasse spart – 2006 wurde auch ein Anreiz für Patientinnen geschaffen: Entscheiden Sie sich für ein Generikum auf der Spezialitätenliste, beträgt der Selbstbehalt nur 10 Prozent. Bestehen Sie trotzdem auf dem Original, sind es 20 Prozent. Die Massnahme zeigte Wirkung: 2005 nahmen Generika noch rund 14 Prozent des Volumens auf dem Markt der erstattbaren Medikamente ein, 2006 waren es bereits 22 Prozent. 2017 betrug der Anteil 33,7 Prozent.
Da ein Generikum dieselbe Wirkung erzielt wie ein Originalpräparat, können Sie in der Regel problemlos darauf umsteigen. Am besten informieren Sie sich auf mymedi.ch nach vorhandenen Generika oder fragen Ihren Apotheker. Er kann Sie zwar auch von sich aus auf Generika hinweisen, ist aber nicht dazu verpflichtet.
Apotheken dürfen einen sogenannten Substitutionszuschlag für ihre Beratung verrechnen , wenn sie ein Generikum zum ersten Mal abgeben – so steht es in der Tarifvereinbarung zwischen den Krankenkassen und dem Apothekerverband Pharmasuisse. Der Zuschlag kann bis zu 40 Prozent des Preisunterschieds zwischen Originalpräparat und Generikum betragen. Die Obergrenze ist allerdings bei 20 Taxpunkten gesetzt, was rund 21 Franken entspricht.
Grundsätzlich ist der Wechsel auf ein Generikum fast immer möglich, da es dieselbe Wirkung erzielen muss wie das Originalpräparat. Manchmal verordnet die Ärztin das Originalpräparat aber ausdrücklich. Das kann zum Beispiel vorkommen, wenn Sie einen Hilfsstoff nicht vertragen. Auch Menschen mit Epilepsie oder psychischen Erkrankungen wird manchmal von einem Medikamentenwechsel abgeraten, da sie empfindlich auf die Umstellung reagieren könnten. Bei Senioren, die sich an bestimmte Medikamente gewöhnt sind, kann eine Umstellungen eine Überforderung sein. In solchen Fällen steht der Vermerk «aus medizinischen Gründen nicht substituieren» auf dem Rezept, und der Selbstbehalt beträgt nur 10 Prozent.
Das kann verschiedene Gründe haben. Manchmal ist das Originalpräparat aus medizinischer Sicht sinnvoll (siehe vorherige Frage). Vielleicht hat der Arzt aber auch gute Erfahrungen damit gemacht oder verschreibt es aus Gewohnheit. Oder aber, weil das Original lukrativer ist: Mediziner erhalten für jedes Medikament, das sie selbst abgeben, eine Vertriebsmarge – je teurer das Medikament, desto höher die Marge. Dieser Fehlanreiz wird schon länger kritisiert.
Originalpräparate der Spezialitätenliste sind in der Schweiz rund 7 Prozent teurer als in neun europäischen Vergleichsländern. Bei Generika ist der Unterschied wesentlich grösser: Sie sind hierzulande doppelt so teuer wie etwa in Deutschland. Zudem ist der Marktanteil von Generika vergleichsweise gering. Gesundheitsminister Alain Berset will das mit einem Referenzpreis ändern: Nach einem Preisvergleich mit den Nachbarländern soll das BAG festlegen, wie viel Krankenkassen maximal für ein Generikum bezahlen. Bezieht der Patient ein teureres Medikament, muss er die Differenz zum Referenzpreis übernehmen. «Mit dem Referenzpreissystem können zwischen 300 und 500 Millionen Franken jährlich eingespart werden», schätzt das Bundesamt für Gesundheit.
Der Vorschlag ist allerdings umstritten. Pharmasuisse kritisiert, dass Referenzpreise Anbieter eliminieren und Lieferengpässe dadurch häufiger werden. Die Folge wäre eine Abhängigkeit vom Ausland. Zudem betonen Gegner, dass sich die Märkte nicht vergleichen lassen.
Bis im Jahr 2015 erstatteten alle Krankenkassen Medikamente, die im Ausland gekauft wurden, wie eine Umfrage des «Tages-Anzeigers» zeigte. Das BAG war erstaunt, denn gesetzlich ist dieses Vorgehen nicht erlaubt – Medikamente aus dem Ausland dürfen nur in Ausnahme- und Notfällen erstattet werden. 2018 wies das BAG die Versicherer deshalb erneut auf dieses sogenannte Territorialprinzip hin. Der Entscheid ist umstritten, eine Motion, die eine Erstattung forderte, wurde erst im September abgelehnt. Der Bundesrat hat sich allerdings bereit erklärt, eine Vergütung von bestimmten Arzneimitteln und eine entsprechende Anpassung des Gesetzes zu prüfen.
Mittlerweile gibt es für viele Wirkstoffe Generika. Trotzdem sind auf der Spezialitätenliste einige patentabgelaufene Wirkstoffe nur als Originalpräparate aufgeführt. Das kann damit zusammenhängen, dass die Herstellung des Medikaments sehr aufwendig ist oder aber, dass der Wirkstoff wenig Umsatz macht. Das ist zum Beispiel bei seltenen Krankheiten der Fall.
2 Kommentare
Weshalb sind Generika günstiger als Originalpräparate? Schon in den 1980-er Jahren, als bei uns das Wort Generikum kaum bekannt war, kaufte der Basler Konzern Roche den grössten Generika-Hersteller der USA. Hierzulande wurde von der Schweizer Pharmaindustrie aber alles unternommen, dass Generika gar nicht auf den hiesigen Markt kommen sollten. Diese Preistreiberindustrie geniesst bei unseren Behörden noch immer einen quasi Artenschutz.
"Bei Generika ist der Unterschied wesentlich grösser: Sie sind hierzulande doppelt so teuer wie etwa in Deutschland."
Das ist beim Hauskauf ebenfalls so... sowas aber auch
Die Apotheken haben aber grössere Mietpreise als D. Die Löhne der Angestellten sind CH-Niveau und nicht D. Die Kunden verdienen in der Regel ihre Löhne auch nicht nach den in D geltenden Tarifen.