Man nimmt der Mutter ein paar Milliliter Blut ab, und schon weiss man, ob das ungeborene Kind an Trisomie 21 leidet. Das verspricht die Werbung für den «nicht invasiven pränatalen Test», kurz NIPT. Ein Test ohne Eingriff in die Gebärmutter, ohne Gefahr für das Ungeborene. Immer mehr Schwangere wollen Gewissheit darüber, ob ihr Baby eine geistige Behinderung Epilepsie-Medikament Kinder behindert – wegen riskantem Mittel hat. Jede Fünfte lässt ihr Blut auf Trisomie testen, zeigen Zahlen des Bundesamts für Gesundheit.

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Doch das mit der Gewissheit ist nicht so einfach. Der NIPT gilt zwar als zuverlässig, er erkennt mit einer Treffsicherheit von 99 Prozent Trisomie 21, die häufigste Anomalie bei den Chromosomen. Ab dem zweiten Schwangerschaftsmonat sickern kleine Teilchen vom Erbgut des werdenden Kindes in den Blutkreislauf der Mutter. Der NIPT, der die kindlichen DNA-Teile aus Mamas Blut herausfiltern kann, wird seit 2012 in der Schweiz angeboten. Der Test liefert aber nur eine Berechnung der Wahrscheinlichkeit, keine Diagnose. 

Pränataldiagnostik kann auch falsch liegen

Und obwohl der Test mit grosser Sicherheit alle Trisomie-Babys aufspüren kann, löst er manchmal auch einen Fehlalarm aus Schwangerschaft Das Lieblingskind der Diagnostik . Ein positives Testresultat bedeutet noch lange nicht, dass das Baby tatsächlich an Trisomie leidet. Ein negatives bedeutet noch kein gesundes Kind. In den Resultaten stecken auch Zufallsbefunde, von denen werdende Eltern vielleicht gar nicht wissen wollen. Oder Befunde zu Gen-Anomalien, die schlimmer klingen, als sie sind.

Zudem: Erst müssen sich die Eltern durch eine grosse Vielfalt an genetischen Daten und Informationen kämpfen. Sie müssen die Aussagekraft einschätzen können, die hinter statistischen Begriffen wie «Test-Sensitivität» und «positiver prädiktiver Wert» stecken.

Dann müssen sie unter Umständen schwierige Entscheidungen treffen. Wann ist ein Leben lebenswert Behinderung Das Glück lässt sich nicht behindern ? Kommt bei einer schweren geistigen Behinderung ein Schwangerschaftsabbruch in Frage? Je nachdem, wie weit fortgeschritten die Schwangerschaft ist, müssen sich die Eltern innerhalb von wenigen Tagen entscheiden.

Arzt drängte wegen Alter auf den Pränataltest

Es ist die Aufgabe der Frauenärztinnen und -ärzte, über die Möglichkeiten und die Grenzen des Tests zu informieren. So, dass die Eltern selbstbestimmt eine Entscheidung fällen können. Leider sieht die Praxis oft anders aus.

Wie bei Anna Salanitro. Bei der zweiten Schwangerschaftsuntersuchung eröffnete der Gynäkologe der 42-Jährigen, das Risiko für Trisomie 21 Pränatale Selektion Das Kind nach Mass sei wegen ihres Alters sehr hoch. Er empfehle dringend einen NIPT. Eine vorhergehende Risikoberechnung mit dem Ersttrimester-Test, wie sie üblich ist, führte er nicht durch. Er ignorierte auch, dass Salanitro mehrfach betonte, eine Abtreibung komme für sie und ihren Mann nicht in Frage. Das Baby war ein spätes Wunschkind, mit oder ohne Trisomie.

Aber der Arzt drängte. Salanitro war in der zehnten Woche schwanger, zwei Wochen braucht es bis zum Testresultat, Schwangerschaftsabbrüche sind nur bis zur zwölften Woche möglich. Der Arzt riet, dass sie sich gleich hier und jetzt für oder gegen einen Test entscheidet. 1000 Franken koste er ungefähr, die Krankenkasse decke ihn nicht. Zwei Wochen danach gab der Gynäkologe Entwarnung: alles in Ordnung.

Später erfuhr Anna Salanitro von einer Freundin, dass die Kassen seit gut vier Jahren für den Test aufkommen. Voraussetzung dafür: der Ersttrimester-Test, der bei Salanitro ausgelassen wurde. Er zeigt an, wie hoch das Risiko für Trisomie Downsyndrom «Dumme Sprüche sollte man ignorieren» ist. Als erhöht gilt es in der Schweiz schon ab 1 : 1000, also einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 Prozent für Trisomie. Mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit ist das Baby also gesund.

Viele setzen auf Bluttest – ohne medizinische Notwendigkeit

25'000 dieser Bluttests sind 2016 in der Schweiz durchgeführt worden. Das brachte den Anbietern 25 Millionen Franken Umsatz. Für 5270 der Tests kam die Grundversicherung auf. Der grosse Rest der Frauen hat aus eigener Tasche bezahlt. 

Die Vermutung liegt nahe, dass nur ein Fünftel der getesteten Frauen beim Ersttrimester-Test über der Risikogrenze für Trisomie 21 liegt. Alle anderen haben den Test selber bezahlt, weil ihr berechnetes Risiko unter einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 Prozent lag. Oder weil man gar nicht erst eine Risikoberechnung durch den Ersttrimester-Test gemacht hat. Wie bei Anna Salanitro.

Pränataldiagnostik ist für Kassen günstiger als ein behindertes Kind

Franziska Wirz, Leiterin der Beratungsstelle Appella, sieht diese Entwicklung kritisch. «Ich bezweifle, dass die Ärzte Schwangere genügend über die Grenzen und Möglichkeiten der Tests aufgeklärt haben. Oder darüber, wie klein das Risiko für ein Kind mit Trisomie Trisomie 21 «Ich habe kein Oje-Kind» wirklich ist.» Dass die Krankenkassen schon bei einem Trisomierisiko von einem Promille zahlen, sei ein irreführendes Signal, findet Wirz. Klar ist: Der einmalige Bluttest ist für die Krankenkassen günstiger, als ein Leben lang für die medizinische Versorgung eines Trisomie-Babys zu bezahlen.

Anita Rauch, Professorin für Medizinische Genetik an der Universität Zürich, relativiert: «Die Risikogrenze der Kassen ist relativ tief angesetzt, das stimmt.» Man habe sich bewusst dafür entschieden, um möglichst wenige Trisomie-Babys zu «verpassen».

Abtreibung in 90 Prozent der Fälle

Der Ersttrimester-Test sei relativ anfällig für Ungenauigkeiten. «Es ist aber auch im Interesse der Frauen, möglichst früh und genau Bescheid zu wissen, sodass ihnen alle Möglichkeiten offenstehen. Auch eine Abtreibung.» Studien zeigen, dass 90 Prozent sich zur Abtreibung entscheiden, wenn vorgeburtliche Tests eine geistige Behinderung anzeigen.

«Damit werdende Eltern selbstbestimmt die richtige Entscheidung treffen können, braucht es von Seiten der Frauenärzte viel Wissensvermittlung.»

Nicole Ochsenbein, leitende Ärztin für Geburtshilfe Unispital Zürich

 

«Viele Patientinnen entscheiden sich trotz unauffälligem Ersttrimester-Test für den Bluttest, weil sie möglichst genau Bescheid wissen und sich dann frei entscheiden wollen», bestätigt Nicole Ochsenbein, leitende Ärztin für Geburtshilfe am Unispital Zürich. Je nach individuellem Ausgangsrisiko sollte sich ein Paar aber bewusst sein, dass auch ein falsches positives Resultat vorliegen könnte. Das müsse dann mit einer invasiven Methode genauer geklärt werden, was das Risiko einer Fehlgeburt Kindstod Abschied von den Engelskindern erhöhe. Und wenn sich Frauen von Anfang an gegen eine Abtreibung aussprechen, brauche es keine pränatale Diagnostik.

Umgekehrt sei ein negatives Resultat beim Bluttest noch lange keine Garantie für ein gesundes Baby. «Damit werdende Eltern selbstbestimmt die richtige Entscheidung treffen können, braucht es von Seiten der Frauenärzte viel Wissensvermittlung.» Das Werbeversprechen «Klare Antworten auf wichtige Fragen» kann der NIPT aber auch dann nicht erfüllen.

So wird das Trisomie-Risiko eingeschätzt

Ersttrimester-Test

11. bis 14. Schwangerschaftswoche

Aus der Messung der Nackentransparenz, der mütterlichen Blutwerte und dem Alter der Frau sowie der Schwangerschaftswoche wird mit Hilfe eines Algorithmus ein statistischer Risikowert errechnet. Das Ergebnis liegt innerhalb von einer Woche vor.

 

Nicht invasiver pränataler Test (NIPT)

Ab der 11. Schwangerschaftswoche

Aus einer Blutprobe der Mutter wird fetale DNA herausgefiltert. Bislang sind die Tests auf eine Aussage zur Zahl der Chromosomen 21, 13 und 18 sowie zum Geschlecht beschränkt. Anders als bei den invasiven Untersuchungen (Chorionzottenbiopsie und Amniozentese) besteht beim NIPT kein Fehlgeburtsrisiko. Ein auffälliges Resultat muss aber immer durch eine invasive Fruchtwasserpunktion bestätigt werden. Die Kosten betragen 1000 Franken. Das Resultat liegt in der Regel nach drei bis vier Tagen vor.

 

Chorionzottenbiopsie

Ab der 11. Schwangerschaftswoche

Mit einer Nadel werden kleine Gewebeteile aus der Plazenta gewonnen und die in den Zellen vorhandenen Chromosomen analysiert. Die Biopsie wird durch die mütterliche Bauchdecke durchgeführt. Das Risiko einer punktionsbedingten Fehlgeburt beträgt etwa 1 Prozent. Das Resultat liegt üblicherweise nach vier bis fünf Tagen vor.

 

Fruchtwasserpunktion

Nach der 15. Schwangerschaftswoche

Aus dem Fruchtwasser werden Zellen gewonnen und analysiert. Das Risiko einer punktionsbedingten Fehlgeburt ist etwa 1 Prozent. Das Resultat liegt in der Regel in vier bis fünf Tagen vor.

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