Frage eines Lesers: «Ich habe Existenzängste. Mache ich mir zu viel Sorgen?»

Seit Monaten haben Sie sich überlegt, ob Sie mir schreiben sollen. Eigentlich hören Sie seit Jahren von verschiedensten Seiten, dass Sie sich zu viele Sorgen machen Ängste «Ich mache mir ständig Sorgen» und es etwas lockerer nehmen könnten.

Am vehementesten kommt das von Ihrer 14-jährigen Tochter, die Sie neulich sogar angeschrien hat. Das war dann der finale Auslöser, mir zu schreiben.

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Dabei läuft ja von aussen gesehen alles gut. Sie sind verheiratet und haben zwei Töchter, arbeiten für eine grössere Firma, sind als Hobbygärtner geachtet und haben einen gestandenen Freundeskreis. Und doch sehen Sie dann jeweils diese grossen Regenwolken am Horizont und sind überzeugt, dass Wechselkursveränderungen in den USA und die Energiekrise Ihre Firma vor eine riesige Herausforderung stellen werden. Und dass dann Ihre so sichere Stelle plötzlich doch unsicher wird.

Gut gemeinte Sorgen

Oder Sie sorgen sich, dass die Klimaveränderungen Krisenmodus non-stop Was tun, wenn alles einfach nur noch besorgniserregend ist? das Leben Ihrer Töchter sehr negativ beeinflussen werden. So kam es auch zum Streitpunkt mit Ihrer Tochter. Sie hatte sich mit ihrem Ferienjobgeld ein langersehntes neues Smartphone gekauft. Die Tochter strahlte vor Freude, für Sie war es ein Sinnbild für eine zerstörte Umwelt, in der Ihre Tochter und Ihre potenziellen Enkelkinder einmal leben müssten. Dabei meinten Sie es doch nur gut und fürsorglich. Schlimm sind für Sie auch noch all die Ferienreisen. Da kann ja so viel falsch laufen …

Sich Sorgen zu machen, ist prinzipiell nichts Schlechtes. Dabei geht es ja darum, potenzielle Gefahren zu erkennen und Vorkehrungen zu treffen.

Wenn wir uns Sorgen machen, wird unsere Stressachse aktiviert, und es werden Hormone ausgeschüttet Stress und Körpersymptome Körper im Alarmzustand , die unsere Konzentration auf das Problem und die Lösung fokussieren. Unser Kreislauf ist aktiviert und der ganze Körper angespannt.

Wir haben zwei Alarmsysteme: eins für die unmittelbare Gefahr, wo Adrenalin und im Gehirn Noradrenalin ausgeschüttet werden, und eins für drohende Gefahren, wo Cortisol ausgeschüttet wird. Probleme entstehen, wenn wir das System ständig aktivieren und das Cortisol übermässig ausgeschüttet wird. Schon das Einschlafen Schlafprobleme Was tun, wenn negative Gedanken den Schlaf rauben? wird schwer, und um drei oder vier Uhr wachen wir mit pochendem Herzen auf. Dann dreht sich alles im Kopf, so dass an Schlaf nicht mehr zu denken ist. Tagsüber sind wir ausgelaugt und angespannt, haben häufig Kopfschmerzen oder keinen Appetit. Zudem entwickeln wir einen Tunnelblick: Wir sehen nur noch Probleme, aber keine Lösungen.

Nun, was kann ich Ihnen raten?

Gehen Sie umsichtig mit dem Sich-Sorgen-Machen um, denn der Vorrat an gesunden Stresshormonen dafür ist begrenzt. Pro Tag haben Sie, bildhaft gesprochen, drei Tassen Cortisol zur Verfügung. Damit können Sie drei Themen fünf Minuten lang «bearbeiten» – oder ein einziges 15 Minuten lang. Was sind die drei Themen, die Ihnen am wichtigsten erscheinen?

Wenn Sie mehr Stresshormone einsetzen, kann das gesundheitliche Folgen Chronische Angst Wenn es mehr als nur Sorgen sind haben. Und der Tunnelblick führt dazu, dass Sie Lösungen gar nicht mehr sehen. Es ist also eine Frage des Masses oder der Balance.

Menschen, die sich übermässig sorgen, tun das mit dem Grundgedanken, dass sie so Schlimmes verhüten können. In den USA gibt es ein Sprichwort:

Sich sorgen ver­hindert nicht Schlimmeres, sondern einzig, dass man glücklich ist.

Thomas Ihde, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH

Sich sorgen ist sinnvoll, um ein Problem zu erkennen, aber nicht unbedingt, um es zu lösen. Unser Gehirn findet nämlich Lösungen, wenn wir entspannt sind. Sie kennen das sicher auch, dass Ihnen die besten Lösungen plötzlich zufliegen, ohne dass Sie an das Problem denken. Falls Ihre Stresssymptome schon ausgeprägt sind, ist es sinnvoll, sich ärztlich oder psychologisch beraten zu lassen.

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