Was tun, wenn negative Gedanken den Schlaf rauben?
Wenn die Gedanken kreisen, fällt Einschlafen schwer. Glücksforscher haben ein Rezept dagegen gefunden: Warum Dankbarkeit hilft und wie man sie trainieren kann.
aktualisiert am 13. Oktober 2021 - 11:13 Uhr
Leserfrage: «Ich grüble viel und habe oft negative Gedanken, die mich am Schlafen hindern. Was kann ich tun?»
Was Sie schildern, ist ein Phänomen unserer Zeit. Es wird immer schwieriger, ein Gegengewicht zu Hektik und Leistungsstress zu finden, zur Ruhe zu kommen, sich zu regenerieren. Dazu kommt, dass wir dazu neigen, unser Leben durch eine Mangel- oder Defizitbrille zu betrachten. Jammern, Klagen, Zweifeln und Grübeln sind uns oft näher als Zufriedenheit und Dankbarkeit.
Abends dann, wenn die Welt stiller wird, wir entspannen und schlafen wollen, drücken Zukunftsängste und Erlebnisse von Misserfolgen ins Bewusstsein, rauben uns Ruhe und Schlaf . So starten wir schon angespannt und erschöpft in den neuen Tag. Was können wir tun, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen?
Uns Menschen zeichnet eine wichtige Gabe aus: Wir haben die Fähigkeit, unsere Gedanken und Gefühle aktiv zu lenken. Hier liegt eine grosse Chance. Wir können wirkungsvoll Einfluss auf unsere Zufriedenheit und unser Lebensglück nehmen. Hierzu braucht es neben dem Willen vor allem eines: Übung.
Glücksforscher haben das Gefühl der Dankbarkeit als wesentlichen Faktor für seelische und körperliche Gesundheit entdeckt. Sie fanden heraus, dass Dankbarkeit nicht nur zu Ruhe und Entspannung im entsprechenden Moment führt. Unsere Gesundheit, unser Schlaf und unsere seelische Befindlichkeit verändern sich messbar dauerhaft und positiv, wenn wir Dankbarkeit «trainieren». Der Effekt dieses Trainings zeigt sich als neurobiologische Veränderung im Gehirnscan.
Interessanterweise hat schon der Staatsmann und Philosoph Francis Bacon vor gut 400 Jahren um die lebenspraktische Wirkung der Dankbarkeit gewusst: «Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.»
Genau darum geht es: nicht passiv warten, bis sich das Glück einstellt, und frustriert sein, wenn es ausbleibt. Sondern aktiv den Suchscheinwerfer dahin drehen, wo wir kleine Facetten in unserem Leben wahrnehmen, die gut für uns sind und die wir als Zuwendung anerkennen können. Keine Zauberei, sondern kleine regelmässige Übungen führen unseren inneren Zustand weg vom Mangel und hin zu einem Gefühl von Fülle.
Es geht nicht darum, sich die Dinge schönzureden und Negatives oder Belastendes auszublenden. Es geht darum, in der unendlichen Menge von Eindrücken diejenigen kurz mit Aufmerksamkeit zu bedenken, für die wir ein Gefühl der Dankbarkeit entwickeln können. Vor dem Einschlafen den Tag Revue passieren zu lassen. Drei bis fünf kleine Aspekte des Glücks reichen. Oder ab und zu «Meilensteine der Dankbarkeit» im eigenen Lebenslauf zu erkunden und zu notieren.
«Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.»
Francis Bacon, Staatsmann und Philosoph
Regelmässig an die guten kleinen und grossen Dinge im Leben zu denken und dankbar innezuhalten, reduziert nachweislich chronischen Stress, senkt den Blutdruck und beruhigt den Herzrhythmus. Für die Wirkung spielt dabei keine Rolle, ob man der Dankbarkeit eine spirituelle Note gibt. In vielen Religionen hat Dankbarkeit eine grosse Bedeutung. Man kann aber auch ganz weltlich-pragmatisch Alltägliches lobpreisen, wie das Dach über dem Kopf, die Wirksamkeit der Schmerztablette, das Lächeln der Nachbarin oder die Ruhe, wenn die Kinder endlich im Bett sind.
Als ich vor langer Zeit den Kindergarten besuchte, sangen wir jeden Freitagnachmittag zum Abschluss ein geistliches Lied aus dem 17. Jahrhundert: «Geh aus, mein Herz, und suche Freud», in dem die Schönheit der Welt beschrieben wird. Am Montagmorgen durften wir dann im Kreis erzählen, welche Freud wir gefunden hatten. Ich erinnere mich noch gut an die gelöste Stimmung in der Kindergruppe, die den ganzen Montag anhielt. Und daran, wie wir uns tatsächlich auf die Suche nach kleinen freudigen Momenten machten, sie entdeckten, sammelten und stolz präsentierten.
Es lohnt sich, der Dankbarkeit durch Routinen einen sicheren Platz im Alltag zu gewähren. Egal, ob Dankbarkeitslisten, Dankbarkeitsmeditation, Gebet oder Handy-App: Regelmässigkeit macht den Unterschied und führt zu weniger Neid und Wut und entspannteren Beziehungen. Sie reduziert die Neigung zu Sorgen und Grübelei, entlastet bei chronischen Krankheiten und schenkt erholsamen Schlaf .
Wie viel Schlaf ist gesund?
Schreiben Sie per Mail an: christine.harzheim@beobachter.ch oder per Post an:
Christine Harzheim
Beobachter
Postfach
8021 Zürich
2 Kommentare
Wahre und berührende Worte jenseits von komplizierten Auslegungen von Achtsamkeit. Einfach und schön!
Zu diesem Umdenken möchte ich nur sagen, beginnen wir damit schon beim Aufstehen am Morgen. Lenken wir unseren Fokus auf etwas Schönes, Gutes, ein Vogel der singt, die Kirchenglocken welche den Tag einläuten, der Duft eines herrlichen Kaffees, die positiven Sachen purzeln nur so daher wenn der Fokus nicht auf den Mangel gerichtet ist. Je mehr wir das üben umso umfassender, weiter das Spektrum sich weitet, und die „Positive-Liste“ wird gross und grösser. Gleichzeitig spürt das unser Körper unsere Ausstrahlung, mein Gegenüber reagiert erfreut darüber. Macht euch ein Spiel damit und was mir dazu noch am Herzen liegt, achtet auf eure Wortwahl. Garantie: es klappt!