«Wieso bin ich nicht glücklich?»
Eigentlich ist alles da, um glücklich zu sein. Und doch fehlt irgendetwas für den inneren Frieden. Welche Wege zu einer nachhaltigen Zufriedenheit führen.
aktualisiert am 6. Mai 2021 - 11:21 Uhr
Frage von Peter C.: «Eigentlich geht es beruflich und privat gut. Trotzdem frage ich mich immer wieder: Wozu das Ganze? Wozu bin ich überhaupt hier? Wieso kann ich nicht wie alle andern glücklich sein?»
Auch die andern sind nicht immer glücklich. Niemand kann immer glücklich sein. Aber es ist üblich, so zu tun, als ob. Es herrscht ein sozialer Druck, stets «aufgestellt» zu erscheinen. Dabei wird das Glücksgefühl nur plastisch im Vergleich mit Phasen des Missmuts oder der Niedergeschlagenheit.
Möglich, dass wirklich ein ungewöhnlicher Schatten auf Ihrem Leben liegt, aber vielleicht haben Sie auch eine unrealistische Glückserwartung. Eine Psychotherapie kann Sie eventuell weiterbringen.
Natürlich möchten wir ein gutes, ein gelungenes Leben führen. Aber was ist das? Die meisten erstreben möglichst viele Glücksmomente und versuchen Leid zu vermeiden. Allerdings haben Studien gezeigt, dass, wer höchste Glücksmomente erleben kann, nicht nachhaltig glücklich ist. Nachhaltige Lebenszufriedenheit muss tiefer verwurzelt sein.
Bereits Aristoteles hat über das gute Leben nachgedacht. Dazu gehören seiner Meinung nach zwar materielle Elemente wie Wohlstand, Gesundheit, Familie und Freunde. Für ein wirklich gutes Leben braucht es aber mehr. Glücklich wird nur, wer seine Bestimmung als Mensch, sein Potential verwirklicht. Dazu gehört ein Engagement für die Gemeinschaft , und dazu wird es nötig, Tugenden wie Tapferkeit und Sanftmut zu entwickeln.
Ähnliche Gedanken finden sich viel später wieder in der Psychologie des Küsnachter Psychiaters C. G. Jung, der die Ganzwerdung des Menschen zu etwas Einzigartigem als Lebensaufgabe sieht. Seelische Gesundheit bedeutet nach ihm auch, sich immer weiterzuentwickeln, seine Schwächen zu akzeptieren, seine dunklen Seiten zu integrieren.
«Wer seine Existenz als sinnvoll empfindet, kann auch sehr viel Leid ertragen.»
Viktor Frankl, Psychiater (1905-1997)
Die humanistische Psychologie, ab den sechziger Jahren in den USA entwickelt, sieht ebenfalls die Selbstentfaltung als wichtige Voraussetzung zum Glück. Der Österreicher Viktor Frankl schliesslich hat betont, wie wichtig es ist, einen Sinn im Leben zu sehen, um glücklich zu sein. Wer seine Existenz als sinnvoll empfindet, kann auch sehr viel Leid ertragen.
Das Erbe der humanistischen Psychologie hat die moderne Glücksforschung angetreten. Ein Vertreter der ökonomischen Glücksforschung ist Bruno S. Frey. Er hat vor allem herausgefunden, dass Geld allein nicht glücklich macht . Es ist wichtiger, gute Freunde zu haben. Ebenfalls glücklicher fühlt sich, wer grundsätzlich eine gewisse Selbständigkeit und Unabhängigkeit hat, im Beruf und privat.
In den USA hat vor allem Carl Seligman die Glücksforschung angestossen, Positive Psychologie genannt. Sie ist mit Willibald Ruch auch an der Uni Zürich vertreten. Die Forscher haben drei Muster gefunden, wie Menschen Glück anstreben: Die einen suchen den Genuss , andere suchen ihr Glück im tätigen Leben, und als Drittes gibt es den Weg der Sinnsuche.
Alle drei Lebensstile führen zu Zufriedenheit, aber das tätige, engagierte Leben liefert den höchsten Wert – das gilt weltweit.
Glücklich im Sinne einer nachhaltigen Lebenszufriedenheit wird gemäss der positiven Psychologie, wer sechs Tugenden erreichen kann:
- Neugierig sein, immer wieder lernen wollen, Wissen erwerben.
- Ausdauernd, begeisterungsfähig sein.
- Freundlich, bindungsfähig, sozial sein .
- Fair und teamfähig sein.
- Nicht Extreme suchen, sondern eine Mitte anstreben.
- Sinn für das Schöne empfinden, Dankbarkeit spüren, Humor haben .
- «Glück. Die Sicht der Ökonomie»; Bruno S. Frey, Claudia Frey Marti; 167 Seiten; Verlag Rüegger
- «Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben»; Martin Seligman; 479 Seiten; Verlag Bastei-Lübbe
1 Kommentar
Mein Vater ist 4 Wochen vor meiner Hochzeit gestorben. Es war total schrecklich und natürlich habe ich die Hochzeit abgesagt. Die Zeit danach war einfach nur trostlos und ich bin in ein schrecklich dunkles Loch gefallen. Während meine Mutter und meine Schwester durch die Trauerphase abgenommen haben, habe ich Frustessen gemacht und ganz 10 Kilo zugenommen. Ich hatte das Gefühl, ich komme aus diesem Loch nicht mehr raus.