Wenn die innere Uhr zu schnell tickt
Die Wechseljahre markieren den natürlichen Eintritt in eine neue Lebensphase. Wenn sie aber früher als üblich eintreten, stellen sie die betroffenen Frauen oft auf eine harte Probe.
Veröffentlicht am 31. Januar 2006 - 09:29 Uhr
«Erst seit wenigen Monaten habe ich Gewissheit, dass ich in den Wechseljahren bin», sagt Eva L.*. Vor einem Jahr hatte sie im Alter von 44 die letzte Menstruation . Sie nahm homöopathische Mittel, damit die Menstruation wieder einsetze – diese wirkten jedoch nicht.
Unterdessen beurteilt die Zürcherin den frühen Eintritt in die Wechseljahre pragmatisch: «Es ist eine normale Ablösung, die Frage nach dem Muttersein ist nun abgeschlossen, und es tut sich etwas anderes auf.» Spannend sei die Reaktion ihres 15-jährigen Sohnes gewesen. Er meinte, wenn sie kein Kind mehr wolle, sei ja alles gut.
Das durchschnittliche Alter beim Beginn der Wechseljahre liegt in Europa bei 52 Jahren. «Als Problem erlebe ich manchmal, dass Frauen, die früher in die Wechseljahre kommen, überhaupt nicht darauf vorbereitet sind», sagt die Zürcher Ärztin Barbara Wanner. Wenn gleichzeitig die Kinderfrage noch ungeklärt sei, brauche es zuerst eine Trauerphase, bevor der neue Lebensabschnitt akzeptiert werden könne.
Medizinische Gründe für die frühe Menopause gibt es nicht. Manchmal wird sie durch grossen psychischen Stress ausgelöst, ist dann aber nicht immer definitiv.
Bis vor wenigen Jahren war die Verschreibung von Hormonersatzpräparaten die Regel, wenn die Wechseljahre früh eintraten. Bei Rosmarie S.* liess die Menstruation im Alter von 38 nach der Geburt ihres dritten Kindes langsam nach. Mit 42 war die Bernerin in der Menopause. Ihre Gynäkologin riet ihr zur Einnahme von Hormonen. «Weil ich unter starken Hitzewallungen und Schlaflosigkeit
litt, war mir das recht.» Nach sechs Jahren entwickelte sich eine schmerzhafte Thrombose. Darauf musste sie die Medikamente absetzen: «Von diesem Risiko wusste ich nichts.»
Früher wurde der schnelle Griff zu künstlichen Hormonen damit gerechtfertigt, dass sie vor Osteoporose (spröden Knochen), Herzinfarkt und Alzheimer schützen und vorzeitige Alterung verhindern sollten.
Das änderte sich, nachdem 2002 in den USA eine breit angelegte Studie mit Hormonpräparaten abgebrochen werden musste: Die Brustkrebsrate war stark gestiegen, Herzinfarkte, Thrombosen und Hirnschläge kamen häufiger vor. Seither hat sich in der Schweiz die Zahl der Hormonabgaben halbiert – 160'000 Frauen nehmen aber heute noch Hormonpräparate.
Die Ärztin Barbara Wanner war Mitorganisatorin des Zürcher Menopause-Symposiums, das sich 1999 erstmals kritisch mit der Hormonabgabe auseinander setzte. Die Expertin plädiert für eine ganzheitliche Sicht der «Abänderung», wie die Menopause im Volksmund treffend heisst. «Dazu gehört auch, sich Gedanken über das Alter zu machen und sich mit den natürlichen Veränderungen beim Altern wie etwa einer gewissen Gewichtszunahme zu versöhnen.»
Wie positiv der Wechsel erlebt werde, hänge sehr stark von der persönlichen Lebenssituation ab. «Wechseljahre sind ein natürlicher Prozess und keine Krankheit», sagt Wanner. Nur etwa ein Drittel aller Frauen leidet an starken Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlaflosigkeit und später einer trockenen Scheide (siehe Infobox unten: «Das sollten Frauen wissen»).
Für Eva L. ist klar, dass sie keine Hormone nehmen will. Die einschneidendste Veränderung im Zusammenhang mit der Menopause sind für sie Migräneanfälle. «Ich gönne mir mehr Entspannung . Und Akupunktur lindert die Schmerzen», sagt sie.
Eva L. spricht offen über ihre frühen Wechseljahre. Dabei hat sie auch schon erlebt, dass Bekannte mit Abwehr darauf reagierten. Sie bemerkt: «Es wäre für mich viel schwieriger, wenn jetzt gerade auch noch mein Sohn ausziehen würde.»
Rosmarie S. nimmt seit vier Jahren keine Hormone mehr. Ihre Hitzewallungen sind zurückgekehrt. «Doch ich gehe gelassener damit um», sagt die heute 52-jährige Pflegefachfrau. «Mit der Hormoneinnahme habe ich mir selber ja auch vorgetäuscht, dass die Zeit des Wechsels noch in weiter Ferne ist.» Allerdings habe ihr damals mit drei noch kleinen Kindern die innere Ruhe
gefehlt, um sich der neuen Situation zu stellen. Rückblickend sagt sie: «Die grösste Veränderung ist, dass ich mir gegenüber nachsichtiger geworden bin. Und in vielen Situationen des Lebens kann ich nun aus dem Vollen schöpfen.»
*Namen der Redaktion bekannt
Appella ist ein unabhängiges Informations- und Beratungstelefon für Frauen zu verschiedensten frauenspezifischen Fragen und Problemstellungen, Telefon 044 273 06 60, www.appella.ch
Nach der letzten Menstruation muss man mindestens ein Jahr, bei frühem Eintritt der Wechseljahre zwei Jahre weiter verhüten.
Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafunterbrüche und Niedergeschlagenheit können Präparate der Traubensilberkerze, eine Umstellung der Ernährung und viel Bewegung lindern; bei trockener Scheide helfen Hormonsalben oder -zäpfchen.
Bei starken Beschwerden kann eine Kurzzeittherapie mit Hormonen Abhilfe schaffen, doch nach Absetzen der Medikamente können die Beschwerden wieder zunehmen.
Langfristige Hormontherapien erhöhen das Risiko für Brustkrebs und andere Krankheiten. Informationen gibt es im Faktenblatt der Krebsliga:
«Hormontherapie in den Wechseljahren: Wann sie hilft, wann sie schadet»