Tipps für den Matratzenkauf
Gerade Menschen mit Rückenschmerzen haben oft Mühe beim Schlafen. Beschwerden lindern kann die richtige Matratze – doch wie findet man sie?
Veröffentlicht am 10. November 2021 - 14:33 Uhr
Die Zahlen des Rückenreports der Rheumaliga Schweiz aus dem Jahr 2020 sprechen eine deutliche Sprache: Von 1041 Befragten aus der Deutsch- und Westschweiz gaben 88 Prozent an, schon einmal im Leben an Rückenproblemen gelitten zu haben. 17 Prozent haben sogar wöchentlich Beschwerden. Einen negativen Einfluss haben die Schmerzen unter anderem auf Sport, Freizeitaktivitäten, Hausarbeit – und auf den Schlaf. Umso wichtiger ist bei betroffenen Menschen die richtige Auswahl der Matratze.
Doch diese zu finden, ist kein einfaches Unterfangen. Eins vorweg: Eine für alle Rückenprobleme allgemeingültige Empfehlung für die perfekte Matratze gibt es leider nicht. Etwas Licht in die komplexe Thematik bringt aber Mazda Farshad, Direktor Wirbelsäulenzentrum und Chefarzt Wirbelsäulenchirurgie an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich: «Durch Studien wissen wir, dass Menschen mit chronischen Rückenschmerzen besser nicht auf weichen Matratzen schlafen. Eine Matratze in mittlerer Härte hat eher einen positiven Einfluss auf die Beschwerden.»
Allerdings weist Farshad darauf hin, dass die Matratze allein Rückenprobleme nicht lösen kann. «Die Kraft, die während des Schlafs auf den Rücken wirkt, ist ein Bruchteil derjenigen, die der Rücken beim Stehen oder Sitzen aushalten muss», so der Wirbelsäulenexperte. Sein grundsätzlicher Rat für Menschen mit Rückenbeschwerden ist darum: mehr bewegen, richtig sitzen.
«Mit der Hand oder mit dem Knie kurz auf die Matratze drücken und auf den Rand sitzen reicht nicht.»
Isabelle Schwalbe, Matratzenexpertin bei Möbel Pfister
Im Zusammenhang mit Rückenproblemen sind Schlafpositionen immer wieder ein grosses Thema. Mazda Farshad hat hier eine klare Meinung: «Die einzig richtige Schlafposition ist eine Illusion. Während des Schlafs bewegt sich der Mensch ein- bis zweimal pro Stunde. Aus der Forschung ist bekannt, dass Menschen sich während 54 Prozent der Schlafzeit in Seitenposition, 38 Prozent in der Rückenlage und 8 Prozent in der Bauchlage befinden. «Man kann also nicht beeinflussen, wie der Körper im Schlaf liegen soll, ausser man bindet ihn fest», so Farshad.
So viel zur Theorie. Doch wie findet man nun heraus, welche Matratze am besten geeignet ist? Das Zauberwort heisst «testen», und zwar richtig . Einer der grössten Fehler beim Matratzenkauf ist es, sich nicht genügend Zeit zu nehmen. Das bestätigt auch Isabelle Schwalbe, Matratzenexpertin bei Möbel Pfister. «Mit der Hand oder mit dem Knie kurz auf die Matratze drücken und auf den Rand sitzen reicht nicht», sagt sie. Vielmehr sei es wichtig, sich in verschiedenen Positionen auf die Matratze zu legen und ein Kopfkissen zu verwenden.
Eine besonders grosse Rolle beim Matratzenkauf spielen zudem die Matratzenzonen, die auf die Bedürfnisse des Körpers abgestimmt sein sollten. Eine gute Matratze zeichnet sich dadurch aus, dass sie an den Stellen nachgibt, wo erhöhter Druck entsteht. Dadurch wird der Körper gleichmässig gelagert. Beeinflusst wird dies etwa durch Bau und Gewicht des Körpers sowie dessen Verteilung.
Farshad empfiehlt für Personen mit Rückenerkrankungen im Allgemeinen punktelastische Liegeflächen etwa aus Latex oder Kautschuk. Diese haben im Gegensatz zu den flächenelastischen Schlafunterlagen den Vorteil, dass nur an den Stellen mehr Druck ausgeglichen wird, wo es nötig ist. Ein grosser Pluspunkt, wenn die Schmerzen einen gewissen Körperbereich betreffen.
Ein Beispiel dazu: Bei einer Erkrankung des hinteren Teils der Wirbelsäule, dem sogenannten Facettensyndrom, verursachen übermässig harte Matratzen mehr Schmerzen. Der Grund: Die Facettengelenke werden wegen des ungenügenden Ausgleichs der Matratze übermässig belastet.
Zankapfel Lattenrost
Gemäss Matratzenexpertin Schwalbe kommen zu den gesundheitlichen Aspekten auch persönliche Vorlieben als Kriterien beim Matratzenkauf dazu, etwa das individuelle Wärmebedürfnis oder allfällige Allergien . Weiter rät Schwalbe, einen auf die Matratze abgestimmten Lattenrost zu kaufen, da dies den Komfort und die Lebensdauer verlängere. Inwieweit dies aber wirklich der Fall ist, bleibt wohl ein ewiger Zankapfel.
So hat die Stiftung Warentest anhand von drei Matratzen untersucht, wie gut eine vom Hersteller oder Händler empfohlene Unterlage im Vergleich mit einer herkömmlichen Spanplatte abschneidet. Ergebnis: Eine Matratze zeichnete sich auf der Spanplatte mit einem höheren Komfort aus, eine war auf der Spanplatte ebenso gut wie auf dem von den Experten vorgeschlagenen Lattenrost, und die dritte Matratze schnitt auf der Spanplatte nur minimal schlechter ab.
Chefarzt Mazda Farshad relativiert diese Ergebnisse aber insbesondere für Menschen mit Rückenproblemen: Aufeinander abgestimmte Komponenten können demnach durchaus Sinn ergeben. Aber nur, wenn wirklich ein Ziel damit verfolgt wird – zum Beispiel eine möglichst optimal ausgerichtete Punktelastizität, die gemäss Farshad hilfreich ist.
Keine Sorgen machen muss man sich übrigens, wenn man nicht gleich in der ersten Nacht auf der neuen Schlafunterlage tief und fest schläft. Die Eingewöhnungszeit kann gemäss Schwalbe nämlich mehrere Wochen dauern. Zudem werde eine neue Matratze mit der Zeit noch etwas weicher. Denn das Testobjekt im Geschäft hat eine Härteanpassung üblicherweise bereits hinter sich.
Die Anschaffung einer neuen Schlafunterlage sollte man nicht voreilig tätigen. Isabelle Schwalbe, Expertin bei Möbel Pfister, sagt, worauf man achten sollte:
- Sich beraten lassen. Eine gute Expertin erkundigt sich nach individuellen Bedürfnissen (Allergien, Rückenprobleme, bevorzugte Schlafposition et cetera).
- Sich zwei bis drei Stunden Zeit nehmen.
- Eine Mindestdauer, wie lange man auf der Matratze liegen soll, gibt es nicht. Man merkt aber schnell, ob sie einem zusagt. Elastizität, Stützkraft oder Druckentlastung sind unmittelbar zu spüren.
- Während des Liegens die Position ändern. So kann der Experte feststellen, ob beispielsweise in der Seitenposition die Wirbelsäule gerade liegt oder ein Knick entsteht.
- Mindestens zwei bis drei Modelle mit dem richtigen Härtegrad testen.
- Am besten testet man am Vormittag und gut ausgeruht. Denn nach einem Arbeitstag fühlt sich fast jede Matratze gut an.
- Auf die individuellen Bedürfnisse eines Partners eingehen. Meistens werden unterschiedliche Härtegrade als angenehm empfunden.
- Beim Kauf auch die Schlafposition berücksichtigen und nicht nur auf den Komfort achten. Dazu kommen noch Aspekte wie individuelles Wärmebedürfnis.
- Eine Matratze online zu kaufen, ohne sie zu testen, empfiehlt sich nicht. Man kann sie zwar zurückgeben, aber retournierte Matratzen landen oft im Abfall. Das ist wenig nachhaltig.
2 Kommentare
Ich finde es mega wichtig und ehrlich, dass im Text erwähnt wird, dass retournierte Matratzen (leider) oft im Abfall laden.
Ich war letztens etwas schockiert, als ich gelesen habe, dass in der Schweiz pro Jaahr eine Million Matratzen verbrannt werden.
Bin selber auf der Suche nach einer guten und nachhaltigen Matratze. Bei meiner Onlinerecherche habe ich aber nur wenige Optionen gefunden, die sowohl rückenfreundliche als auch nachhaltige Matratze anbieten (z.B. die recycelbaren Matratzen von ecomade.ch oder die Naturmatratzen von Hüsler Nest). Kennt ihr noch mehr?
Als langjähriger Rückenpatient mit Skoliosen und damit einhergehenden temporär wiederkehrenden Blockierungen der Facettengelenke habe ich so ziemlich alle auf dem Markt vorhandenen Matratzen mit diversen Unterbaus getestet. Nachhaltig waren bis heute (66 Jahre) diejenigen Kombinationen mit mittlerer Härte und verstellbaren Lattenrosten. Die erwähnten punktelastischen Latexmatratzen waren unbequem, die Kaltschaumstoffmatratzen nicht, teilweise sogar die in Hotels viel vorhandenen Springfeder-Betten ebenfalls nicht! Obwohl ich die ökologische Seite sehe - man könnte die Matratzen ja wegen der Hygiene mit Folie einschweissen - ist die 100 Tage Testdauer bei Onlinebestellungen zielführender, als die propagierten 2-3 Std. welche klar zu kurz sind, wie ja im Bericht auch mit mehrwöchiger "Eingewöhnungszeit" umschrieben wird.