Hamster essen Gluten
In Krisenzeiten stehen für den Konsumenten nicht mehr Superfoods und Clean Eating im Vordergrund.
Veröffentlicht am 19. März 2020 - 14:05 Uhr
Samstag, 12:00, Glattzentrum bei Zürich. Der Geruch von abgestandenem Curry und McDonalds wabert durch die Gänge. Nur an jedem zweiten Tisch der Restaurants sitzt eine Familie. Social Distancing funktioniert hier. Nicht so aber im dreistöckigen Migros nebenan. Dort gibt ein Mann seiner Frau über die Menschenmenge in der Gemüseabteilung hinweg Anweisungen. In seiner Stimme schwingt leichte Panik mit: «Kartoffeln sind ausverkauft, schau mal bei den Nudeln, zur Not geht auch mit Ei oder Vollkorn».
In seinem Einkaufswagen liegt eine XXL-Packung mit Haushaltsrollen. WC-Papier gibt es schon seit den frühen Morgenstunden nicht mehr. Auch Mehl, Pasta und Pelati fehlen. Was auffällt: Bei all den weggehamsterten Dingen sind gewisse Produkte noch in rauen Mengen vorhanden. In der Abteilung Superfoods etwa.
In Krisenzeiten scheinen Kalorien, Clean Eatin g und diätbewusstes Essen in den Hintergrund zu rutschen. Der Hamster greift zum herkömmlichen Weissmehl, zu Pasta, Kartoffeln und Chips. Auch in einer Zürcher Denner-Filiale sind die Regale mit Nudeln, Sossen und Konserven leergefegt. Einzig ein paar Gläser veganes Pesto, sowie eine vegane Bolognese-Variante – hier ohne Käse und ohne Geschmack - stehen einsam in den leeren Reihen.
Das Bild bestätigt sich auch beim Blick in die Online-Shops der Detailhändler. Bei einer Stichprobe auf Coop@Home sind bei den Joghurts die meisten ausverkauft –zuckerreduzierte oder laktosefreie Produkte gibt es noch. Bei den haltbaren Broten muss man sich mit glutenfreien Exemplaren begnügen.
Das erstaunt, wurden Spezialprodukte ohne Gluten oder Laktose zuletzt zunehmend beliebt. Immer mehr Menschen ernährten sich freiwillig gluten-, laktosefrei oder vegan. Aus Lifestyle- oder vermeintlich gesundheitlichen Gründen. Das scheint in Zeiten der Krise und Verunsicherung nicht mehr so entscheidend.
Das Phänomen beschränkt sich nicht auf die Schweiz: Auf sozialen Medien kursieren Bilder leergefegter Supermarkt-Regale aus Italien, in denen nur noch die als gesünder angesehene Vollkornpasta steht. In Grossbritannien wird das lange als Superfood abgefeierte Quinoa zum Ladenhüter. Twitter-Nutzer posten amüsierte Bilder von leeren Regalen, in denen eine traurige Quinoa-Packung auf einen letzten Gesundheitsfanatiker wartet. Dazu die Worte «No one ever liked this shit! (“Das hat noch nie einem geschmeckt!”)