Unseriöser Onlineshop liefert nicht
Der Schweizer Onlineshop «9.90CHF.ch» lockt mit tiefen Preisen und einer vermeintlich ökologischen Masche. Die bestellte Ware bekommt der Kunde allerdings nicht zu Gesicht.
Veröffentlicht am 1. Juli 2019 - 09:16 Uhr
Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Onlineshop «9.90CHF.ch» kaum von anderen Geschenke-Websites: Vom Bart-Pflegeöl über farbige Yogamatten bis hin zum Staubsauger in Marienkäferoptik lässt sich hier alles finden. Im Gegensatz zur Konkurrenz bietet der Shop aber alle Produkte für 9.90 Franken an und ist dabei auch noch umweltfreundlich – so verspricht es zumindest die Website.
Der tiefe Preis überzeugte den St. Galler Lehrer Tobias Felder*: «Ich suchte nach farbigen Wasserperlen für den Chemieunterricht und fand kein günstigeres Angebot.» Er bestellte am 12. April – und wartet nach zweieinhalb Monaten noch immer auf die Ware.
9.90CHF rühmt sich auf der Website damit, aus ökologischen Gründen auf sämtliche Zwischenhändler zu verzichten. Die Bestellung gehe zwar beim Onlineshop ein, für den Versand zum Kunden sei aber der Hersteller verantwortlich. So würden keine Waren zwischengelagert oder doppelt verpackt.
Was 9.90CHF als Umweltbewusstsein verkauft, trägt in der Branche den Namen «Dropshipping». Bei diesem Verfahren kann mit möglichst geringem Aufwand und wenig Eigenkapital viel Gewinn gemacht werden. Der Händler bestellt die Ware meist auf asiatischen Billig-Plattformen und lässt sie direkt an den Kunden liefern. Weil viele Produkte aus dem Ausland kommen, ist die Lieferzeit oft lang – so auch bei 9.90CHF. Auch für die 25 bis 45 Tage Wartezeit findet der Shop aber blumige Worte:
Logisch ist die Begründung nicht: Ohne Zwischenlagerung müsste die Ware sogar schneller beim Kunden eintreffen.
Felder erfuhr erst in der Bestellbestätigung von der langen Lieferzeit. Darauf hingewiesen wird nur auf der Startseite, nicht aber beim Kauf eines Produktes. «Da ich die Perlen nicht sofort brauchte, war das in Ordnung», so der Lehrer. Trotzdem erkundigte er sich nach einem Monat über das Kontaktformular nach dem Bestellstatus. Schliesslich heisst es da: «Zögere nicht uns zu kontaktieren! Wir beantworten deine Anfrage sehr schnell. Wirklich super schnell. So schnell es geht!» Auf eine Antwort wartet Felder noch heute. Auch eine Anfrage des Beobachters blieb unbeantwortet.
Die Website und das Facebook-Profil des Anbieters legen die Vermutung nahe, dass der Shop seit einer Weile nicht mehr aktiv bewirtschaftet wird: «Bald isch Wiehnachte», heisst es in der Rubrik «Trends und News», der letzte Facebookeintrag wurde im November 2018 gemacht.
Welchen Online-Shops kann ich trauen?
«Es ist schon ironisch, dass ich meine Schüler immer vor unseriösen Websites warne und dann selber darauf hereinfalle», sagt Felder im Nachhinein. Ein Blick ins Impressum hätte ausgereicht, um den Lehrer misstrauisch zu machen. «9.90CHF ist eine Einzelfirma, welche als Experiment von Studenten durchgeführt wird», heisst es da. Wer diese Studenten sind und woher sie kommen, wird nicht aufgelöst. Auch eine Telefonnummer, Firmenadresse und E-Mail-Adresse fehlen. Die Kontaktaufnahme ist lediglich über das Formular möglich.
«Das ist immer ein schlechtes Zeichen. Je transparenter ein Unternehmen, desto vertrauenswürdiger ist es», sagt Beobachter-Expertin Nicole Müller. Neben den Unternehmensinformationen fehlen auch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), denen ein Kunde vor dem Kauf zustimmt. «Ausserdem ist die Sprache fehlerhaft und schludrig – das ist auch dann unseriös, wenn die Website tatsächlich von Studenten betrieben wird», findet Müller. Bei einer grösseren Summe würde sie Felder empfehlen, der Firma per Einschreiben eine Frist zu setzen. Für die 9.90 Franken lohne sich das aber kaum.
Felder hat seinen Ärger heruntergeschluckt – das Chemieexperiment konnte er trotzdem durchführen. Auf einer anderen Website bezahlte er zwar mehr für die Wasserperlen, hatte sie dafür nach wenigen Tagen im Briefkasten. «‹Aus Fehlern lernt man›, sage ich meinen Schülern gerne. Jetzt muss ich mich selber beim Wort nehmen.»
*Name geändert
An gewissen Punkten – etwa der Bewertung des Verkäufers oder an der Herkunft des Produkts – lässt sich relativ einfach erkennen, ob der Anbieter der Ware vertrauenswürdig ist. Wie Sie ein Kaufangebot im Internet richtig hinterfragen, erfahren Sie als Beobachter-Mitglied in der Checkliste «Onlineshopping – So sichern Sie sich ab».