Freiheit mit Grenzen
Ferien auf dem Campingplatz: alles hinter sich lassen, was einem zu Hause die Laune verdirbt. Wenn da bloss nicht Vorschriften, Platzwart und Nachbarn wären.
aktualisiert am 30. August 2017 - 11:27 Uhr
Manche rümpfen die Nase übers Campen. Doch es ist alles andere als eine Randerscheinung: In der Schweiz gibt es etwa 410 Campingplatzbetriebe mit über 55'000 Standplätzen. Fast 2,8 Millionen Logiernächten wurden im Jahr 2016 verzeichnet und auch das erste Halbjahr 2017 weist im Vergleich zur Vorjahresperiode ein Plus von 42 Prozent aus. Vor allem Pensionierte nutzen die Stellplätze oft und gern.
Damit verbunden ist die Illusion von Freiheit, das angenehme Gefühl, draussen in der Natur zu sein, völlig losgelöst von der Unbill des Alltags. Mietzinserhöhungen? Kündigungsandrohungen? Mängel? Ach, das sind doch alles Probleme des «normalen» Wohnens! Irrtum: Solche juristischen Fragen stellen sich auch auf dem Campingplatz – bloss etwas anders.
Familie Spatz hat einen Campingplatz in Dauermiete. Jedes Jahr fährt sie mit dem eigenen Wohnwagen hin. Nun erhöht der Eigentümer den Mietzins massiv.
Leider kann Familie Spatz dagegen nichts tun, da die Bestimmungen der Landmiete gelten. Und die sehen keinen Schutz vor missbräuchlichem Mietzins vor, wie es bei der Wohnungsmiete der Fall ist. Der Campingplatzvermieter kann frei entscheiden, wann und wie er die Miete verändert.
Familie Frösch will den Platz langfristig mieten und dauerhaft einen Camper aufstellen. Sie würde Geld in die Infrastruktur stecken, wenn sie bleiben darf. Der Vermieter sagt zu.
Die Fröschs können in dieser Konstellation darauf vertrauen, dass das Mietverhältnis auf absehbare Zeit nicht gekündigt wird. Sollte die Miete plötzlich erhöht werden, hätte die Familie gute Chancen, sich dagegen zu wehren, da in diesem Fall die gesetzlichen Bestimmungen für die Wohnungsmiete zur Anwendung kommen können. Das hat das Obergericht Luzern entschieden. Ausschlaggebend dabei ist nicht die grosse Investition der Fröschs, sondern ihr Vertrauen darauf, dass das Mietverhältnis lange dauern wird. Sie könnten die Mietzinserhöhung innert 30 Tagen ab der Zustellung bei der zuständigen Schlichtungsbehörde anfechten. Sollte der Aufschlag nicht auf einem amtlichen Formular an sie gelangen, wäre die Erhöhung ohnehin ungültig.
Lesen Sie die Fortsetzung des Ratgeber-Artikels unter der Infografik.
Familie Storch – Vater, Mutter, sechs Kinder, drei Hunde – will auf einen Campingplatz. Der Platzwart lässt sie nicht hinein: «Das ist ein ruhiger Platz mit vorwiegend älteren Gästen.»
Storchs müssen sich einen anderen Platz suchen: Der Vermieter darf die Mieter frei auswählen. Der Ausschluss gilt rechtlich nicht als diskriminierend. Nicht einmal, wenn eine holländische Familie nicht aufgenommen wird mit der Begründung, auf dem Platz seien Holländer unerwünscht.
Das Rentnerehepaar Lerch will ein paar ruhige Tage verbringen. Doch morgens um fünf fährt unüberhörbar der Nachbar im Sportwagen vor ihrem Camper vorbei. Lerchs beschweren sich wegen Ruhestörung beim Platzwart – erfolglos.
Wenn im Reglement des Campingplatzes nichts zur Ruheordnung steht, gilt die allgemeine Polizeiverordnung der jeweiligen Gemeinde. Dann können die Mieter eine Mängelrüge machen und den Vermieter auf die kommunale Ruheordnung hinweisen, mit einer Frist für die Durchsetzung. Wird der Eigentümer des Platzes nicht aktiv, können sie den Mietzins bei der zuständigen Schlichtungsbehörde hinterlegen. Zudem können sie eine Mietzinsreduktion geltend machen – ab jenem Zeitpunkt, wo der Vermieter vom Mangel Kenntnis nimmt.
Lärm in der Nachbarschaft, verursacht durch Kindergeschrei, feiernde Partygäste oder Baumaschinen, führt häufig zu Konflikten. Erfahren Sie als Mitglied des Beobachters, was ihre Rechte sind und wie sie sich wehren können.
Lisa Ochs will ihren Campingplatz so rasch wie möglich kündigen. Sie hat keinen Vertrag, und es gibt in der Standortgemeinde keinen Ortsgebrauch punkto Kündigungstermine. Doch der Vermieter besteht auf sechs Monatsmieten.
Der Vermieter hat recht. Es gilt die Bestimmung über die Landmiete. Da es keinen Ortsgebrauch gibt, ist Ochs noch sechs Monate an den Mietvertrag gebunden und schuldet entsprechend Zins. Ihre einzige Chance ist, einen Nachmieter zu finden.
Platzwart Adler parkiert sein Auto so nah vor dem Camper eines Mieters, dass die Stossstange diesen beinahe berührt.
Meist enthält das Reglement des Campingplatzes Abstandsvorschriften; dieses ist Bestandteil des Mietvertrags. Daran hat sich auch der Platzwart zu halten. Wichtig jedoch: Kantonale Grenzvorschriften, wie sie die Hauseigentümer kennen, kommen auf dem Campingplatz nicht zur Anwendung.
Die Eltern von Margrith Luchs haben einen Wohnwagen auf einem Standplatz mit Jahreszins gemietet. Da dieser bereits bezahlt ist, will die Tochter den Wohnwagen jederzeit nutzen, ohne etwas zu bezahlen.
Ausschlaggebend ist, was im Vertrag geregelt ist. In der Regel werden eine Standplatzmiete und eine Nutzungsgebühr vereinbart. Wenn Nicht-Vertragsparteien wie die Kinder des Mieters den Wohnwagen und die Infrastruktur des Campingplatzes benützen, müssen sie meist eine zusätzliche Nutzungsgebühr bezahlen.
Fredi Marder bemerkt, dass das Stromkabel zu seinem Wohnwagen defekt ist. Der Platzwart meint, da Marders Sohn Elektriker sei, solle dieser das Kabel doch gleich selber reparieren.
Das darf der Platzwart nicht verlangen. Es ist am Vermieter, einen mängelfreien Platz zur Verfügung zu stellen. Er muss die Sache auf seine Kosten in Ordnung bringen. Sonst kann der Mieter eine Mängelrüge machen.
Kommt der Vermieter der Aufforderung nicht nach, die Mietmängel zu beheben, können Sie androhen, den Mietzins bei der Schlichtungsbehörde zu hinterlegen. Im Musterbrief «Mietmängel anzeigen und Hinterlegung androhen» erfahren Beobachter-Mitglieder, wie man dabei am besten vorgeht. Einfach die Vorlage anpassen, ausdrucken und an den Vermieter schicken.
Seit 30 Jahren hat das Ehepaar Bär einen Standplatz. Plötzlich kommt die Kündigung. Die Bärs wehren sich: Sie hätten aufgrund des Gewohnheitsrechts Anspruch auf diesen Platz.
Irrtum: Es gibt auf dem Campingplatz kein Gewohnheitsrecht, auf das man sich stützen könnte. Das Ehepaar kann gegen die Kündigung nichts machen, sofern sie fristgerecht erfolgt ist. Es gelten die vertraglich oder reglementarisch vereinbarten Kündigungsfristen. Eventuell hätten die Bärs eine Chance auf Erstreckung des Mietverhältnisses, sofern sie kostspielige Investitionen vorgenommen haben und darauf vertrauen konnten, dass ihnen längere Zeit nicht gekündigt wird. Bärs müssten aber geltend machen, dass sie auf die Schnelle keinen analogen Platz finden können.