«Ich empfehle, dem Gegenüber offene Fragen zu stellen»
Die Impffrage spaltet Familien und Freundeskreise. Was tun? Der Berufsskeptiker und Sozialwissenschaftler Marko Kovic rät dazu, zuerst nach Gemeinsamkeiten zu suchen.
Veröffentlicht am 30. August 2021 - 14:18 Uhr
Beobachter: Die Tante will sich partout nicht impfen lassen, es drohe Krebs. Der Kumpel bombardiert seine Freunde mit immer neuen Zahlen, die belegen, dass Impfen völlig ungefährlich ist. Es endet dann in gehässigen Debatten und Schuldzuweisungen. Herr Kovic, kennen Sie das?
Marko Kovic: Das kenne ich sehr gut, auch in der Verwandtschaft, die ich gerade in Kroatien besucht habe. Dort ist die Impfskepsis
viel ausgeprägter als hier. Viele Bürger misstrauen dem Staat, den Politikern und den Experten noch stärker. Die Grundbedenken gegenüber der Impfung sind aber die gleichen: die Angst vor Nebenwirkungen durch den viel zu schnell zugelassenen Impfstoff, die Überzeugung, ein gesunder Körper stecke eine Ansteckung schon weg, und die Ansicht, dass hinter der ganzen Pandemie ein gigantisches Geschäft steckt.
Wie bleibt man trotz unvereinbarer Auffassungen im Gespräch?
Es bringt nichts, sich gegenseitig von oben herab zu belehren und mit Studien einzudecken. Jeder klammert sich so noch stärker an seine Überzeugungen. Ich versuche, empathisch zu bleiben, den Leuten offene Fragen zu stellen und sie keinesfalls zu verspotten.
In der Familie oder im Freundeskreis
ist das ziemlich herausfordernd. Rechthaberei, Selbstinszenierung und das Schielen auf Anerkennung sind ja Verhaltensmuster, die eine Gruppendynamik oft bestimmen.
Ich rate auch davon ab, jemanden aus einer Gruppe heraus zur Impfung bewegen zu wollen oder nach der Impfung zu kritisieren. Wir wissen ja, wie unangenehm es ist, wenn wir uns mit einer Minderheitsmeinung gegen eine ganze Gruppe verteidigen sollen.
Was ist die bessere Alternative?
Wenn man sich in der Impf- oder der Massnahmenfrage völlig uneinig ist, lohnt es sich, nach Gemeinsamkeiten bei anderen Themen zu suchen. Einem Ort, wo man sich auf Augenhöhe begegnen kann, Kritik oder Zustimmung teilt. Und wo man sagen kann: Eigentlich wollen wir doch das Gleiche.
Haben Sie ein Beispiel?
Ich bin ein skeptischer und machtkritischer Mensch. Das verbindet mich vielleicht mit einem Impfgegner. Ich sehe den Einfluss von Superreichen wie Bill Gates auch kritisch, weil gerade im Gesundheitsbereich zu viel Macht bei privaten Stiftungen liegt. Ich bleibe aber sachlich und unterstelle Gates nicht ohne Beleg, dass er uns mit der Impfung etwas implantieren will. So liesse sich vielleicht eine faire und menschliche Basis schaffen, um später auch trennende Themen anzusprechen. Etwas, was auf Social-Media-Kanälen und in Kommentarspalten ja kaum mehr möglich ist. Dort wird eine Meinung oder ein Verhalten ständig beurteilt und schnell gehässig verurteilt
.
Haben Sie das selber schon erlebt?
Ja, gerade wegen meiner Kritik an Bill Gates. Ich wurde gefragt, ob ich jetzt die Position der Corona-Leugner übernehme. Da ist ein Lagerdenken entstanden, das ich bedenklich finde.
Der Druck auf Impfunwillige steigt. Tests sollen ab Oktober kostenpflichtig werden. Erste Unternehmen planen Einschränkungen am Arbeitsplatz, europäische Grossstädte führen die Zertifikatspflicht, vielleicht sogar eine Impfpflicht für Gastro-Besuche ein. Hilft das, die Impfquote zu erhöhen?
Mit der Brechstange vorzugehen, finde ich heikel. Wenn Private das tun, ist das grundsätzlich deren Angelegenheit und zur Verminderung von Ansteckungen in heiklen Arbeitsbereichen auch sinnvoll. Der Staat
sollte dagegen sehr umsichtig entscheiden und keine diskriminierenden Regeln einführen. Sonst sehen sich Kritiker darin bestätigt, dass aus einer ursprünglichen Impfempfehlung schon immer ein Zwang werden sollte. Problematisch wäre etwa, wenn Verkehrsmittel nur noch mit einem Covid-Zertifikat benutzt werden dürfen, so, wie es Frankreich beschlossen hat.
Die Pandemie soll endlich beendet werden. Gibt es Alternativen zum Ausgrenzen der Nichtgeimpften?
Positive Anreize. Leider hat die Schweiz das nie richtig versucht.
Die Gratis-Bratwurst nach dem Impfen?
Ein Einkaufsgutschein wäre besser. Wir dürfen nicht vergessen, dass bei der Impfskepsis sehr viel Sozioökonomisches mitschwingt. Menschen, die sowieso schon untendurch müssen, vielleicht ihren Job verloren haben, lehnen Impfungen stärker ab. Wenn man ihnen nun sagt: «Ihr müsst künftig jeden Test selber bezahlen», trifft das jene, die es sich nicht leisten können. Etwas Positives zu bieten, wäre doppelt besser. Menschen, die es brauchen, erhalten etwas, und man zeigt, dass man die Leute nicht zwingen, sondern ihnen helfen will.
«Zu argumentieren, die Impfgegner seien einfach zu dumm, finde ich problematisch.»
Marko Kovic, Sozialwissenschaftler, Mitgründer des Forums für kritisches Denken
Wer über Monate gegen die Impfung schimpfte, hat vielleicht Hemmungen, seine Auffassung plötzlich zu ändern.
Abzuwarten, ob die Impfung schwerwiegende Nebeneffekte
hat, ist ja keine unvernünftige Haltung. Die Erkenntnis, dass dies extrem selten vorkommt, ist beständig gewachsen. Da ist es nur ein Akt der Vernunft, wenn man sich jetzt für die Impfung entscheidet.
Letzte Einschränkungen werden aufgehoben, wenn mehr Menschen geimpft sind. Ist es da legitim, mehr soziale Verantwortung bei den Verweigerern einzufordern?
Menschen reagieren auf soziale Signale zwar stärker als auf rein rationale Argumente. Man macht etwas eher, weil es alle anderen auch tun. In der stark emotionalisierten Impffrage ist das aber ein zweischneidiges Schwert. Die Aufforderung, sich «wie ein Lamm» einzureihen, kann auch bewirken, dass sich jemand erst recht verweigert und vielleicht sogar dem Verschwörungsmythos verfällt
, dass diktatorische Mächte die Massen manipulieren wollen. Ich empfehle eher, Fragen zu stellen und nicht einfach zu belehren oder Druck aufzubauen. Wenn man eine konstruktive, menschliche Ebene gefunden hat, soll man auch wissenschaftliche Erkenntnisse und die Frage nach dem sozialen Verhalten thematisieren.
Ungeimpfte werden sich mit immer mehr Einschränkungen abfinden müssen. Soll man diese individuelle Belastung thematisieren statt die Verweigerung, die die Gesellschaft belastet?
Ja. Willst du dich ständig testen lassen
, um am sozialen Leben teilnehmen zu können? Und dafür jedes Mal 50 Franken bezahlen? Es geht nicht darum, Druck aufzubauen, sondern zusammen abzuwägen, ob sich der hohe Preis trotz der geringen Impfrisiken lohnt.
Wer nach Gründen sucht, um seine Impfskepsis zu bestätigen, findet sie im Internet in unzähligen Berichten, Studien und ganzen Verschwörungsmythen. Mitunter ist es schwierig, Manipulationen zu erkennen. Mangelt es uns allen an Grundwissen und kritischem Denken?
Natürlich wäre es besser, wir hätten mehr davon. Aber zu argumentieren, die Impfgegner seien einfach zu dumm, finde ich problematisch. Das Problem liegt viel tiefer, in der Architektur der Internetplattformen. Wer online unterwegs ist, dem werden ja ständig mehr Inhalte angeboten, die dem entsprechen, was man bereits konsumiert hat. So entsteht der Eindruck, rundherum würden alle ganz ähnlich denken. In Wahrheit bewegt man sich in einer Bubble, die Kritik zum soeben Konsumierten
ausblendet. Die Folge ist eine polarisierte und fragmentierte Gesellschaft. Darauf basiert das Geschäft der Milliardenkonzerne.
Wenn diese unseriöse und verschwörerische Inhalte einfach löschen, wird das als Zensur wahrgenommen. Das ist doch Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker.
Aber es ist der Kern des Problems. Gelöscht wird tatsächlich völlig willkürlich, die Kriterien sind kaum nachvollziehbar. Es gibt auch keine Rekursmöglichkeiten, um sich gegen eine Löschung zu wehren. Die Plattformbetreiber, die zur Infrastruktur unserer digitalen Öffentlichkeit geworden sind, schalten und walten wie sie es gerade für richtig halten. Sie orientieren sich nicht an rechtsstaatlichen Prinzipien und gefährden so unsere Demokratien.
Impf-, Massnahmenkritiker und Anhänger verschiedenster Verschwörungserzählungen sind zu einer referendumsfähigen Bewegung angewachsen. Wird sie mit dem Ende der Pandemie sterben?
Kaum. Was die Bewegung eint, sind ja weder inhaltliche Positionen zu Corona noch gemeinsame politische Grundüberzeugungen. Die sind viel zu divers. Der gemeinsame Nenner ist der Kampf gegen einen angeblich diktatorischen Staat, der zusammen mit mächtigen Konzernen das Volk entmachten will. Diese Erzählung kann man über jedes neue Thema stülpen, das uns beschäftigen wird. Mit der SVP versucht auch eine erste Partei vom Potenzial dieser Bewegung profitieren. Auch sie spricht inzwischen von einer Diktatur, wenn es um die staatlichen Corona-Massnahmen geht.
4 Kommentare
Endlich eine Stimme, die wenigstens ein bisschen eine differenzierte Sicht auf die aktuelle Problematik bietet. Ich selbst will mich nicht impfen lassen und sehe darin auch keine soziale Komponente (niemand kann ernsthaft glauben, dieses Virus liesse sich durch Impfungen ausrotten). Ich glaube auch nicht an eine Verschwörung, weil ich unsere Politiker schlicht nicht für clever genug halte, so etwas zu inszenieren. Dennoch muss ich heute vielen der von mir früher belächelten Anhänger gewisser Verschwörungstheorien eines zugutehalten: Einiges vor dem sie gewarnt haben, ist inzwischen so eingetroffen, und die Tendenz weist nicht in eine gute Richtung. Die Berichterstattung in den Medien ist inzwischen derart unkritisch geworden, dass man das Gefühl erhält, man lebe im staatlich kontrollierten China. Redaktoren grosser Zeitungen dürfen offen die Diskriminierung von Ungeimpften fordern. Auch wenn der Vergleich einigen unangemessen vorkommen mag, man erhält derzeit als Ungeimpfter eine gewisse Ahnung, wie sich jüdische Leute in Deutschland zu Beginn des NS-Regimes gefühlt haben könnten.
Sehr umfangreicher Artikel aber:
Wie kann ich all diesen Theorien Glauben schenken wenn niemand bekannt gibt was in den Impfflüssigkeiten wirklich enthalten ist?
Es fängt an mit Zellen von ungeborenen Embryonen und steigert sich bis zum reichen Diktator und Weltbeherrscher.
Wenn die Impfung derart erforderlich und unausweichlich ist, wenn die Gefährlichkeit des gentechnischen Experimentes und die allfälligen Langzeitrisiken viel geringer ausfallen als der aktuelle Nutzen, warum wird dann die Impfung nicht schlicht befohlen ?
Die zuständigen Behörden und die Mainstream-Medien sind ja nicht ganz unschuldig, dass viele Leute misstrauisch sind, indem sie sich widersprechende Aussagen (z.B. über die Wirksamkeit von Masken) verbreitet oder uns Informationen (z.B. über die rel. rasche Abnahme der Impfwirkung) vorenthalten haben.