197 Fälle von Menschenhandel
Die Fälle von Menschenhandel nehmen in der Schweiz zu. 11 Prozent mehr als im Vorjahr wurden registriert – längst nicht nur im Sexgewerbe.
Menschenhandel ist in der Schweiz eine bittere Realität. Betroffene arbeiten im Sexgewerbe oder auf Baustellen. Sie werden ausgebeutet, zum Betteln gezwungen, in die Kriminalität getrieben. Im Jahr 2023 wurden 197 Fälle registriert – 11 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Opfer stammen aus 55 verschiedenen Nationen, rund die Hälfte kommt aus afrikanischen Ländern. Das zeigen die neuen Zahlen von Plateforme Traite, der Schweizer Plattform gegen Menschenhandel.
Drei Viertel der Betroffenen sind weiblich. Mit 23 Prozent sind aber auch ausgebeutete Männer keine Randerscheinung. Die Zunahme männlicher Opfer hat laut Plateforme Traite mit einer gesteigerten Sensibilisierung bei Polizei, Spitälern und Beratungsstellen zu tun. Zudem werden männlich dominierte Berufssektoren vermehrt kontrolliert.
Sexuelle Ausbeutung ist zwar am häufigsten, doch auch die Arbeitsausbeutung hat zugenommen. Ein Problem: Viele kritische Fälle werden gar nicht erst erkannt. Das hat zur Folge, dass Betroffene keinen Zugang zu einer sicheren Aufenthaltsbewilligung oder zu Schutzleistungen haben, die ihnen gesetzlich zustehen.
Zu wenig Hilfe für die Opfer
Plateform Traite ist die Dachorganisation von mehreren spezialisierten und regional tätigen Organisationen, darunter der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ). Diese untersuchte in einem neuen Bericht, wie es um den Schutz von Opfern von Menschenhandel in der Schweiz steht.
Während fünf Jahren begleitete und beriet die FIZ rund 300 Betroffene, die in der Schweiz Schutz suchten. Die wichtigsten Punkte aus dem Bericht:
- Mehr Sensibilisierung beim Staatssekretariat für Migration (SEM)
Die Anzahl an Personen, die vom SEM als Opfer von Menschenhandel anerkannt werde, sei gestiegen. Der Zugang zu spezialisierter psychologischer Betreuung sei aber ungenügend. - Ungenügende Unterstützung in den Bundesasylzentren (BAZ)
In den Bundesasylzentren habe sich die Lage kaum verbessert. Sie seien nicht geeignet für Personen, die auf ihrer Flucht mehrfache Ausbeutung erleiden und wiederholt traumatisierende Opfererfahrungen machen mussten, da sie oft besondere Unterstützung und eine geschützte Umgebung benötigten. - Dublin-Abkommen als Gefahr
Aufgrund der Dublin-Regelung müssen laut der FIZ rund 80 Prozent der Fälle zurück in das Land, in dem sie erstmals registriert wurden. Die Chance, dass sie dort erneut Opfer werden, sei gross. Ein Land sticht in der Statistik heraus: Italien. Deshalb kämpfe die FIZ dafür, dass Opfer von Menschenhandel mit Rückführungsland Italien direkt in das Schweizer Asylverfahren aufgenommen werden.
Insgesamt zieht die FIZ eine gemischte Bilanz: Es seien zwar Fortschritte erzielt worden, aber es gebe noch viele Bereiche, in denen Verbesserungen notwendig seien – insbesondere in Bezug auf den Schutz und die Unterstützung von besonders vulnerablen Gruppen wie den Opfern von Menschenhandel.