Seit Jahren gehören die steigenden Gesundheitskosten zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung. Das bestätigt erneut das aktuelle Familienbarometer. Im Vergleich zum Vorjahr müssen wir dieses Jahr durchschnittlich 6 Prozent mehr für die Krankenkassenprämien bezahlen, wie die Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit zeigen.

Die stetig steigenden Kosten scheinen im Parlament die Reformbereitschaft deutlich erhöht zu haben. In der Frühjahrssession haben National- und Ständerat drei wichtige Entscheide getroffen. Aus Sicht der Prämienzahlerinnen und -zahler erweist sich vor allem ein Entscheid als stossend: die Erhöhung der Mindestfranchise.

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Erhöhung der Mindestfranchise

Im schweizerischen Gesundheitssystem stehen für medizinische Behandlungen drei Geldtöpfe zur Verfügung: das Steuergeld der Kantone, die Prämiengelder der Krankenkassen und die Portemonnaies der Haushalte. Wer zum Arzt geht, bezahlt jedes Jahr mindestens 300 Franken komplett aus der eigenen Tasche (bei höherer Franchise bis maximal 2500 Franken entsprechend mehr). Anschliessend noch jeweils 10 Prozent der Rechnungsbeträge, bis 700 Franken erreicht sind. Ein Versicherter mit der höchsten Franchise von 2500 Franken muss also bis zu 3200 Franken selbst bezahlen.

Die St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli und die Thurgauer SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr verlangten in zwei gleichlautenden Vorstössen eine Erhöhung der Mindestfranchise. Die letzte Erhöhung sei im Jahr 2004 erfolgt, seither seien die Kosten für die Grundversicherung massiv gestiegen. Das müsse in der Franchise abgebildet werden. Um welchen Betrag sie steigen soll, sagen Friedli und Gutjahr in den Vorstössen nicht.

Der neue Krankenkassenverband Prio Swiss nennt die Zahl von 500 Franken und bezieht sich damit auf eine Studie der Krankenversicherung Helsana. Gemäss dieser brächte eine Erhöhung auf 500 Franken jährliche Einsparungen von 1,2 Milliarden Franken, da die Versicherten weniger oft zum Arzt gehen würden.

Der Nationalrat nahm Friedlis Vorstoss mit 118 Ja- zu 70 Nein-Stimmen an, der Ständerat hatte bereits in der Herbstsession zugestimmt (24 Ja, 11 Nein). Nun muss der Bundesrat eine Vorlage ausarbeiten.

Das sagt der Beobachter: Reformen sind nötig. Die zentrale Frage dabei aber ist: Wer zahlt die Zeche? Mit der Erhöhung der Mindestfranchise lautet die Antwort des Parlaments: die Bevölkerung. Dabei ist sind die Gesundheitskosten in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern bereits mit Abstand am unsozialsten verteilt. Das ist nicht der richtige Weg, denn die Pfründen der Leistungserbringer, wie sie der Beobachter etwa hier und hier dokumentiert hat, blieben unangetastet. Reformen müssen auf der Kostenseite, etwa bei Einkommen und Profiten der Leistungserbringer, ansetzen und nicht beim Portemonnaie des ohnehin schon gebeutelten Prämienzahlers. Anhaltendes Kostenwachstum führt zu erneuter Prämienerhöhung im Jahr 2025.

Mehr Bundeskompetenzen bei der Spitalplanung

Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist Sache der Kantone. Dazu gehört vor allem die Spitalplanung. Dieses Hoheitsrecht galt lange als unantastbar. Nun stellt ausgerechnet der Ständerat, also die Kammer der Kantonsvertreter, dieses Recht in Frage. Mit grosser Mehrheit und ohne Gegenrede stimmte der Ständerat einem weiteren Vorstoss von Esther Friedli zu (41 Ja, 2 Nein).

Der Vorstoss verlangt, dass die Kantone die Gesundheitsversorgung neu überregional organisieren, die Leistungsaufträge innerhalb von Versorgungsregionen aufeinander abstimmen und gemeinsam erteilen. Bei der Planung von Bettenkapazitäten beispielsweise müsste die Situation in den Nachbarkantonen zwingend mitberücksichtigt werden. Aktuell, so führte Friedli aus, herrsche bei der Spitalplanung noch immer kantonaler Alleingang. Das «Gärtli-Denken» führe zu einem schädlichen Wettbewerb um medizinische Behandlungen und damit zu steigenden statt sinkenden Kosten.

Das sagt der Beobachter: Der Ständerat behandelte das Geschäft als Erstrat. Die Vorlage geht nun in den Nationalrat. Um konkret beziffern zu können, wie sich die Umsetzung auf die Kosten auswirken würde, ist es viel zu früh. Mit der deutlichen Annahme sendet der Ständerat aber ein klares Signal: Bei den kostendämpfenden Reformen gibt es immer weniger Tabus. Das ist grundsätzlich zu begrüssen.

Lockerung des Vertragszwangs

Krankenkassen müssen heute mit jedem medizinischen Leistungserbringer, der über eine Zulassung verfügt, einen Vertrag abschliessen. Dieser berechtigt Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen, Spitäler und andere Leistungserbringer, die erbrachten Behandlungen den Krankenkassen zu verrechnen. Diese müssen dann die Rechnungen bezahlen. Das Geld dafür stammt von den Krankenkassenprämien, die alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz bezahlen müssen.

Das soll sich ändern. Dort, wo es eine Überversorgung gebe, also zu viele Ärztinnen und Ärzte, soll der Vertragszwang gelockert werden. Dadurch soll es auch attraktiver werden, dort zu praktizieren, wo die Versorgung die Höchstzahlen nicht überschreitet. Der Vorstoss des Zuger Mitte-Ständerats Peter Hegglin überzeugte sowohl National- als auch Ständerat. Auch dazu muss der Bundesrat nun eine Gesetzesvorlage ausarbeiten.

Das sagt der Beobachter: Gegen Ärztinnen und Ärzte, die ihre Patienten überbehandeln und damit die Gesundheitskosten in die Höhe treiben, haben die Krankenkassen heute kaum eine Handhabe. Das ändert sich, wenn der Vertragszwang gelockert wird und die Kassen mit solchen Ärzten keine Verträge mehr abschliessen müssen. Die Versicherten dieser Kassen bekommen Behandlungen dieser Ärzte dann nicht mehr vergütet, die freie Arztwahl wird insofern tatsächlich eingeschränkt. Krankenkassen stehen aber untereinander in einem Wettbewerb. Der Ausschluss von Leistungserbringern kann ein Konkurrenznachteil sein. Die Krankenkassen werden es sich deshalb zweimal überlegen, bevor sie zu diesem Mittel greifen. Die freie Arztwahl dürfte deshalb kaum eingeschränkt werden.

Der Beobachter-Prämienticker

Der Prämienticker schaut Lobbyisten und Profiteuren des Gesundheitswesens auf die Finger, deckt Missstände auf und sammelt Erfahrungen von Patienten, die unnötige Ausgaben vermeiden konnten.

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Quellen

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Spitalplanung

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