«Wir müssen den Platz auf der Strasse neu verteilen»
Leih-E-Bikes und E-Trottinetten gehört die Zukunft, sagt Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes. Lebenswerte Städte gebe es nur, wenn jeder Einzelne weniger und mit kleineren Fahrzeugen unterwegs ist.
Veröffentlicht am 21. Dezember 2018 - 09:14 Uhr,
aktualisiert am 20. Dezember 2018 - 16:10 Uhr
Der Verleih von Fahrzeugen wie E-Bikes und E-Trottinetten boomt. Können Sie nachvollziehen, dass sich Fussgänger durch die Mikromobile bedrängt fühlen?
Thomas Sauter-Servaes: Ja, sicher. Die Fussgänger haben Angst, dass sie von einem Trottinett umgefahren werden, die Velofahrer fürchten um ihren Platz auf dem Radstreifen
, und die Autofahrer fühlen sich von den Velofahrern gegängelt. Im Moment zeigt jeder auf den anderen und verteidigt sein Revier. Dabei sollte man sich viel eher überlegen: Wer nimmt auf unseren Strassen am meisten Fläche in Anspruch? Wenn alle Platz haben sollen, muss der Strassenraum neu verteilt werden.
Haben E-Trottinette überhaupt Zukunft?
Wir brauchen sie! Wir befinden uns in der Experimentierphase und müssen jetzt beginnen, kleinen Elektrofahrzeugen wie den Trottinetten Raum zu geben. Wenn wir lebenswerte Städte anstreben und gleichzeitig unsere Klimaziele erreichen wollen, geht das nur, wenn jeder Einzelne weniger und mit kleineren Fahrzeugen unterwegs ist. In Zürich beispielsweise geht rund die Hälfte der Autofahrten über Strecken von weniger als fünf Kilometern. Das ist Verkehr, den man auf E-Bikes
, Trottinette, Segways oder andere Minifahrzeuge verlagern könnte. Es wird künftig noch viel mehr davon geben.
«Für die Fläche, die man mit einem Auto beansprucht, zahlt man keinen angemessenen Preis.»
Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher
Trottinette werden wohl nicht von denen benutzt, die jetzt Auto fahren.
Im Moment wahrscheinlich nicht, aber langfristig könnte sich das ändern. Wenn es gelingt, aus einzelnen Bausteinen wie dem öffentlichen Verkehr, E-Trottinetten und Velos ein Gesamtangebot
zu schaffen, das emotional und funktional gleichwertig ist mit dem Auto, sehe ich grosse Chancen. Dann könnte es gut sein, dass mehr Leute aufs Auto verzichten und ihre Gewohnheiten ändern.
Wie könnte ein solches Angebot aussehen?
In Helsinki gibt es eine App namens «Whim». Damit kann man Billette für den öffentlichen Verkehr lösen, Taxifahrten bezahlen und Autos oder Velos mieten. Die App zielt auf Leute ab, die das Auto nicht jeden Tag brauchen, sich bisher aber aus Routine eines leisten. Warum? Weil es zu billig ist. Für die Fläche, die man mit einem Auto beansprucht, und für die CO2-Emission zahlt man keinen angemessenen Preis. Verschiedene Autohersteller haben die Zeichen der Zeit erkannt. So betreibt Daimler eine Internetplattform, über die man Fahrzeuge mieten, Parkplätze buchen und Bahntickets kaufen kann. Das Ziel ist, für jede Wegstrecke den adäquaten Mobilitätsservice anzubieten.
Sind Sie sicher, dass wir dazu bereit sind?
Aktuell würde ich sagen: nein. Das Angebot ist einfach noch nicht bequem genug. Im Moment gibt es tausend verschiedene Angebote, und für jedes muss man eine App herunterladen. Das kann nicht funktionieren. Wenn aber Systeme entwickelt werden, die unterschiedliche Varianten der Mobilität bequem bündeln
, dann sehe ich eine Zukunft. Ein anderer Faktor ist: Klimabelastende Mobilitätsformen wie Autofahren und Fliegen müssen teurer werden. Ich als Hochschulmensch kann das leicht sagen, ich muss das ja nicht politisch durchsetzen.
«Es wird eigene Spuren geben für Velos, Fussgänger, Autos.»
Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher
Wie stellen Sie sich die Stadt der Zukunft vor?
Ich kann mir vorstellen, dass wir beginnen, einzelne Quartiere vom Autoverkehr zu befreien. Entsprechende Überlegungen gibt es in Madrid, London und Oslo. Es muss nicht jeder mit dem Auto bis vor die Haustür fahren
. Und es wird eigene Spuren geben für Velos, Fussgänger, Autos.
Die Strecke von Zürich nach Bern, die heute stark überlastet
ist, wird aber nie jemand mit dem E-Trottinett bewältigen.
Sicher nicht. Die Frage ist für mich aber, ob dieser Verkehr wirklich physisch stattfinden muss oder ob man ihn teilweise virtualisieren kann. Neulich habe ich via Skype einen halbstündigen Vortrag in Deutschland gehalten: Es war eine Katastrophe; die Verbindung ist zweimal abgestürzt. Wenn es allerdings gelingt, diese Technologien markant zu verbessern, haben sie Zukunft. Wir sind im Moment auch diesbezüglich noch in der Steinzeit. Aber ich glaube, es besteht viel Potenzial.
Zur Person
Zu Verkehrsregeln existieren viele Mythen bei Fahrzeuglenkern. Der Beobachter räumt mit Unsicherheiten auf: Mitglieder informieren sich hier nicht nur über aktuelle Änderungen im Strassenverkehrsrecht, sondern sehen zum Beispiel auch im Bussenkatalog, wie hoch die Geldstrafe je nach Geschwindigkeitsüberschreitung ist.
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