«Wer die Liebe pflegt, wird sie erhalten»
Um die Liebe lebendig zu halten, müssen Paare jeden Tag an sich arbeiten. Wie, weiss Beobachter-Kolumnist Guy Bodenmann.
Veröffentlicht am 2. Februar 2024 - 14:29 Uhr
Meine letzte Kolumne endete mit der Feststellung, dass die Liebe sehr wohl lange dauern kann, dass es vor allem eine Frage des Wollens sei. Hier will ich anknüpfen und erörtern, wie es gelingen kann, einen Menschen auch nach Jahren noch zu lieben. In der Forschung erfasst man meist nicht direkt Liebe, sondern Intimität , Beziehungszufriedenheit oder Partnerschaftsqualität, welche mit Liebe eng zusammenhängen oder ein Produkt der Liebe sind.
Das Hauptergebnis vorweggenommen: In allen längsschnittlichen Untersuchungen nimmt die Beziehungszufriedenheit oder Partnerschaftsqualität über die Zeit im Durchschnitt ab. Was gut begann, hält nicht lange an – die Liebe schwindet. Daraus wurde gefolgert, dass Liebe nicht von Dauer sei.
Erklärt wird dies unter anderem mit der sogenannten Verstärkererosion. Damit ist gemeint, dass Eigenschaften, die einen zu Beginn anziehen und faszinieren , mit der Zeit ihre Wirksamkeit verlieren. So haben es schöne, reiche, humorvolle und intelligente Menschen zwar leichter beim Daten. Aber sie haben keine besseren Chancen auf langfristiges Beziehungsglück. Zu schnell gewöhnt sich der Partner, die Partnerin an diese positiven Attribute, sie werden mit der Zeit uninteressant. Neues hat einen stärkeren Anreiz, selbst wenn die Person weniger schön oder erfolgreich ist als der aktuelle Partner oder die aktuelle Partnerin.
Sieht man sich die Partnerschaftsverläufe jedoch genauer an, stellt man fest: Rund 20 Prozent der Paare scheinen auf Dauer glücklich zu bleiben. Wie gelingt ihnen das?
«Die Liebe ist kein Selbstläufer. Nur wer sie pflegt, wird sie erhalten können.»
Guy Bodenmann, Paartherapeut
Als relevant dabei erweisen sich insbesondere die folgenden sechs Aspekte:
- Die sogenannte Passung: Wie gut zwei Menschen zusammenpassen, zeigt sich darin, dass sie in Bezug auf wichtige Wertvorstellungen, Einstellungen, Ziele und Aktivitäten übereinstimmen und emotional harmonieren.
- Positive Gefühle: Hier gehts um eine tiefe gegenseitige Zuneigung, um wechselseitiges Gernhaben und das Geniessen, wenn man zusammen ist beziehungsweise das Vermissen, wenn der andere abwesend ist.
- Eine positive Einstellung sieht man daran, dass man sich gegenseitig respektiert und wertschätzt, dass man eine positive Sicht vom anderen bewahrt und an ihn/sie denkt, wenn er/sie nicht da ist.
- Persönlichkeitseigenschaften wie psychische Stabilität, Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Toleranz und Grosszügigkeit sowie die Fähigkeit zum Verzeihen und Versöhnen sind ebenfalls wichtig. Menschen, die mit sich im Lot sind und fünf auch mal gerade sein lassen können, werden auch in der Partnerschaft erfolgreicher sein und ihre Liebe leichter bewahren können.
- Beziehungskompetenzen wie Kommunikationsfertigkeiten sowie die Fähigkeit, Probleme zu lösen und gemeinsam Stress zu bewältigen. Last, not least braucht es auch Kompetenzen zum Erhalt einer lebendigen Sexualität.
- Die oben erwähnten Aspekte sind wichtig. Doch für langfristige Liebe reichen sie nicht. Commitment ist ausschlaggebend. Dazu gehört der Wunsch nach Langfristigkeit der Beziehung und das aktive Bemühen darum. Dabei geht es um tägliche Investitionen in die Liebe. Nur wer die Liebe pflegt, wird sie erhalten können, denn die Liebe ist kein Selbstläufer.
Klar ist: In das komplexe Projekt langfristige Liebe müssen beide Liebenden vom ersten Tag an investieren. Nicht erst, wenn die Beziehung bereits in Schieflage ist.
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