Bettina Abegg* geht es finanziell gut. Zumindest wenn sie sich mit anderen alleinerziehenden Müttern vergleicht. Im Alter aber wird sie mit wenig Geld auskommen müssen. Denn viel Rente wird sie nicht haben.

Abegg lebt seit sechs Jahren von ihrem Ex-Mann getrennt, seit drei Jahren ist sie geschieden. Zwei der drei Söhne leben bei ihr, der eine 11, der andere 13 Jahre alt. Für deren und ihren Unterhalt bekommt sie von ihrem Ex-Mann 3800 Franken im Monat. Sie selber arbeitet zu 60-Prozent als Serviererin in einem Restaurant, der Lohn beträgt 2400 Franken brutto. «Ich kann wirklich nicht klagen», sagt die 41-Jährige.

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Aber: Trotz eines Haushaltseinkommens von 6200 Franken ist ihr Pensionskassenkonto praktisch leer. Und auch in die AHV zahlt sie zurzeit so wenig ein, dass es später wohl nur zu einer kleinen Rente reicht. Denn Sozialversicherungsbeiträge zahlt und bekommt man nur auf den Lohn. Bei 2400 Franken im Monat sind das in ihrem Fall gerade mal gut 800 Franken im Jahr, die auf ihr Pensionskassenkonto gehen. Für die Jahre, in denen sie die Kinder betreut und nur Teilzeit arbeiten kann, droht ihr sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Säule der Altersvorsorge ein Loch Rentenlücke Und was kann ich jetzt tun? .

Vor allem Mütter betroffen

Wie der Mutter aus dem Kanton Schwyz geht es vielen Alleinerziehenden. Oft schaffen sie es mit ihrem Teilzeit-Lohn gar nicht über ein Jahreseinkommen von 21'330 Franken, ab dem Beiträge an die Pensionskasse anfallen. Oder die Einkommen stammen von mehreren Jobs: Abegg etwa arbeitete bis vor kurzem einmal zu 20 Prozent und einmal zu 30 Prozent in Restaurant-Küchen, dazu zu 30 Prozent für einen Briefzusteller. Trotz 80-Prozent-Arbeitspensum ging kein Geld in die Berufliche Vorsorge.

«Bei Alleinerziehenden ist das Risiko besonders gross, dass sie im Alter arm sind», sagt Roger Baumeler von Verein Alleinerziehende Mütter und Väter Luzern. Er fordert deshalb, dass künftig auch Alimente Sozialversicherungsbeiträge enthalten. Heute werden die Alimente aufgrund des Netto-Einkommens des Alimentenzahlers festgesetzt. Die AHV- und Pensionskassenbeiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind dann schon weg – sie gehen vollumfänglich in die Altersvorsorge des Alimentenzahlers. In den meisten Fällen also an den Mann.

Petition lanciert

Der Luzerner Verein hingegen will, dass die Alimente direkt vom Bruttolohn abgezweigt werden. Wenn beispielsweise Bettina Abeggs Ex-Mann einen Viertel seines Lohnes an sie überweisen muss, soll auch ein Viertel seiner Sozialversicherungsbeiträge Lohnabrechnung Welche Abzüge gehen vom Gehalt weg? an Abeggs AHV und Pensionskasse gehen. «Das ist nur fair. Alimente sind dazu da, dass für jenen Elternteil, der die Kinder betreut, keine finanziellen Nachteile entstehen», sagt Baumeler.

Der Verein Alleinerziehender Mütter und Väter hat eine Petition lanciert, die er im Frühling dem Bundesamt für Sozialversicherungen übergeben will. Bisher laufe das Sammeln gut, sagt Baumeler. «Das Problem ist offensichtlich, die Lösung pragmatisch.». Durch eine gerechtere Aufteilung der Altersvorsorge seien später zudem weniger Leute auf Ergänzungsleistungen Lebensunterhalt Wer kann Ergänzungsleistungen beantragen? angewiesen. «Die öffentliche Hand wird entlastet.»

Noch viele Fragen offen

Ganz so einfach, wie das bei Baumeler klingt, ist der Vorschlag jedoch kaum umsetzbar. So müsste der Arbeitgeber des Alimentenzahlers einen Vertrag mit der Pensionskasse des Alimentenempfängers eingehen. Dabei sind viele Alimentenempfänger gar nicht an eine Pensionskasse angeschlossen, weil sie zu wenig verdienen.
 

«Es gehört zur Selbstverantwortung, dass man in seinem Budget auch die Vorsorge fürs Alter einplant.»

Oliver Hunziker, Verein für elterliche Verantwortung


Weiter ist unklar, wie der Pensionskassenbeitrag berechnet würde. Denn um die Höhe der Alimente festzusetzen, wird jeweils das gesamte Jahreseinkommen des Expartners angeschaut. Pensionskassenbeiträge entfallen jedoch nur auf dem koordinierten Jahreslohn, jenem Teil über dem sogenannten Koordinationsabzug von knapp 25'000 Franken. Ebenfalls gelten juristisch gesehen die Alimente für Kinder nicht als Zahlung an den Expartner. Ihm die Sozialversicherungsbeiträge gutzuschreiben, würde diesem Prinzip widersprechen.

Wie funktioniert die Pensionskasse?

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Achtung: Seit 2023 müssen Angestellte 22’050 Franken jährlich verdienen, um bei der Pensionskasse des Arbeitgebers obligatorisch versichert zu sein.
Quelle: Beobachter Bewegtbild
Bestehende Möglichkeiten nutzen

Aus diesen Gründen steht Oliver Hunziker dem Vorschlag kritisch gegenüber. Er ist Präsident des Vereins für elterliche Verantwortung, und vertritt Väter und Mütter, die von ihren Kindern getrennt leben. «Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Vorschlag umgesetzt werden soll.»

Das Anliegen sei auf den ersten Blick zwar berechtigt. Es gebe für Alleinerziehende jedoch einfachere Möglichkeiten, für das Alter vorzusorgen . Das Unterhaltsrecht erlaube es, dass man einen Vorsorgeunterhalt definiere. Mit diesem Geld könne der Empfänger ein Konto der dritten Säule eröffnen. «Generell gehört es zur Selbstverantwortung, dass man in seinem Budget auch die Vorsorge fürs Alter einplant.» Wichtig sei, dass die Behörden über die Möglichkeiten dafür informieren.

Rechtsratgeber
Merkblatt «Scheidungsalimente»

Wonach entscheiden die Gerichte, wie der nacheheliche Unterhalt festgesetzt wird? Beobachter-Mitglieder erfahren im Merkblatt «Scheidungsalimente» unter anderem, nach welcher Methode sich die Höhe der Scheidungsalimente sowie der Grundbedarf je nach Lebenssituation bemisst und wie die Ex-Eheleute nachträglich die Alimente ändern können.

Skeptisch ist auch Ruth Humbel, Sozialpolitikerin und CVP-Nationalrätin aus dem Aargau. Sie will das Problem anders angehen. Bei der ersten Säule verweist sie auf die Erziehungsgutschriften. Diese werden bei einer Ehe hälftig beiden Partnern angerechnet. Wenn nach der Trennung einer allein die Sorge für die Kinder übernimmt, bekommt er für diese Jahre den ganzen Betrag. «Somit sollten Lücken bei der AHV vermieden werden.»

Bei der zweiten Säule hingegen seien Änderungen nötig. Teilzeitarbeit müsse besser versichert werden. Möglich wäre das, wenn man die Eintrittsschwelle für Pensionskassenbeiträge sowie den Koordinationsabzug senken würde, sagt Humbel. «Nicht nur Alleinerziehende – alle Teilzeitarbeitenden könnten so einfacher eine zweite Säule aufbauen.»

Wann braucht man das Geld am nötigsten?

Die Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker rät den Petitionären, sich mit ihrem Anliegen an eine Partei, einen Politiker oder eine Politikerin zu wenden – damit diese einen Vorstoss im National- oder Ständerat machen können. Der Bundesrat wäre dann aufgefordert, verschiedene Lösungen aufzuzeigen.

Schenker verweist zudem auf die Möglichkeit, sich auch bei mehreren kleineren Pensen Pensionskassenbeiträge zu sichern, zum Beispiel über die Stiftung Auffangeinrichtung BVG des Bundes. Zu einer generellen Senkung der Eintrittsschwelle, wie sie Humbel vorschlägt, sagt sie hingegen: «Gerade Alleinerziehende sind oft auf jeden Franken angewiesen. Wenn Sie dann noch Pensionskassenbeiträge bezahlen müssen, spüren sie das empfindlich.»

Lieber ohne Partei

Roger Baumeler vom Verein Alleinerziehender kennt all diese Einwände. Er verweist auf die politische Anschauung, die sich darin wiederspiegele und die Tendenz, immer gleich das grosse Ganze verändern zu wollen. Bewusst suchen er und seine Mitstreiter deshalb keine Zusammenarbeit mit einer politischen Partei, sondern wollen direkt ans Bundesamt für Sozialversicherungen gelangen. «Wir benennen das Problem und zeigen eine Lösung auf. Von den Experten im Bundesamt erwarten wir, dass sie Möglichkeiten zur Umsetzung ausloten und in die Politik einbringen», sagt Baumeler.

Das Bundesamt selbst schreibt auf Anfrage, es könne sich erst zu einer Petition äussern, wenn sie eingegeben und behandelt worden sei. «Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es sich bei diesem Thema um eine sehr komplexe Frage handelt.»
 

*Name geändert

So funktioniert das Vorsorgesystem

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Aufbau der drei Säulen der schweizerischen Altersvorsorge.
Quelle: Beobachter Bewegtbild
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Arbeitnehmende zahlen jahrelang in die Pensionskasse (zweite Säule) der Arbeitgeberin ein, bei einem Stellenwechsel manchmal sogar in mehrere. Der Beobachter bietet seinen Mitgliedern mit Hilfe von Merkblättern und Vorlagen eine optimale Entscheidungsgrundlage. Etwa zu den Fragen, ob sich ein Einkauf in die Pensionskasse lohnt oder wie ein Budgetplan hilft, um Einkünfte und Ausgaben im Pensionsalter im Griff zu haben.

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