«Herr Schmid, Sie sind verhaftet!»
Die Polizei kann Personen vorsorglich festnehmen, wenn sie dringend einer Straftat verdächtigt werden. Ein Blick hinter verschlossene Türen.
aktualisiert am 18. Februar 2020 - 14:41 Uhr
Otto Schmid ist im Visier der Strafbehörden. Er wird dringend verdächtigt, einer älteren Dame ihr Geld aus der Tasche gezogen zu haben. Die Behörden befürchten, dass er sich mit Komplizen absprechen und Beweise vernichten könnte. Deshalb überrascht ihn die Polizei zu Hause – und verhaftet ihn . Schmid wird abgeführt und kommt in U-Haft.*
1. Der Verdächtige landet im Gefängnis
Ob Otto Schmid nach seiner vorläufigen Festnahme definitiv in Untersuchungshaft kommt, entscheidet das Gericht – spätestens vier Tage nach der Festnahme. Wenn es die U-Haft anordnet, wird Schmid ins Gefängnis überführt.
2. Er wird informiert
Otto Schmid wird über seine Rechte und Pflichten
aufgeklärt. Er erhält ein Merkblatt in einer ihm verständlichen Sprache.
3. Seine Daten werden erfasst
Schmid muss seine Personalien angeben und wird fotografiert.
4. Er muss die Taschen leeren
Ungefährliche persönliche Gegenstände wie Schmuck oder kleinere Andenken darf Schmid behalten. Alles andere, auch das Bargeld, muss er abgeben. Es wird aufbewahrt und ihm bei der Entlassung zurückgegeben.
5. Er erhält Dinge des täglichen Bedarfs
Dazu gehören etwa fehlende Kleidung, Wäsche oder ein Set mit den wichtigsten Hygieneartikeln. Zur Prävention von sexuell übertragbaren Krankheiten bekommt er Präservative.
6. Er wird befragt und untersucht
Schmid muss zum medizinischen Eintrittsuntersuch und zum Gespräch mit dem Sozialdienst. Dabei wird etwa geklärt, wie es mit seinem Arbeitgeber und einer Wohnung weitergeht.
7. Er bezieht seine Zelle
Otto Schmid muss das Zelleninventar anhand einer Liste prüfen und melden, wenn Gegenstände fehlen oder defekt sind.
8. Er verlässt die U-Haft
Wenn Schmids Aufenthalt hinter Gittern zu Ende geht, heisst es: aufräumen. Das Aufsichtspersonal kontrolliert seine Zelle und prüft, ob noch alles Inventar da ist.
9. Er erhält seine Sachen zurück
Dazu gehört auch das Bargeld, das man ihm beim Eintritt abgenommen hat. Falls er völlig ohne Geld gekommen ist, wird man ihm ein paar Franken geben, damit er sich etwa ein Zugbillett kaufen und nach Hause fahren kann – ohne sich strafbar machen zu müssen.
10. Die U-Haft endet
Die Untersuchungshaft endet, wenn die Staatsanwältin die Freilassung verfügt – oder wenn sie eine Anklage vor Gericht erhebt. Dann kommt Schmid nicht zwingend frei. Es kann sein, dass er inhaftiert bleibt, bis das Gericht rechtskräftig über Schuld- oder Freispruch entschieden hat; man spricht hier von der sogenannten Sicherheitshaft. Sollte Schmid am Ende schuldig gesprochen werden, kommt es erst zur eigentlichen Strafe – etwa einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe.
* Je nach Gefängnis und Kanton können die Abläufe geringfügig abweichen.
Übt der Staatsanwalt bei der Einvernahme Druck auf die beschuldigte Person aus, ist es besser, wenn man seine Rechte kennt. Beobachter-Mitglieder erfahren in der Checkliste «So kommen Sie bei der Staatsanwaltschaft nicht unter die Räder», wie die Einvernahme abläuft und wie sie taktisch klug vorgehen können.
- Essen
U-Häftlinge bekommen genügend gesundes Essen. Sie haben Anspruch darauf, dass dabei auf ihre Religion Rücksicht genommen wird.
- Sport
U-Häftlinge dürfen sich in ihrer Zelle bewegen und trainieren. Das Gefängnis kann dafür etwa Hanteln aus Plastik zur Verfügung stellen. Unter Umständen gibt es einen Fitnessraum.
- Frischluft
U-Häftlinge dürfen sich täglich an der frischen Luft aufhalten – in der Regel aber bloss für eine Stunde, in einem gesicherten Spazierhof. Die Gefängnisleitung kann anordnen, dass sie nicht zusammen mit anderen Häftlingen im Freien sind.
- Medikamente
U-Häftlinge dürfen diejenigen Medikamente bei sich haben und einnehmen, die ihnen verschrieben wurden. Von der Gefängnisärztin verschriebene Medikamente müssen sie unter Umständen unter Aufsicht einnehmen.
- Alkohol und Rauchen
U-Häftlinge dürfen weder Alkohol noch andere Drogen konsumieren. Im Gefängnis gilt grundsätzlich ein Rauchverbot. Die Gefängnisleitung kann aber gewisse Zonen festlegen, in denen geraucht werden darf, etwa im Spazierhof sowie in der Zelle.
- Beratung
U-Häftlinge können bei persönlichen Problemen im Zusammenhang mit der Haft eine Sozialberatung verlangen. Wenn sie mit einem Religionsvertreter sprechen möchten, können sie sich bei der Gefängnisleitung melden.
- Anwalt
U-Häftlinge haben jederzeit das Recht, sofort einen Anwalt beizuziehen. Mit ihm dürfen sie sich schriftlich und mündlich frei austauschen und etwa über mögliche Verteidigungsstrategien sprechen. Ihre Korrespondenz wird nicht kontrolliert, die Besuche des Anwalts finden in einem Raum ohne Trennscheibe statt.
- Post
U-Häftlinge dürfen Briefe schreiben und empfangen. Die Staatsanwaltschaft kontrolliert aber ihre ganze ein- und ausgehende Korrespondenz.
- Besuch
U-Häftlinge dürfen Besuch empfangen , in der Regel mindestens einmal pro Woche für eine Stunde – aber nur wenn die Staatsanwältin das bewilligt. Der Besuchsraum ist oft mit einer Trennscheibe versehen. Wenn nötig, werden U-Häftlinge bei Besuchen überwacht, und ihre Gespräche werden aufgezeichnet. Sie dürfen nicht über ihren Fall sprechen oder heimliche Botschaften austauschen.
- Unterhaltung
U-Häftlinge können Bücher, Zeitungen, CDs, DVDs und die entsprechenden elektronischen Geräte beziehen. Auch Fernsehen ist erlaubt. Allenfalls ist die Zelle sogar mit einem TV-Gerät ausgestattet. Oft lässt sich einem Infokanal entnehmen, wann es zu essen gibt oder zu welcher Zeit man duschen und spazieren gehen kann.
- Geld
Bargeld wird U-Häftlingen abgenommen und hinterlegt. Das Gefängnis führt für sie ein Konto.
- Geschenke
Angehörige dürfen U-Häftlingen Sachen mitbringen . Geeignet sind etwa Obst, haltbare Esswaren, Süsses oder Toilettenartikel – sofern verschlossen und originalverpackt. Nicht erlaubt wären etwa selbstgebackene Kuchen, Gewürze, Kerzen oder Blumen.
- Einkaufen
U-Häftlinge können beim Gefängnis Waren bestellen, die sie für ihren Aufenthalt benötigen, Lebensmittel, Toilettenartikel oder Zigaretten. Bezahlt wird durch den verfügbaren Betrag auf dem Insassenkonto.
- Reinigung
U-Häftlinge müssen ihre Zelle sauber halten. Jeden Morgen müssen sie sie reinigen und ihr Bett in Ordnung bringen.
- Kleidung
In der Regel tragen U-Häftlinge ihre eigenen Kleider. Ganz frei sind sie in Art und Grad der Bekleidung nicht – grundsätzlich müssen sie so angezogen sein, dass sie die Zelle stets verlassen können.
- Arbeit
U-Häftlinge sind nicht zur Arbeit verpflichtet. Wer sich freiwillig meldet, muss die Arbeit aber zwingend leisten. Entgelt ist obligatorisch und wird dem Insassenkonto gutgeschrieben.
- Telefon
U-Häftlingen ist es verboten, vom Gefängnis aus zu telefonieren. Ihr Mobiltelefon müssen sie beim Eintritt abgeben.
- Computer
U-Häftlinge dürfen keinen privaten Computer in die Zelle nehmen. Sie können allenfalls einen Gefängnis-PC nutzen, der mit gängigen Office-Anwendungen ausgestattet ist. Internetzugang gibt es nicht.
- Hygiene
U-Häftlinge sind verpflichtet, sich regelmässig zu pflegen. Ihre Duschzeit ist aber beschränkt – es kann sein, dass sie nur zweimal wöchentlich Anspruch auf eine zehnminütige Dusche haben.
Deuten Anzeichen darauf hin, dass ein Straftatbestand erfüllt ist, leitet die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung ein. Mitglieder des Beobachters erfahren, wie ein solches Verfahren abläuft und welche Rechte Beschuldigte haben, wenn ihnen etwa eine Untersuchungshaft, eine Beschlagnahmung oder eine Hausdurchsuchung droht.