Essen für ein kluges Köpfchen
Geistige Fitness bis ins hohe Alter ist teils genetisch bedingt. Aber auch die richtige Ernährung hilft, damit das Hirn möglichst lange leistungsfähig bleibt.
aktualisiert am 19. Januar 2022 - 10:02 Uhr
Keine Frage: Unser Hirn altert ebenso wie der restliche Körper, die Hirnmasse schwindet. Kaum ist das Hirn ausgereift, verringert sich sein Volumen nach der Pubertät bereits wieder. Ab der Lebensmitte – bei entsprechender Unterforderung auch schon früher – beginnt überdies der geistige Abbau. Alle informationsverarbeitenden Prozesse des Gehirns, die sogenannten kognitiven Funktionen wie die Wahrnehmung, das Denken und Lernen, das Gedächtnis, aber auch das Sprachvermögen und das bewusste Handeln, lassen nach.
Doch das ist kein Grund, den Kopf hängen zu lassen: Unsere Lebensgewohnheiten haben einen grossen Einfluss darauf, wie schnell die Hirnsubstanz schwindet. Obwohl auch der genetische Bauplan für die Gesunderhaltung des Gehirns eine Rolle spielt – viele Erkrankungen des alternden Gehirns beruhen auf Gendefekten –, ist hauptsächlich die Art, wie wir leben, entscheidend für das Tempo der biologischen Hirnalterung.
Mit einer guten Ernährung kann man viel dazu beitragen, dass das Hirn möglichst lange leistungsfähig bleibt. Zwar gibt es genau so wenig ein Wundermittel, das uns über Nacht zum Genie reifen lässt, wie es auch keinen Zaubertrank gibt, mit dem man sich schön trinken kann. Mit der richtigen Ernährung werden wir nicht schlagartig schlauer, aber ausgewogen und abwechslungsreich zu essen hilft, das Hirn optimal zu versorgen, sein Potenzial auszuschöpfen und kognitiven Defiziten vorzubeugen.
Weil das Hirn selber keine Energie speichern kann, ist es auf eine stetige Nährstoffzufuhr angewiesen. Lange Essenspausen führen zu Blutzuckerschwankungen und folglich zu Konzentrationsmangel und nachlassender geistiger Leistung. Kleine Zwischenmahlzeiten gewährleisten, dass das Hirn mit ausreichend Energie versorgt wird. Dabei reicht oft ein Apfel.
Die gesündesten Energiequellen sind komplexe Kohlenhydrate (Vollkornprodukte, Vollreis, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Gemüse und Obst), gute Eiweissquellen (Fisch, mageres Fleisch und Milchprodukte, Nüsse und Eier) und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, allen voran Omega-3-Fettsäuren (insbesondere in Kaltwasser- und Hochseefischen sowie in Lein- und Rapsöl).
Logischerweise braucht es auch Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, die mit einer ausgewogenen Ernährung in der Regel ausreichend aufgenommen werden. Sogenannte Kreuzblütler-Gemüsesorten wie Kohl (Rot-, Weiss-, Blumen-, Rosenkohl, Broccoli, Kohlrabi), Wasabi, Meerrettich, Rüebli, Radieschen, Raps, Senf, aber auch Grüntee (vor allem Matcha) unterstützen wichtige Entgiftungsenzyme und helfen so, vorhandene Gifte in den Hirnzellen auszuscheiden und letztere vor Schäden oder gar vorzeitigem Untergang zu bewahren.
Eine Mangel- oder unausgewogene Ernährung haben hingegen einen wesentlichen Einfluss auf die Hirnalterung und die psychische Gesundheit. Insbesondere ein Mikronährstoffmangel macht dem Hirn zu schaffen (fehlende Vitamine, Mineralien und Spurenelemente).
Nutzen wir unsere volle Hirnleistung?
Auch sogenannte neuroprotektive Substanzen sind gut fürs Gehirn. Der Begriff neuroprotektiv bedeutet «die Nervenzellen schützend». Diese Substanzen braucht es als Gegengewicht zu den freien Radikalen. Bei diesen handelt es sich um aggressive Sauerstoffradikale, die als Abfallprodukte des Stoffwechsels entstehen.
Sauerstoffradikale sind ausgesprochen schädliche Sauerstoffverbindungen; sie spielen beim Alterungsprozess eine entscheidende Rolle, auch bei demjenigen des Gehirns und des Nervensystems. Oxidativer Stress meint ein Übermass an solchen freien Radikalen, das der Körper nicht oder nur unzureichend mithilfe eigener Antioxidantien und Entgiftungsmassnahmen neutralisieren kann.
Antioxidativ wirkende Substanzen schützen nicht nur die Hirnzellen, sondern alle Körperzellen. Die wichtigsten Radikalfänger sind die Vitamine B6, B9 (Folsäure), B12, C, E und Betacarotin (Vorstufe von Vitamin A), Koenzym Q10, OPC und Resveratrol, Zink und Selen (siehe Infobox unten «Das sind Antioxidantien»).
Weitere Neuroprotektiva sind:
- Omega-3-Fettsäuren (DHA und EPA) verbessern die kognitive Leistungsfähigkeit, die Wahrnehmung und das Gedächtnis
- Ginkgo, das die Hirndurchblutung fördert, Konzentrationsmangel und Vergesslichkeit mindert und bei Schwindel hilft
- Kurkumin , das eine entzündungshemmende Wirkung hat
- Melatonin, das einerseits vom Körper gebildet wird, aber auch in Pistazien, Cranberrys und Pilzen zu finden ist und das bei einem Mangel zu Schlafstörungen und Depressionen führen kann
- BDNF (Brain-derived neurotrophic factor), das in allen Körpergeweben vorkommt, die Nervenzellen beinhalten; sie schützen die Nervenzellen und Synapsen
- Maca, eine südamerikanische Pflanze, die einem Radieschen ähnelt und Gedächtnis und Lernfähigkeit anregt
- Selen ist ein lebenswichtiges Spurenelement; es stabilisiert das Immunsystem und dient der Ausleitung von neurotoxischen Schwermetallen aus dem Körper.
- Cannabidiol ist einer der über 60 Inhaltsstoffe der Hanfpflanze und schützt die Nervenzellen, weil es entzündungshemmend und antioxidativ wirkt. Es scheint das Absterben von Nervenzellen sowie oxidativen Stress im Gehirn zu reduzieren.
Antioxidantien schützen die Hirnzellen vor den zellzerstörenden Sauerstoffradikalen. Sehr potente Antioxidantien finden sich in Trauben- und Grapefruitkernen; so kommen die Oligomeren Proanthocyanidine (OPC) und Resveratrol vor allem im Rotwein und in Beeren vor. Resveratrol schützt die Pflanzen vor zu viel UV-Licht, Parasiten und Pilzen. Genau genommen ist es ein schwaches Gift, eine chemische Waffe der Pflanze, die sie vor Schaden bewahrt. Biotrauben beinhalten mehr Resveratrol, weil sie sich ohne die Unterstützung von Pestiziden und Fungiziden gegen ungünstige Umwelteinflüsse wehren müssen.
Stark antioxidativ wirken auch die Vitamine A, B, C, D und E, das Koenzym Q10 sowie Zink, Selen und Karotinoide (z.B. Lycopin in reifen Tomaten, Betacarotin in Rüebli). Mikronährstoffe und Antioxidantien sollten dem Körper vorzugsweise in Form einer abwechslungsreichen Ernährung zugeführt werden («Fünf Portionen Gemüse und Früchte am Tag» ). Der Körper kann die natürlichen Stoffe besser verwerten als künstliche, hoch dosierte Monopräparate, die in manchen Fällen sogar schädlich sein können.
In Gemüse und Früchten sind je nach Sorte nicht weniger als 20’000 bis 30’000 der gesundheitlich wertvollen sekundären Pflanzeninhaltsstoffe angereichert! Die körpereigenen Antioxidantien Melatonin und Glutathion nehmen im Gehirn beide mit zunehmendem Alter ab.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch «Der Schlüssel zum Gehirn – nutze dein Potential» von Robert G. Koch, Beobachter Edition