Was ist umweltfreundlicher?
Beim Onlinehandel kann ein einzelnes Fahrzeug ein ganzes Quartier beliefern. Vor allem die Käufer sorgen dafür, dass die Ökobilanz dennoch nicht besser ist als beim Einkauf im Laden.
Veröffentlicht am 27. August 2018 - 16:05 Uhr,
aktualisiert am 28. August 2018 - 15:17 Uhr
Was ist umweltfreundlicher, online einkaufen oder im Laden? «Online. Jedenfalls dann, wenn man mehrere Waren beim gleichen Händler bestellt und auf dem Land wohnt», sagt Wolfgang Stölzle, Professor für Logistikmanagement an der Uni St. Gallen. «Im Laden. Aber nur, wenn man die Einkäufe mit dem Velo nach Hause bringt», sagt Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher an der ZHAW Winterthur.
Die Antworten der beiden Experten zeigen: die Ökobilanz des Einkaufs hängt von den Umständen ab. Ein wichtiger Faktor ist der Transport. Hier sehen beide Forscher den grossen Vorteil des Onlinehandels. Denn die Transportfahrzeuge der Auslieferfirmen beliefern mehrere Kunden auf einmal. Beim Einkauf im Laden hingegen ist jeder Käufer selbst unterwegs. Und das am liebsten im Auto – dem klimaschädlichsten Transportmittel überhaupt . «Viele Autokilometer für einzelne Einkäufe belasten die Umweltbilanz des stationären Einkaufs am stärksten», sagt Wolfgang Stölzle.
Der Logistik-Professor hat in einer Studie die CO2-Emissionen auf der «letzten Meile» untersucht, dem Weg der gekauften Artikel vom Laden oder Verteilzentrum nach Hause. Es ist die bisher einzige Untersuchung zum Thema, die sich mit der Situation in der Schweiz befasst. Sie ergab zum Beispiel:
- Kauft jemand ein einzelnes Produkt, etwa einen Fernseher, ist es klimafreundlicher, ihn online zu bestellen. Eben darum, weil der gleiche Lieferant auch noch einen zweiten Fernseher eine Strasse weiter ausliefert.
- Geht jemand hingegen auf Shoppingtour ins Einkaufszentrum
, ist die Schadstoff-Bilanz besser, als wenn er das Buch, die Jeans und die Blumenvase einzeln im Netz bestellt. Erst recht, wenn die bestellte Jeans am Ende nicht passt.
«Die Bündelung muss das Ziel sein, ob beim Onlinehandel oder im Laden.»
Wolfgang Stölzle, Logistikmanagementsforscher
Stölzle und seine Mitarbeiter haben für die Studie Daten von verschiedenen Paketdienstleistern verwendet, wie etwa die durchschnittliche Kilometerzahl und die durchschnittliche Liefermenge einer Fahrt. Diese verglichen sie mit Zahlen zum Weg, den ein Kunde durchschnittlich für einen Einkauf im Laden zurücklegt, und zum Verkehrsmittel, das er dabei benutzt. Weiter dazu, wie viel er einkauft und was. Das Fazit: «Man kann keine pauschale Aussage machen, ob Einkaufen im Netz
oder im Laden klimafreundlicher ist», sagt Stölzle. Je nachdem, wo jemand wohnt, was und wie viel er kauft und wie er dabei vorgeht, ergeben sich andere Resultate.
Dabei hat die Studie sich einzig auf den Transport konzentriert und dort nur auf die «letzte Meile». Für eine wirkliche Klimabilanz der beiden Einkaufsarten müsste man noch mehr berücksichtigen: zum Beispiel die Energie, die ein Einkaufszentrum für Heizung und Licht verbraucht. Aber auch, ob der Onlinehandel weite Anlieferwege fördert, weil jemand ein billiges Produkt in China entdeckt.
Dazu kommen die Folgen, die das bequeme Shoppen von zu Hause aus nach sich zieht: Bleibt das Auto in der Garage oder nützt man die gewonnene Zeit, um einen Wanderausflug zu machen, während der Pöstler mit dem Zalando-Paket vergeblich an der Haustür klingelt? Stölzle ist deshalb skeptisch, wenn Studien den Onlinehandel oder den stationären Handel als klimafreundlicher darstellen, so wie das im Ausland teilweise geschehen ist. «Diese lassen oft zu viele Faktoren unberücksichtigt und werden der Komplexität der Fragestellung nicht gerecht.»
Stölzle und sein Kollege Thomas Sauter-Servaes wollen sich deshalb nicht länger damit beschäftigen, welche Art von Einkauf klimafreundlicher ist. Wichtig sei vielmehr, beide Praktiken möglichst umweltschonend auszuüben. «Denn der Online-Handel wird weiter zunehmen, der Einkauf im Laden aber nicht verschwinden», sagt Sauter-Servaes.
«Die meisten Leute wissen nicht, was ihr Verhalten für ökologische Folgen hat.»
Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher
Als Grundregel für klimafreundliches Einkaufen nennen die beiden Forscher: je weniger Autokilometer, desto besser. «Die Bündelung muss deshalb das Ziel sein, ob beim Onlinehandel oder beim Einkauf im Laden», betont Stölzle. Hierfür sehen die beiden vor allem beim Onlinehandel Potenzial. So könnten die verschiedenen Lieferdienste und Versandhändler enger zusammenarbeiten. Gemeinsame Verteilzentren etwa würden eine effizientere Auslieferung ermöglichen. Und wenn die Versandhändler weniger Verpackungsmaterial verwendeten, wären die Pakete nicht zu gross und man könnte mehr auf einmal ausliefern. Sauter-Servaes betont auch die technischen Möglichkeiten: «In der Innenstadt könnte man konsequent Elektrofahrzeuge für die Auslieferung einsetzen.»
Eine grosse Rolle spielt aber auch das Verhalten der Konsumenten. «Wenn jemand eine Bestellung immer sofort geliefert haben will, ist Bündelung kaum möglich», sagt Stölzle. In diese Richtung aber gehen Angebote wie «Lieferung am selben Tag» oder sogar «Lieferung innert einer Stunde», die immer beliebter werden. Ebenso wird der Effekt der Bündelung zunichte gemacht, wenn jemand vier Anzüge zum Probieren nach Hause bestellt und drei dann wieder zurückschickt. Oder der Lieferant dreimal kommen muss um ein Paket auszuliefern, weil nie jemand da ist .
«Beim Einkauf im Laden ist den Leuten eher noch bewusst, dass eine Einkaufsfahrt nur für ein einziges Shampoo nicht umweltfreundlich ist», sagt der Sauter Servaes. «Beim Einkauf online hingegen wissen die meisten schlicht nicht, was ihr Verhalten für ökologische Folgen hat.»
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