Die Arbeitswelt ist durchlässig geworden, räumliche und zeitliche Trennungen haben sich aufgeweicht. Das bietet durchaus Vorteile. Verwischen die Grenzen aber zu stark, besteht die Gefahr, sich nicht mehr erholen zu können. «Es ist wichtig, nicht immer in der Belastungsphase zu bleiben», sagt Michael Gschwind, Arbeitspsychologe aus Basel. Der Dauerstress kann sich aufsummieren. «Kommt noch etwas Privates dazu, reichen die Ressourcen nicht mehr aus.» Erholt man sich nicht, kann das zum Beispiel zu Schlafproblemen und Aggressivität führen. «Wir sind biologische Wesen und brauchen den ständigen Wechsel zwischen Belastung und Entlastung – durch den Tag, die Woche, das Jahr.»
Viele checken ständig ihre Geschäftsmails. Auch wenn das nur kurz dauert, landen die Gedanken sofort wieder bei der Arbeit . «Man soll sich bewusst die Frage stellen: ‹Warum bin ich immer erreichbar?›», rät Michael Gschwind. «Verlangt das Geschäft es von mir? Oder glaube ich bloss, erreichbar sein zu müssen – aus Übereifer oder Perfektionismus?» Wenn es das Geschäft gar nicht erwartet, soll der Mitarbeiter das Abfragen der Mails bleiben lassen.
Wenn man jedoch tatsächlich erreichbar sein muss, müsse man sich Erholungsmöglichkeiten suchen und sich abgrenzen, etwa mit einem Geschäftshandy und einem separaten Privathandy.
Je höher jemand in der betrieblichen Hierarchie steht, desto mehr kann erwartet werden, dass er auch erreichbar ist – schliesslich rechtfertigt das auch den höheren Lohn. Doch das Arbeitsgesetz enthält zwingende Bestimmungen zu Arbeits- und Ruhezeiten. Diese gelten grundsätzlich auch für leitende Funktionen. Für das Topkader allerdings nicht.
Wer Pikettdienste hat, muss sich für allfällige Arbeitseinsätze bereithalten . Durch diese Bereitschaft bleibt man gedanklich ständig bei der Arbeit – und kommt nicht in die Entspannungsphase. Das Arbeitsgesetz trägt diesem Umstand Rechnung: Piketteinsätze sind nur zeitlich begrenzt erlaubt und zu entlöhnen. Normalerweise darf ein Angestellter innert vier Wochen nur sieben Tage auf Pikett sein. Die folgenden zwei Wochen ist kein Pikett zulässig. Je nach Grösse, Struktur und Art des Betriebs gelten aber Sonderregelungen.
In der Regel muss der Arbeitgeber den Angestellten die Arbeits- und Pikettplanung mindestens zwei Wochen im Voraus bekannt geben und ein gewisses Mitspracherecht einräumen. Bei kurzfristigeren Änderungen muss der Betrieb zuerst nach einer anderen Lösung suchen, bevor er Angestellte mit Familienpflichten neu einteilt. Diese dürfen spontane Pikettdienste ablehnen. Wenn im Betrieb auf einen möglichen Arbeitseinsatz gewartet werden muss, gilt die Zeit als Arbeitszeit. Kann sich ein Angestellter woanders zur Verfügung halten, muss der Arbeitgeber die Wartezeit zwar ebenfalls entschädigen, die Entschädigung fällt jedoch tiefer aus. Kommt es zu einem Arbeitseinsatz, gelten auch Hin- und Rückfahrt als Arbeitszeit.
Gelegentlich von zu Hause aus zu arbeiten ist für die meisten ein Privileg. Viele können sich die Zeit selbst einteilen . Die störende Geräuschkulisse des Grossraumbüros und die Unterbrechungen durch Kollegen fallen weg, der Arbeitsweg ebenfalls.
Die Homeoffice-Lösung funktioniert aber nur, wenn der Arbeitgeber darauf vertrauen kann, dass tatsächlich gearbeitet wird. Zugleich sind die Pausen - und Ruhezeiten einzuhalten. Genau das kann heikel werden: Gemäss Arbeitsgesetz muss die tägliche Arbeit innerhalb von 14 Stunden erledigt werden – Pausen und Überzeit eingerechnet. Beispiel: Wer um 7 Uhr morgens die erste Geschäftsmail gelesen hat, darf nach 21 Uhr nichts mehr für die Arbeit tun.
FDP-Nationalrat Thierry Burkart findet diese Regelung für das Homeoffice zu starr. Er fordert deshalb in einer parlamentarischen Initiative, dass die tägliche Arbeitszeit über bis zu 17 Stunden verteilt werden kann. Auch soll die gesetzliche Ruhezeit durch kurze Arbeitseinsätze unterbrochen werden dürfen. Burkart glaubt, so die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.
Eine allfällige Gesetzesanpassung im Sinn von Burkarts Vorstoss könnte jedoch dazu führen, dass Betroffene keinen klaren Schlussstrich ziehen und deshalb am Abend nicht mehr richtig abschalten. Genau das findet Arbeitspsychologe Michael Gschwind aber wichtig. Er empfiehlt, den Tag mit einer ganz anderen, entspannenden Tätigkeit abzuschliessen und nicht «vom Laptop direkt ins Bett zu fallen».
Manchmal lassen einen die Chefs nicht krank sein . Sie rufen an, weil etwas nicht warten kann, oder verlangen die Teilnahme an einer Telefonkonferenz. Oft sind es auch die Erkrankten selbst, die sich unter Druck setzen. Sie haben ein schlechtes Gewissen, Angst wegen einer Abgabe, fürchten um den Bonus oder gar um den Job. Das Ergebnis ist dasselbe: Ein kranker Angestellter arbeitet weiter, wird vielleicht noch kränker und fällt schliesslich noch länger aus. Ausserdem könnte er andere anstecken.
Wer krankgeschrieben ist , muss nicht arbeiten. Auch die Teilnahme an einer Telefonkonferenz ist Arbeit und kann nicht eingefordert werden. Betroffene können also klar sagen: «Ich kann nicht, ich bin krank» und auf das Arztzeugnis verweisen, das genügt. Wenn sich der Chef uneinsichtig zeigt, hilft vielfach ein detailliertes Arztzeugnis. Das sagt nichts über die Krankheit, aber stellt klar, was ein Erkrankter in welchem Umfang leisten kann und was nicht. Man kann dem Chef auch anbieten, auf Geschäftskosten zu einem Vertrauensarzt zu gehen. Oft sorgt allein schon dieses Angebot für die nötige Ruhe.
Bei einer Krankheit oder einem Unfall haben Arbeitnehmer Rechte und Pflichten. Für wie lange erhält man bei Arbeitsunfähigkeit noch den Lohn? Darf der Chef einfach kündigen? Was darf man mit einem Arztzeugnis noch in der Freizeit tun? Erhalten Sie als Beobachter-Mitglied Antworten auf diese und weitere Fragen.
Angestellte sind verpflichtet, über das vereinbarte Pensum hinaus zu arbeiten, sofern das nötig und zumutbar ist. Unzumutbar sind Überstunden , die den Mitarbeiter gesundheitlich überfordern oder an der Erfüllung von Familienpflichten hindern. Wer regelmässig Überstunden leistet, soll sich laut Experte Michael Gschwind fragen: «Wie viel Zeit bin ich angestellt und wie viel arbeite ich effektiv? Verlangt mein Chef die Mehrarbeit von mir oder glaube ich nur, dass sie so wichtig ist?»
Wird die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschritten, spricht man von Überzeit. Überstunden und Überzeit sind rechtlich nicht dasselbe. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt je nach Beruf 45 oder 50 Stunden. Sie darf nur in echten Ausnahmesituationen überschritten werden – zum Beispiel zur Behebung von Betriebsstörungen, wegen Inventur oder einer dringlichen Arbeit. Werden die Höchstarbeitszeiten regelmässig überschritten, können sich Arbeitnehmende an das kantonale Arbeitsinspektorat wenden.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber können frei vereinbaren, ob und wie Überstunden zu kompensieren oder zu entschädigen sind. Bei Überzeit sieht das Arbeitsgesetz dagegen zwingende Regelungen für Kompensation und Entschädigung vor.
Erfahren Sie als Beobachter-Mitglied in der Checkliste «Überstunden und Überzeit», wie Mehrarbeit zu kompensieren ist, wenn im Vertrag nichts dazu steht, und ob geleistete Überstunden auch verjähren können, wenn Sie beispielsweise den Job wechseln.