Unterschreiben und tschüss?
Wer die Kündigung erhält, wird oft vom Chef dazu gedrängt, eine individuelle Austrittsvereinbarung zu unterzeichnen. Klingt gut – doch voreilig darauf einlassen sollte man sich nicht.
aktualisiert am 22. März 2018 - 12:13 Uhr
Die Probleme beginnen mit dem neuen Chef. Zwölf Jahre lang hat der Mathematiker Sandro P.* bei einer Versicherung gearbeitet, erfolgreich und von den Vorgesetzten geschätzt. Dann wird ein neuer Abteilungsleiter eingestellt – jünger, ehrgeizig und voller neuer Ideen. Sandro P. findet von Anfang an den Draht zu ihm nicht. «Vielleicht nahm er mir übel, dass ich nicht immer gleich Feuer und Flamme war, wenn er alles umkrempeln wollte», erinnert sich der 45-Jährige. «Oder er fühlte sich von mir bedroht, weil ich den Laden besser kannte.» Jedenfalls habe der Neue alles in Frage gestellt, was er machte, habe ständig an ihm herumkritisiert.
Sandro P. wird immer unsicherer, beginnt Fehler zu machen und kann nachts nicht schlafen. Schliesslich lässt er sich krankschreiben. Als er wieder zur Arbeit erscheint, zitiert ihn der Chef zu sich und kommt gleich zur Sache: «Ihre Leistung lässt schon länger zu wünschen übrig.» Angesichts von P.s langer Anstellungsdauer wolle man ihm aber nicht einfach kündigen, sondern ein faires Angebot machen. Sandro P. erhält eine zweiseitige Vereinbarung über eine «einvernehmliche Vertragsauflösung» vorgelegt. Als er zögert, droht der Chef: «Entweder Sie unterschreiben jetzt sofort und bekommen dafür auch ein gutes Zeugnis, oder Sie haben morgen eine ganz normale Kündigung im Briefkasten.»
Aufhebungsvertrag – das klingt auf jeden Fall besser als Kündigung. Und es kann auch tatsächlich vorteilhaft sein: Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben so die Möglichkeit, Rechte und Pflichten während der Kündigungsfrist individuell zu regeln sowie den Austrittszeitpunkt frei festzulegen. So kann man etwa vereinbaren, dass der Angestellte sofort gehen kann, sobald er eine neue Stelle hat.
Austrittsvereinbarungen werden oft auch getroffen, um dem Mitarbeiter den Verlust des Arbeitsplatzes zu erleichtern, indem man ihn während der Kündigungsfrist von der Arbeit freistellt, ihm eine Abfindung gewährt oder ein sogenanntes Outplacement finanziert, also professionelle Unterstützung bei der Stellensuche. Auch Modalitäten einer vorzeitigen Pensionierung , freiwillige Einzahlungen des Arbeitgebers in die Pensionskasse des Angestellten oder Stillschweigeklauseln können Teil einer solchen Vereinbarung sein.
Die Arbeitgeber wiederum haben ein Interesse daran, das Austrittsdatum definitiv festzulegen und damit zu verhindern, dass sich der Arbeitnehmer krankschreiben lässt und damit das Arbeitsverhältnis womöglich um Monate verlängert.
Eine einvernehmliche Austrittsvereinbarung kann also durchaus im Interesse beider Parteien sein. Trotzdem sind solche Vertragsauflösungen nicht ohne Tücken und sollten genau geprüft werden, bevor man unterschreibt – eine einmal geleistete Unterschrift lässt sich nicht wieder zurückziehen. Betroffene sollten insbesondere auf folgende Punkte achten:
- Stimmen Sie keiner Verkürzung der geltenden Kündigungsfrist zu, es sei denn, Sie haben bereits eine neue Stelle auf sicher.
- Akzeptieren Sie keine Vertragsauflösung, solange Sie arbeitsunfähig sind und einen Kündigungsschutz
geniessen.
- Unterschreiben Sie keine Klausel «per saldo aller Ansprüche», wenn Sie nicht sicher sind, dass alles seine Richtigkeit hat. Prüfen Sie insbesondere, ob die Vereinbarung ausgewogen ist und Sie für allfällige Zugeständnisse eine angemessene Gegenleistung vom Arbeitgeber bekommen.
- Achten Sie nicht nur auf die finanziellen Aspekte der Vertragsauflösung. Wichtig sind auch das Arbeitszeugnis
und wie Ihr Weggang intern und extern kommuniziert wird. Sie haben auch das Recht, sofort ein Zwischenzeugnis zu verlangen.
- Erfolgt die Vertragsauflösung auf Wunsch des Arbeitgebers, sollten Sie sich das zuhanden der Arbeitslosenversicherung schriftlich bestätigen lassen. So vermeiden Sie Taggeldkürzungen wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit
.
- Werden Sie während der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt, sind die Details schriftlich zu regeln (siehe nachfolgenden Hinweis «Eine Freistellung – und was sie für Entlassene bedeutet»).
Doch was ist zu tun, wenn man wie Sandro P. unter Druck gesetzt wird, so rasch als möglich ein vorgefertigtes Schreiben zu unterzeichnen?
Immer wieder wenden sich Ratsuchende ans Beobachter-Beratungszentrum, die sich gezwungen fühlten, sich auf eine solche Abmachung einzulassen – und das dann vorschnell auch taten. «Ich war völlig überrumpelt, konnte gar nicht mehr klar denken und habe unterschrieben – einfach, um endlich gehen zu können», heisst es dann etwa.
Dabei ist die Sachlage eigentlich klar: Kein Arbeitgeber kann Sie zwingen, eine Vereinbarung zu unterschreiben, mit der Sie nicht einverstanden sind oder die Sie nicht eingehend prüfen konnten. Fordern Sie Bedenkzeit, wenn es um mehr geht, als nur den Empfang der Kündigung zu bestätigen. Ein Arbeitgeber, der Sie im ersten Kündigungsschock zur Unterschrift zwingen will, hat bestimmt nicht Ihren Vorteil im Sinn. Im Zweifel ist es oft besser, wenn der Arbeitgeber ganz normal kündigt.
In der Schweiz können Arbeitsverträge beiderseitig zu jeder Zeit aufgelöst werden. Einen Grund für die Kündigung braucht es nicht, doch es gibt Ausnahmen. Beobachter-Mitglieder erfahren, welche das sind, ob sie rechtlich gesehen unter Kündigungsschutz stehen und wie sie mittels einer Briefvorlage schriftlich gegen eine fristlose Entlassung protestieren können.
Unzulässig ist es auch, Angestellte mit dem Versprechen auf ein besseres Arbeitszeugnis unter Druck zu setzen. Der Inhalt eines Zeugnisses muss wahrheitsgetreu und wohlwollend sein, die Modalitäten der Kündigung spielen dabei keine Rolle. Im Zeugnis muss auch nicht erwähnt werden, wer gekündigt hat. «Trägt der Beendigungsgrund nichts zur Würdigung des Gesamtbildes des Arbeitnehmers bei, kann jener verlangen, dass diesbezügliche Angaben gestrichen werden», hat in dieser Frage etwa das Arbeitsgericht Zürich entschieden.
Und was, wenn Sie voreilig eine Vereinbarung unterschrieben haben, die sich dann für Sie als nachteilig erweist? Unter Umständen ist noch nicht alles verloren. Arbeitnehmer haben von Gesetzes wegen nämlich gewisse zwingende Ansprüche, auf die sie während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung nicht verzichten müssen, zum Beispiel auf Ferienansprüche. Ausserdem kann eine Auflösungsvereinbarung unter Umständen angefochten werden, wenn Sie dabei krass übervorteilt oder massiv unter Druck gesetzt wurden. Lassen Sie sich im Zweifelsfall von einer Fachperson beraten.
*Name der Redaktion bekannt
Bei einer Freistellung verzichtet der Arbeitgeber bereits während der Kündigungsfrist auf die Arbeitsleistung des Angestellten. Das müssen Betroffene dazu wissen:
Frist: Das Arbeitsverhältnis läuft rechtlich gesehen trotz Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist weiter. Der Arbeitgeber schuldet bis dahin den vollen Lohn inklusive regelmässige Zulagen wie etwa 13. Monatslohn, Durchschnittsprovision, vertraglich zugesicherte Privatnutzung des Geschäftswagens oder anderes.
Neuanstellung: Wer bedingungslos freigestellt wurde, darf sofort eine neue Stelle annehmen. Ein Anspruch auf doppelte Lohnzahlung besteht jedoch nicht.
Ferien: Restliche Ferienansprüche sind grundsätzlich während der Freistellungszeit zu beziehen, wenn das zumutbar und möglich ist und die Freistellungsdauer das vorhandene Ferienguthaben deutlich übersteigt. Andernfalls sind sie auszuzahlen.
Überstunden: Laut Gesetz darf Überstundenkompensation durch Freizeit nur sein, wenn der Arbeitnehmer zustimmt. Gibt es dazu keine vertragliche Abmachung, kann er auf Auszahlung beharren. Dabei ist ein Zuschlag von 25 Prozent geschuldet – ausser es gibt anderslautende schriftliche Abmachungen.