«Handschuhe sind unsinnig»
Andreas Widmer, Leiter der Spitalhygiene am Unispital Basel, erklärt, wieso Handschuhe im Supermarkt nichts bringen – und wieso er Masken für sinnvoll hält.
Veröffentlicht am 28. April 2020 - 12:09 Uhr
Seit Montag sind Baumärkte, Gartencenter und weitere Läden wieder geöffnet. Viele Kunden tragen Handschuhe zum Schutz vor einer Ansteckung mit Covid-19. Coop stellt seinen Kunden seit einiger Zeit sogar Plastikhandschuhe zur Verfügung. Was bringt das?
Andreas Widmer: Plastikhandschuhe sind unsinnig. Ich bin fundamental dagegen, diese breit zu tragen. Viele Handschuhe sind ohne Qualitätslabel und haben nach ein paar Minuten Löcher. Sogar bei Operationshandschuhen können zwei Stunden nach der Operation in 20 Prozent kleine Löcher nachgewiesen werden. Für heikle Operationen tragen Chirurgen deshalb zwei Paar Handschuhe. Im Alltag verwenden zudem die meisten Menschen ihre Plastikhandschuhe falsch.
Inwiefern?
Viele fühlen sich durchs Tragen der Handschuhe geschützt und desinfizieren sich die Hände nicht mehr. Einige tragen die Handschuhe den ganzen Tag lang. Da verschleppt man erst recht Keime und gefährdet andere Menschen. Andere ziehen die Handschuhe bereits nicht fachgerecht an und fassen im Supermarkt dann den Einkaufswagen mit den kontaminierten Handschuhen an. So verbreiten sie ihre eigenen Keime und sammeln die der Vorgänger auf. Hinzu kommt, dass es in den Plastikhandschuhen feucht und warm wird – und Viren in diesem Milieu besser überleben. Zudem haften sie besser auf Plastik als auf der Haut
. Die Haut hat einen natürlichen PH-Wert von 5,5. Das mögen Viren nicht.
Wie müsste man Plastikhandschuhe richtig an- und ausziehen, damit sie einen Schutz bieten?
Eigentlich müssten die Hände vor dem Anziehen und nach dem Tragen der Handschuhe desinfiziert werden. So machen wir das im Spital im Umgang mit Covid-19-Patienten. Wir desinfizieren die Handschuhe sogar nach dem Anziehen erneut, falls im Zimmer sterile Arbeiten gemacht werden müssen. Nach dem Kontakt mit einem Patienten werden sie sachgerecht entsorgt. Handschuhe müssen so abgezogen werden, dass sie nicht mit den Händen in Berührung kommen. Das ist für Menschen, die nicht im Medizinbereich tätig sind, schwierig. Wir verbringen viel Zeit damit, unsere Mitarbeiter auf den Umgang mit dem Schutzmaterial zu schulen und haben darum kaum Ansteckungsfälle im Spital. Im Alltag ist es deutlich sicherer, die Hände
zu desinfizieren, als Handschuhe zu tragen.
Wie sollte man sich beim Einkauf verhalten?
Am besten wäre es, die Handgriffe des Einkaufswagens vor und nach dem Einkauf zu desinfizieren. Zudem sollte man beim Verlassen des Ladens die Hände desinfizieren. Mehr braucht es nicht. Ich beobachte eher, dass die Leute die Handschuhe ausziehen, wegwerfen, und dann mit ihren kontaminierten Händen nach Hause gehen.
Wie sinnvoll ist es, dass das Verkaufspersonal Kunden mit Handschuhen bedient?
Beim Umgang mit Fleisch macht es durchaus Sinn – aber nicht hauptsächlich wegen Covid-19
, sondern weil die Angestellten beispielsweise mit Pouletfleisch hantieren. Dieses kann mit
Campylobacter – bei Poulet über 50 Prozent – kontaminiert sein. Metzger sind sehr gut im Hygienebereich ausgebildet. Sie sind daran gewöhnt, sich vor dem Anziehen des nächsten Handschuhs die Hände zu desinfizieren. Beim restlichen Verkaufspersonal gilt dasselbe wie bei den Kunden: Lieber öfter die Hände desinfizieren, als Handschuhe tragen.
«Je lauter ich mit jemandem rede, desto höher wird das Ansteckungsrisiko.»
Andreas Widmer, Leiter Spitalhygiene am Unispital Basel
Viele Menschen tragen Handschuhe aus Angst, sich im Supermarkt durchs Berühren von Oberflächen, Produkten oder Geld mit dem Coronavirus anzustecken. Kann man mittlerweile besser abschätzen, wie gross diese Gefahr ist?
Daten aus dem Labor zeigen zwar, dass Viren mehrere Tage auf Oberflächen überleben können. Würden sich Menschen aber wirklich so leicht über Oberflächen oder im Supermarkt anstecken, hätten wir ganz andere Ansteckungsraten. Jeden Tag gehen ja Tausende Menschen einkaufen. Gleichzeitig sinken die Fallzahlen stark. Darum macht es zwar Sinn, Einkaufswagen und -körbe und andere Oberflächen, die häufig berührt werden, zu desinfizieren. Das ist aber vor allem eine Vorsichtsmassnahme. Ich gehe nicht von einer hohen Infektiosität aus.
Wie könnte man sich denn im Supermarkt trotz Vorsichtsmassnahmen anstecken?
Dazu müsste sich jemand in die Hand husten, den Einkaufswagen anfassen und dieser müsste noch feucht sein, wenn die nächste Person ihn abholt. Das Sekret bleibt auf einem Einkaufswagen vielleicht für 10 bis 20 Minuten bestehen. Und ob diese Tröpfchen dann noch infektiös sind, ist unklar. Und wie gesagt: Wenn ich mir die Hände desinfiziere, stirbt auch dieser Keim ab – selbst wenn ich ihn an den Händen habe. Es müsste mich also wirklich wer anspucken oder direkt anhusten, um mich beim Einkaufen anzustecken. Darum ist Abstand halten
immer noch so wichtig.
«Das BAG müsste besser über Masken informieren.»
Andreas Widmer, Leiter Spitalhygiene am Unispital Basel
Welche Orte bereiten Ihnen im öffentlichen Raum Sorgen bezüglich der Ansteckungsgefahr?
Problematisch wird’s dort, wo das Abstand halten schwierig ist, beispielsweise im Zug, Bus oder Tram
.
Was ist hier besonders riskant?
Wenn man im öffentlichen Raum längere Zeit relativ dicht zusammen ist, besteht ein handfestes Risiko, sich anzustecken. Es kommt dabei aber auch noch darauf an, wie man miteinander spricht. Redet man im Zug etwa nicht miteinander, ist das Infektionsrisiko minimal. Wenn ich leise spreche, ist das Risiko noch gering, je lauter ich mit meinem Gegenüber rede, desto mehr steigt es an. Schreie oder singe ich im schlimmsten Fall, ist es recht hoch. Das ist im Zug nicht immer vermeidbar.
Was sehen Sie als Lösung?
Weil man nicht immer beeinflussen kann, wie laut das Gegenüber mit einem spricht, halte ich Masken
als längerfristige Strategie für sinnvoll. Besonders an Orten, an denen die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können. Zumal man mittlerweile weiss, dass etwa 50 Prozent der Infektionen passieren, bevor Leute krank werden. Das Virus wird also durch gesunde Leute übertragen. Wenn man die Abstandsregeln einhält, oder eine Maske korrekt trägt, wenn dieser Abstand nicht möglich ist, werden wir eine gute Chance haben, nicht in eine zweite Welle zu geraten.
Viele Menschen tragen allerdings auch die Masken falsch. Bieten diese dann nicht auch wenig Schutz – wie die Handschuhe?
Das stimmt, aber das BAG müsste hier besser informieren und die Bevölkerung zum Beispiel mit Werbespots schulen. So sollten die Hände beim An- und Abziehen von Masken ebenfalls desinfiziert werden. Dass Masken dann etwas bringen, zeigt sich in den Spitälern: Dort werden sie schon immer breit getragen und es gibt fast keine Ansteckungen beim Personal, auch dort nicht, wo das Personal fast ausschliesslich Covid-19-Patienten behandelt. Daher sind Spitäler heute sichere Orte. Erkrankte sollten sich in ärztliche Behandlung begeben, wenn sie krank sind und nicht Krankheiten verschleppen, aus Angst, man könnte sich im Spital anstecken.
Andreas Widmer
Was gilt?
Maskenpflicht im Arbeitsverhältnis
4 Kommentare
Die Handgriffe des Einkaufswagens desinfizieren wir bereits seit Jahren - vorallem seitdem wir wissen, dass es auf diesen Griffen unter anderen auch - Fäkalbakterien hat ! Handschuhe aus Nitril tragen wir vorallem wegen dieses unappetitlichen Cocktails auf den Handgriffen, und jetzt halt auch wegen dem C-virus. Das sind übrigens nicht irgendwelche Einweghandschuhe, sondern solche, wie sie auch in der Medizin zum Einsatz kommen. Zwar nicht steril, aber trotzdem schützend.
Zudem fährt man sich mit Handschuhen praktisch nicht mehr ins Gesicht, mit blossen Händen fast sicher. Viren mögen den ph Wert der Haut nicht ? Im Ernst ? Wozu dann die Hände waschen ?! Experten Meinung hin oder her, wir tragen weiterhin Handschuhe. Und nach Entsorgung der Handschuhe desinfizieren wir natürlich auch die Hände. Wir sind ja nicht blöd.
Viren könnten, laut mehren Kommentaren von Fachleuten, mehrere Tage auf Oberflächen überleben. Wie verhält es sich dann mit dem Ausatmen oder stärkeren Atembewegungen mit der Überlebungsfähigkeit eines Virus? Das Virus falle eben innerhalb dieser 2 Meter-Abstandregel zu Boden, trockne aus und könne keinen "Schaden" mehr anrichten, wird erklärt.
Wenn aber nun eine grössere Menge Spucke auf eine Oberfläche gelangt, werden, darin mögliche enthaltene Viren wohl nicht sofort austrocknen. Generell noch meine Fragen, wieso Viren auf Oberflächen überleben können? Wieso diese nicht beim erwähnten Austrocknen absterben und was grundsätzlich Überlebensbedingungen für ein Virus sind, damit es mehrere Tage auf einer Oberfläche überleben kann?
Es ist kein Zeichen von Solidarität sondern ein Zeichen von gelebten Gruppenzwang oder Herdenmentalität. Vor einigen Wochen prahltenn Berset und Koch noch förmilch damit, dass Masken bei Gesunden NICHTS nützen. Die beiden hätten haben das Volk ja wissentlich und vorsätzlich belogen, wenn die Masken doch etwas nützen. Damit wären sie an allen Todesfällen mitschuldig. Solange sie dafür nicht zur Rechenschaft gezogen wrden, nützen Masken gar nichts.
**Andreas Widmer: Plastikhandschuhe sind unsinnig. Ich bin fundamental dagegen...**
Der Mann hat keine Ahnung, denn Handschuhe bringen sehr viel. Niemand trägt solche Gummihandschuhe den ganzen Tag. Man zieht sie an bevor man beispielsweise in den Supermarkt geht und nach dem einladen der Einkäufe ins Auto zieht man sie wieder aus. Der Herr Widmer nimmt offensichtlich nicht oder nicht mehr teil am öffentlichen Leben, daher weiss er auch nicht, wie das die meisten Leute handhaben.
Trotz Handschuhen desinfiziert man sich die Hände, erstens kostet es nichts und zweitens steht meistens eine Angestellte wie ein Zerberus im Eingangsbereich, die mit Argusaugen darauf achtet, dass sich jeder Kunde desinfiziert. Muss man in mehrere Geschäfte, sind Handschuhe sogar gesünder, weil die Desinfektionsmittel die Haut austrocknen. Damit wird sie rissig und Viren haben dadurch einen besseren Zugang zum Organismus.
Mit Handschuhen kann man gerade beim Einkauf, alles in die Hände nehmen was man möchte. Das ist ein wichtiger Aspekt im Handel, denn damit kauft man mehr. Das ist nicht nur positiv für den Umsatz der Geschäfte, nein, die Kunden müssen auch nicht so oft einkaufen.