Warum vor allem Frauen an Alzheimer erkranken
Doppelt so viele Frauen wie Männer leiden an Alzheimer. Die Gründe dafür sind vielfältig – aber einige können mit besserer Vorsorge beseitigt werden.
Veröffentlicht am 22. August 2023 - 06:00 Uhr
Uns steht eine Welle des Vergessens bevor, sagen Expertinnen und Experten. Bis ins Jahr 2050 wird die Zahl der Menschen mit einer Demenz auf das Dreifache ansteigen – auf weltweit über 150 Millionen. Was viele nicht wissen: Die Krankheitslast ist ungleich verteilt. Frauen leiden deutlich häufiger an Demenzerkrankungen als Männer. So sind es bei Alzheimer rund zwei Drittel aller Fälle.
Risikofaktor Wechseljahre
Einst ging man davon aus, dass dieser Geschlechterunterschied hauptsächlich daher rührt, dass Frauen im Durchschnitt länger leben als Männer. Denn das Alter ist einer der grössten Risikofaktoren für eine Alzheimer-Erkrankung. Doch die etwas höhere Lebenserwartung von Frauen sei nicht der Hauptgrund, sagt Antonella Santuccione Chadha. Die Ärztin und Neurowissenschaftlerin ist Mitbegründerin und Leiterin des Women’s Brain Project in Zürich. Die Non-Profit-Organisation untersucht den Einfluss des Geschlechts auf Gehirnerkrankungen und setzt sich dafür ein, dass das Wissen bei der Behandlung stärker berücksichtigt wird.
«Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die so zusammenspielen, dass das Gehirn von Frauen etwas sensibler ist als jenes von Männern», sagt Santuccione Chadha. Einige dieser Faktoren betreffen direkt das Geschlecht. Studien deuten beispielsweise darauf hin, dass hormonelle Veränderungen während der Wechseljahre das Alzheimer-Risiko für Frauen erhöhen. Auch ein erhöhter Blutdruck während der Schwangerschaft gilt als Risikofaktor.
Ein weiterer Grund: Weil sich Frauen sprachlich meistens besser ausdrücken können als Männer, können sie leichte kognitive Beeinträchtigungen besser verbergen. «Alzheimer wird deshalb bei Frauen in vielen Fällen zu spät entdeckt oder falsch diagnostiziert», so Santuccione Chadha. Daher sollten Frauen nicht zögern, eine Neurologin aufzusuchen, wenn sie sich unsicher sind oder auch bei Anzeichen einer Depression .
Gleichstellung hilft gegen Alzheimer
Auch die Geschlechterrollen erhöhen das Demenzrisiko für Frauen. «Je höher die Bildung, desto geringer das Demenz- oder Alzheimer-Risiko», sagt Santuccione Chadha. Dabei gehe es nicht nur um die Schulbildung, sondern auch um das lebenslange Lernen. Wenn sie Kinder bekommen, geben viele Frauen den Job auf oder reduzieren ihr Pensum und bilden sich nicht mehr weiter. Und meistens sind sie es, die kranke Angehörige betreuen – zum Teil rund um die Uhr. Das führt zu einer sozialen Isolation, ist seelisch belastend und kann in einer Depression enden. Man kann sagen: Mehr Gleichstellung bedeutet auch mehr Gesundheit für die Frauen.
Es gibt viele Empfehlungen, die sowohl für Männer als auch für Frauen gelten, um das Gehirn bis ins hohe Alter fit zu halten. Gerade zwischen 45 und 65 lassen sich die Risiken für Demenz und Alzheimer mit einem gesunden Lebensstil deutlich senken: nicht rauchen und keinen Alkohol trinken. Denn Bier, Schnaps und Nikotin sind Gift fürs Gehirn. Auch gesundes, massvolles Essen lohnt sich: Übergewicht und Diabetes lassen den Blutdruck steigen. Ein erhöhter Blutdruck wiederum beschädigt Gehirngewebe. Auch Sport und regelmässige Bewegung helfen gegen Bluthochdruck und Übergewicht. Sie machen nicht nur stark und verbessern die Kondition, sondern fördern auch Konzentration und Hirngesundheit.
Lernen und vorbeugen
Wer geistig rege bleibt und sein Gehirn fordert , schützt es vor einem Abbau. Darum empfehlen Expertinnen, eine neue Sprache, ein Instrument spielen zu lernen oder einen Tanzkurs zu besuchen. Und soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen – zum Beispiel, indem man einem Verein beitritt. Denn wer einsam ist, droht in Depressionen zu verfallen und verliert die geistige Beweglichkeit.
Und nicht zuletzt sind Hörtests im Alter eine äusserst sinnvolle Massnahme gegen Demenz. Wer nicht mehr gut hört, isoliert sich oft sozial, was wiederum das Demenzrisiko erhöht. Ein typisches Anzeichen einer Altersschwerhörigkeit ist zum Beispiel, dass Betroffene einem Gespräch nicht mehr gut folgen können. Oder an sie gerichtete Sätze schlecht verstehen, wenn ein bestimmter Geräuschpegel herrscht.
Erst kürzlich hat eine Studie im Fachmagazin «The Lancet Public Health» aufgezeigt, was Hörgeräte ausmachen. Forschende aus China haben die Daten von über 400’000 Menschen im Alter von 40 bis 69 Jahren analysiert. Resultat: Schwerhörige ohne Hörgerät wiesen ein um 42 Prozent erhöhtes Demenzrisiko auf. Schwerhörige mit Hörgerät dagegen hatten kein höheres Risiko als normal hörende Menschen.
So können Frauen ihr Demenzrisiko senken
- Bei zu hohem Blutdruck während der Schwangerschaft den Arzt aufsuchen
- In guten Schlaf investieren
- Bei der Pflege von Angehörigen rechtzeitig Hilfe holen
- Auch während der Mutterschaft einer Arbeit ausser Haus nachgehen oder sich zumindest weiterbilden
- Bei Anzeichen einer Depression zur Neurologin gehen
Das hilft allen
- Bewegung und Sport
- Gesunde Ernährung
- Nicht rauchen und auf Alkohol verzichten
- Geistig aktiv bleiben
- Soziale Kontakte pflegen
- Hörverlust rechtzeitig behandeln
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2 Kommentare
Wichtig ist das Gehirn immer Beschäftigen.
Vielmals fängt es an nach der Pensionierung. Wichtig ist nicht einfach 45 Jahrelang Arbeiten und dann nach der Pensionierung in ein bodenloses Loch fallen, weil man plötzlich nicht mehr weiss was mit der Zeit anzufangen. Dann geht es los: Spazieren gehen, Enkelkinder hüten, einfach mal die Ruhe geniessen usw.
Ich bin jg. 43 und arbeite jeden Tag seit ich 16 war. Aber ich habe immer das gemacht, was ich wollte, ohne auf Finanzielle +/- zu schauen. Wichtig ist, dass man das was man tut gerne macht.
Lass einfach das Gehirn nicht in Ruhe, sonst verkümmert es.
Ich bin nicht wissenschaftlich auch nicht medizinisch ausgebildet doch im Alltag "Hospiz Begleitung" stelle ich dieselben Faktoren ebenfalls fest in unserer Gesellschaft.