Beobachter: Am Universitätsspital Zürich werden Krebskranke mit Yoga behandelt. Das klingt ein wenig abenteuerlich.
Claudia Witt: Yoga ist bei uns nie eine Alternativtherapie, sondern wird immer zusätzlich zur Krebstherapie angeboten. Dabei konzentrieren wir uns auf jene Elemente, deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist. Unser Zugang ist nicht die Yogaphilosophie, sondern die medizinische Sicht.

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Was heisst das?
Wir bieten unseren Patientinnen und Patienten Yogakurse an, die jene Elemente enthalten, für die es wissenschaftliche Evidenz gibt. Das sind Körper- und Atemübungen Atemübung Wie der Atem die Haltung positiv beeinflusst und Achtsamkeitsmeditation. Keinen Platz hat die spirituelle Seite von Yoga. Zu uns kommen Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Die meisten von ihnen werden von Ärzten überwiesen.


Wie muss man sich das vorstellen: Yoga während der Chemotherapie?
Ja, wir bieten Kurse während und nach der Behandlung an. Übersichtsstudien belegen, dass Yoga bei Brustkrebspatientinnen depressive Symptome und Ängste vermindert, den Schlaf verbessert , die Lebensqualität hebt. Das sind wichtige Erkenntnisse. Jede neunte Frau erkrankt heute an Brustkrebs, 80 bis 90 Prozent sind offen für Komplementärmedizin. Da ist ein grosses Potenzial für Yoga. Erste Daten zeigen, dass aber auch andere Patienten, etwa solche mit Lungenkrebs, profitieren.


Mehr Lebensqualität, weniger Ängste. Gibt es auch messbare körperliche Verbesserungen?
Bei einer Krebserkrankung sind weniger Ängste schon eine wertvolle Unterstützung. Es gibt aber Studien, die darauf hinweisen, dass Yoga auf sogenannte Entzündungsmediatoren wirkt. Sie stehen mit chronischen Entzündungen in Verbindung – und werden bei Krebspatienten zum Beispiel als Auslöser von chronischer Erschöpfung diskutiert. Studien mit gesunden Gestressten zeigen einen positiven Einfluss auf das Stresshormon Cortisol , auf Blutfette, Blutzucker und Blutdruck.


Schlagzeilen machte auch die Linderung von Rückenschmerzen durch Yogaübungen.
Studien aus den USA zeigen, dass Yoga bei chronischen Schmerzen im unteren Rücken deutliche Linderung verschaffen kann. Weil Yoga entspannt, aber auch weil man mit dem Vor- und Rückwärtsbeugen an der Beweglichkeit der Wirbelsäule arbeitet. Natürlich ist es wichtig, den richtigen Yogastil zu wählen Yoga Welche Art passt zu mir? . Wer noch akut krank ist, fährt mit einem sanften Stil besser, für andere passt vielleicht ein eher sportlicher. Mein Ziel ist es, alle meine Patienten in Bewegung zu bringen. Das ist letzten Endes das Wichtigste.
 

«Ganz wichtig ist, dass Yogalehrende Onkologie-Kenntnisse haben, wenn sie mit Krebskranken arbeiten.»

Claudia Witt, Ärztin am Universitätsspital Zürich


Viele verbinden Yoga mit Esoterik. Gibt es Patienten, die gar nichts damit zu tun haben möchten?
Natürlich. Nicht jeder Mensch ist ein Yogamensch. Wir geben Empfehlungen ab, aber entscheiden muss die Patientin, der Patient. Yoga ist Bewegung und Entspannung in einem. Man kann aber auch einfach zum Sport gehen und andere Entspannungsmethoden Entspannung Entspannen Sie richtig? erlernen. Das passt für einige Männer unter Umständen besser. Doch viele Männer sind überrascht, wie anstrengend eine Yogastunde sein kann.


Noch bieten längst nicht alle Kliniken Yoga an. Ist das nicht ein Versäumnis, zumal grosse Ärzteverbände es empfehlen?
Im Prinzip schon. Würden alle Kliniken den Leitlinien für Brustkrebs folgen, müsste es mehr Yogaangebote geben. Die Frage ist aber: Haben wir genügend qualifizierte Anbieter? Meiner Meinung nach nicht. Ganz wichtig ist, dass Yogalehrende Onkologie-Kenntnisse haben, wenn sie mit Krebskranken arbeiten. Sie müssen wissen, welche Bewegungen man mit einer Patientin machen darf, die Metastasen in den Knochen hat. Da kann es lebensbedrohlich sein, wenn die Yogalehrerin sagt: «Tiefer, tiefer, du musst durch den Schmerz durch.» Und sie muss es auffangen können, wenn die Körperarbeit Emotionen auslöst. Da bräuchte es dringend Weiterbildungen.


Irgendwann verlassen die Patienten die Klinik. Worauf sollten Menschen mit besonderen Bedürfnissen achten, wenn sie Yoga praktizieren möchten?
Das ist ein Problem. Viele Ärzte wissen heute, dass Yoga für Krebspatienten empfohlen wird. Sie sagen das den Patienten, und die melden sich im nächsten Fitnessstudio Fitnessstudio Muskeln ohne Katerstimmung an. Da gehen sie dann ohne jegliche Erfahrung hin und sind oft in einer Klasse mit über 30 Leuten. Individuelle Anpassungen gibt es da nicht. Ich empfehle daher Kleingruppen und Yogalehrerinnen, die Erfahrungen haben mit der spezifischen Erkrankung. Und dann muss man sich natürlich vor Lehrenden in Acht nehmen, die sagen: «Yoga heilt Sie, die Chemotherapie brauchen Sie nicht!»

Yoga: Wie viel? Wie oft? Bei wem?

Wie viel, wie oft?

  • Ideal ist eine tägliche kurze Yogapraxis daheim. Eine Viertelstunde Meditation, eine Viertelstunde Asana-Körperübungen sind ein schöner Anfang.
  • Wer Muskeln oder Kondition aufbauen will, sollte mindestens zweimal pro Woche praktizieren.
  • Ein wöchentlicher Besuch im Studio ist besser als nichts.

 

Bei wem?

  • Die Chemie muss stimmen, eine Probelektion ist deshalb unerlässlich. Man sollte sich danach fit und entspannt fühlen. Bei gesundheitlichen Problemen sollte man die Kursleitung zuvor informieren. Anfängerinnen und Anfänger sind in kleinen Gruppen besser aufgehoben.
  • Die Lehrperson sollte gut ausgebildet sein und ein paar Jahre eigene Yogapraxis mitbringen.

    Mehr Infos:

zur Person

Claudia Witt, Ärztin am Universitätsspital Zürich

Claudia Witt leitet das Institut für komplementäre und integrative Medizin am Universitätsspital Zürich.

Quelle: private Aufnahme
Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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