Entschädigung frühestens ab 5 Stunden Verspätung
Die Europäische Union will die Fluggastrechte-Verordnung zum Nachteil von Passagieren ändern. Der Beobachter erklärt, was das für die Schweiz bedeuten würde.
Veröffentlicht am 4. April 2025 - 17:35 Uhr
Geplante EU-Verordnung: Nicht die Passagiere, sondern die Airlines sollen besser geschützt werden.
Die EU möchte Passagieren den Anspruch auf Entschädigung erschweren, wenn der Flieger sich verspätet. Schon im Jahr 2013 diskutierte die Europäische Kommission darüber, die Passagierverordnung zu überarbeiten, und formulierte einen Vorschlag.
Nach einem Hin und Her und wegen nicht geklärter Fragen legte sie das Geschäft aber zur Seite. Jetzt wird dieser Vorschlag wieder in einer Arbeitsgruppe «Luftverkehr» diskutiert. Wann ein definitiver Entscheid steht, ist offen.
Der Beobachter erklärt, was sich ändern könnte und warum die Schweiz ein Spezialfall ist.
Was soll sich bei Verspätungen ändern?
Eine Entschädigung bei Reisen innerhalb der EU und bis zu einer Entfernung von 3500 Kilometern soll es nicht schon ab drei, sondern erst ab fünf Stunden Ankunftsverspätung geben. Bei einer Strecke zwischen 3500 und 6000 Kilometern muss die Airline ab neun Stunden eine Entschädigung zahlen. Bei Strecken von mehr als 6000 Kilometern müssen Passagiere eine Verspätung von zwölf Stunden tolerieren.
Und: Bei Verspätungen aufgrund aussergewöhnlicher Umstände soll die Fluglinie das Recht auf Unterbringung in einem Hotel auf drei Tage und einen Höchstbetrag von 100 Euro pro Nacht und Fluggast begrenzen können. Die heutige Verordnung sieht keine Höchstgrenze vor.
Was gilt heute?
Die EU-Verordnung sieht bei grosser Verspätung keine Ausgleichszahlung vor. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied aber im Jahr 2009, dass Passagiere eine pauschale Entschädigung von bis zu 600 Euro erhalten müssen, wenn der Flieger sich stark verspätet und keine aussergewöhnlichen Umstände schuld daran sind. Und zwar, wenn sich die Ankunft am Zielort um drei Stunden oder mehr verzögert. Das gilt auch, wenn man angekommen ist, aber noch im Flugzeug feststeckt: Laut EuGH ist entscheidend, wann die Flugzeugtüren geöffnet werden.
Was heisst das für Schweizer Passagiere?
Die Verordnung wurde im Dezember 2006 von der Schweiz übernommen. Sie gilt für alle Fluggesellschaften, die von einem Flughafen der Schweiz, Norwegens, Islands oder eines EU-Landes starten, sowie für alle Flüge, die in einem dieser Länder ankommen und von einer Fluggesellschaft dieser Länder durchgeführt werden. Damit würden die Änderungen auch die Schweiz betreffen.
Allerdings sind die Urteile des EuGH, die die Passagierrechte genauer auslegen, in der Schweiz ohnehin nicht verbindlich. So lehnte das Bezirksgericht Bülach im Jahr 2016 eine Entschädigung bei grosser Verspätung ab – was bei Schweizer Passagieren zu Unsicherheiten führte.
Es gibt Fluglinien, die bei grosser Verspätung trotzdem Ausgleichsleistungen zahlen. Andere kneifen – wegen des Bülacher Urteils. In diesem Fall bleibt Schweizer Passagieren nur, gegen die Fluggesellschaft zu klagen – vorab in der EU. Einfacher ist es, eine auf Fluggastrechte spezialisierte Inkassofirma mit dem Eintreiben der Entschädigung zu beauftragen. Bei Erfolg zahlt man eine Provision von etwa 30 Prozent.
- EU-Parlament und EU-Rat: EU-Verordnung (EG) Nr. 261/2004, 17.2.2004
- Europäischer Gerichtshof: Urteile C‑402/07 und C‑432/07, Ausgleichsanspruch bei Verspätung, 19.11.2009
- Europäischer Gerichtshof: Urteil C‑452/13 zum Begriff Ankunftszeit, 4.9.2014
- EU-Kommission: Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Verordnung (EG) Nr. 261/2004, europäische Fluggastrechte, 18.3.2013
- EU-Rat: Fluggastrechte
- EU-Rat: Gruppe «Luftverkehr», Praktische Informationen, 20.2.2025
- Spezialisierte Inkassofirmen: Cancelled.ch, Flightright.de, Fairplane.de, Euclaim.de
1 Kommentar
Im Dezember verspätete sich mein Rückflug Boston-Dublin-Zürich mit Aer Lingus um 9 Stunden, da wir nach pünktlichem Boarding zuerst in Boston 2h im Flieger sassen ("Unklarheiten mit Gepäck") und dann in Dublin nochmals 50 Minuten auf dem Flugfeld ("no gate available" - und das um 06:40 Uhr). Da ich nur Handgepäck hatte, hätte ich den Anschlussflug (für den ich die Borkarte schon hatte) rennend noch erwischt, aber das wurde vom Irischen Bodenpersonal verhindert, das mich schon auf den Abendflug von Aer Lingus (nicht etwa auf den Swiss Flug am Mittag) umgebucht hatte. Dieser Behinderung nervte mich so, dass ich im "Beobachter" die Verweise auf die Klage-Plattformen suchte und danach durchprobierte. Eine einzige (nota bene diejenige, die die höchsten Kommissionen nimmt) war bereit, die glasklare und sehr gut dokumentierte Forderung vor Gericht durchzusetzen. Seither erhalte ich alle 4 Wochen einen "update" über den Stand des Verfahrens. Ich bin gespannt, ob ich die 400 (von 600) Euro je sehen werde... Sicher ist, dass Recht haben und Recht bekommen zwei sehr unterschiedliche Dinge sind und immer teurer - wenn nicht bald unbezahlbar - werden. Ich bin jedenfalls froh, dass es sich in meinem Fall nur um diese Lappalie handelt und ich wünsche den Opfern von grösseren Fehlern viel Geduld und Glück.