Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 27. Januar 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Und es sind diesmal ziemlich viele. Wir haben Ihnen darum am Schluss des Briefings eine Handvoll weiterer Themen knapp zusammengefasst – und lassen dafür diesmal das Zitat der Woche weg.
Diesmal:
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Kinderwunsch: Adoptionen aus dem Ausland werden wohl verboten
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Verkehr: Nach dem Nein zum Autobahnausbau kommt die ganz grosse Pause
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Onlineshopping: Temu ist beliebtester Anbieter, noch vor Digitec
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Urteil gegen den «Blick»: Gerechtigkeit? Schlag gegen die Pressefreiheit? Beides?
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Kinderwunsch: Adoptionen aus dem Ausland werden wohl verboten
Darum gehts: Der Bundesrat lässt bis Ende 2026 ein Verbot von Adoptionen aus dem Ausland ausarbeiten. Das sagte der zuständige Justizminister Beat Jans am Mittwoch vor den Medien. Er reagiert damit auf eine Reihe von Skandalen, an deren Aufdeckung auch der Beobachter beteiligt ist.
Warum das wichtig ist: Bei internationalen Adoptionen in die Schweiz ist es in der Vergangenheit in grossem Umfang zu Betrug, Zwang und Fahrlässigkeiten gekommen. Der Beobachter konnte beispielsweise aufzeigen, wie die St. Gallerin Alice Honegger in den 1950er- und 1960er-Jahren einen regelrechten Kinderhandel betrieb – teilweise mit der Mitwirkung der Behörden. In den vergangenen Jahren gab es kaum noch Auslandsadoptionen – aktuell sind es noch rund 30 pro Jahr. Aber weil man Missbrauch auch weiterhin nicht ausschliessen könne, werde die Praxis nun ganz verboten.
Das sagt der Beobachter: Beobachter-Reporter Otto Hostettler recherchiert seit Jahren zum Thema. Das Verbot findet er lobenswert – aber nicht zu Ende gedacht: «Der Bundesrat vergisst mit der neuen Regelung die Betroffenen.» Sprich: die Adoptierten, die bis heute nach ihren Eltern suchen. Sein Kommentar:
Verkehr: Nach dem Nein zum Autobahnausbau kommt die ganz grosse Pause
Darum gehts: Verkehrsminister Albert Rösti plant bei Verkehrsprojekten einen Neustart – ein ETH-Professor überprüft mehr als 260 Bahnprojekte. Fast alle grossen Bauprojekte werden neu bewertet – und könnten jahrelang verzögert oder gar ganz gestrichen werden. Die Ergebnisse der Prüfung sollen im Herbst vorliegen.
Warum das wichtig ist: Die Tabula rasa kommt nicht aus heiterem Himmel. Einerseits hat das Stimmvolk im November 2024 den Ausbauschritt bei den Nationalstrassen abgelehnt. Andererseits schockierte das Bundesamt für Verkehr die Politik im selben Monat mit einer neuen Kostenprognose für die geplanten Bahnprojekte. Statt 16 Milliarden Franken, wie vom Parlament bewilligt, werde alles zusammen 30 Milliarden Franken kosten.
Das sagt der Beobachter: Grundsätzlich ergibt es sicher Sinn, all die Projekte nun ganzheitlich anzuschauen. Es wäre allerdings nicht ganz ehrlich von der Regierung, wenn sie es – wie in ihrer Medienmitteilung – so darstellt, als würden sie allein die äusseren Umstände dazu zwingen. Ein weiterer Grund ist, dass der Bundesrat bei der Bahninfrastruktur sparen will. Ab 2027 will er jährlich 200 Millionen Franken weniger pro Jahr in den Fonds für die Bahninfrastruktur einzahlen. Und dazu gäbe es durchaus Alternativen.
⇒ Jetzt lesen: «Der Budgetplan ist von Anfang an unausgewogen»
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Onlineshopping: Temu ist beliebter als Digitec Galaxus
Darum gehts: Schweizerinnen und Schweizer lieben chinesische Billigware. Jede zweite Einwohnerin der Schweiz hat im Jahr 2024 mindestens einmal ein Produkt bei einer chinesischen E-Commerce-Plattform wie Temu, Shein, Wish oder Aliexpress bestellt. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Schweizer Vergleichsportals Comparis. Die Migros-Tochter Digitec Galaxus wurde im vergangenen Jahr erstmals als beliebteste Online-Einkaufsplattform der Schweiz von Temu entthront.
Warum das wichtig ist: Schweizer Händler zeigen sich laut einer Umfrage der Swiss Retail Federation «besorgt», gegen den Preisdruck nicht bestehen zu können. Der niedrige Preis wird von rund 70 Prozent der von Comparis befragten Schweizer Kunden als Hauptargument für einen Einkauf bei Temu und Co. genannt.
Das sagt der Beobachter: Spielwaren von Temu schnitten bei Tests miserabel ab, darum ist bei Einkäufen von chinesischen Billigwaren Vorsicht geboten. Der Beobachter rät ausserdem, sich beim Onlineshopping stets über Zollbestimmungen und eventuell anfallende Steuern und Gebühren zu informieren. Und: Vorsicht bei sehr günstigen Onlineshops mit .ch-Endungen: Meist wird dort dieselbe minderwertige Ware aus China verkauft, jedoch teurer und mit schlechteren Bedingungen für die Konsumentinnen und Konsumenten.
⇒ Jetzt lesen: Temu verkauft gefährliches Spielzeug
Hartes Urteil gegen den «Blick»: Gerechtigkeit? Schlag gegen die Pressefreiheit? Beides?
Darum gehts: Das Zuger Kantonsgericht hat in einem Urteil gegen den Ringier-Konzern, zu dem auch der Beobachter gehört, neue Massstäbe für die Gewinnherausgabe bei Persönlichkeitsverletzungen gesetzt. Es geht um den Fall Jolanda Spiess-Hegglin, bei dem der «Blick» mehrere persönlichkeitsverletzende Artikel veröffentlichte. Das Gericht entschied nun, dass Ringier 309’531 Franken an Spiess-Hegglin zahlen muss, basierend auf einer Berechnung der durch die Artikel erwirtschafteten Gewinne. Ringier hat bereits angekündigt, den Fall vor das Zuger Obergericht weiterzuziehen.
Warum das wichtig ist: Umstritten ist besonders die Methode zur Gewinnberechnung. Während Ringier gemäss eigenen Berechnungen nur rund 5000 Franken Gewinn durch die Artikel erwirtschaftet habe, fiel die Entscheidung schlussendlich zugunsten von Spiess-Hegglin aus, die einen viel höheren Betrag fordert. Sollte die im Urteil angewandte Berechnungsmethode von höheren Instanzen bestätigt werden, könnte dies weitreichende Folgen für die Schweizer Medienlandschaft haben. Insbesondere kleine Medienunternehmen könnten geschwächt werden. Aus Angst vor möglichen Verurteilungen zu hohen Summen bei heiklen Berichten könnten sie auf blosse Klagedrohungen hin klein beigeben.
Das sagt der Beobachter: Der Beobachter hat bereits mehrfach über den Fall Jolanda Spiess-Hegglin und dessen Auswirkungen berichtet. Im Artikel zum jüngsten Urteil erfahren Sie, welche Folgen der Anwalt und Medienrechtsexperte Simon Canonica erwartet und wie Spiess-Hegglin selbst das Urteil kommentiert:
Ausserdem wichtig diese Woche
- Long Covid macht rund 2 Prozent der IV-Anmeldungen aus. Das zeigt eine Studie des Bundes für die Jahre 2021 bis 2023. Nicht immer erhalten die Betroffenen schnelle und umfassende Hilfe, wie unsere Recherche zeigt.
- Der Bundesrat hat seine milliardenschweren Sparpläne präsentiert und in die Vernehmlassung geschickt. Diese waren letztes Jahr im «Richtig wichtig» immer wieder Thema.
- Der Bundesrat will mit Massnahmen im Arbeitsmarkt, im Wohnungsmarkt und im Asylbereich die Auswirkungen der Zuwanderung abfedern. Er reagiert damit auf eine Initiative der SVP, die eine Schweiz mit 10 Millionen Einwohnern verhindern soll.
- Das Bundesstrafgericht hat die Eltern eines IS-Kämpfers schuldig gesprochen. Sie sollen ihm Geld geschickt und damit Terror unterstützt haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
- Bundesrat legalisiert die Eizellenspende. Die Ei- und Samenzellenspende soll zudem auch für unverheiratete Paare möglich sein.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Daniel Faulhaber, Oliver Fuchs und Alexander Lüthi.
Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.