Mehr und breitere Velowege statt höhere Bussen
Velofahrer, die sich nicht an Verkehrsregeln halten, sollen saftige Bussen bezahlen, fordert SVP-Nationalrat Gregor Rutz. Es gibt eine bessere Lösung: mehr Platz für Pedaleure. Ein Kommentar von Beobachter-Redaktorin Caroline Freigang.
Veröffentlicht am 14. Oktober 2019 - 10:04 Uhr
SVP-Nationalrat Gregor Rutz will Velofahrende stärker in die Pflicht nehmen. Seine Argumentation: Probleme mit ihnen nähmen vor allem in den Städten zu. Rüpel würden «bald regelmässig» Fahrverbote missachten, Rotlichter ignorieren, auf dem Trottoir fahren. Rutz fordert darum höhere Bussen für Velofahrende, eine obligatorische Fahrzeugplakette und notfalls sogar den Einzug der Velos von besonders renitenten Pedaleuren.
Abgesehen davon, dass der Vorschlag in Zeiten der Klimakrise die falschen Anreize setzt, ist auch die Grundannahme falsch. Klar gibt es den einen oder anderen Rüpel auf zwei Rädern. Viele Leute in den Städten missachten Verkehrsregeln aber, weil sie sie gar nicht einhalten können. Velowege enden oft im Nichts, teilweise auf Trottoirs, oder existieren gar nicht erst. Radfahrende weichen bei neuen Tramsteigen auf den Gehweg aus, um nicht in den Schienen hängen zu bleiben, sie fahren auf Trottoirs, um bei den Baustellen in Städten ihr Leben nicht zu riskieren. Die Velo-Infrastruktur sei derzeit ein riesiger Flickenteppich, der das Velofahren unattraktiv und unsicher mache, sagt Mobilitätsexperte Thomas Sauter-Servaes von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Möchte Gregor Rutz tatsächlich etwas für die Verkehrssicherheit tun, sollte er den Ausbau der Velo-Infrastruktur vorantreiben. Sie ist derart mangelhaft, dass sie alle Verkehrsteilnehmer – Autolenker, Zweiradfahrer, Fussgänger – in den Wahnsinn und in Unfälle treibt. Sogar Burgdorf, gemäss Pro Velo die velofreundlichste Stadt der Schweiz, erhielt in einer Umfrage nur mittelgute Noten.
Gute Infrastruktur für Velofahrende ist einer der wichtigsten Faktoren für Strassensicherheit, zeigte kürzlich eine Studie der University of Colorado Denver. In Städten mit komplett abgetrennten Velowegen gebe es 44 Prozent weniger Tote im Strassenverkehr als in Städten mit wenig geschützten Velowegen. Die Anzahl Schwerverletzte sei halb so hoch.
«Viele Leute in den Städten missachten Verkehrsregeln, weil sie sie gar nicht einhalten können.»
Caroline Freigang, Beobachter-Redaktorin
An Vorbildern für eine bessere Velopolitik mangelt es nicht: Velostädte wie Amsterdam und Kopenhagen
zeigen seit Jahren, welche Konzepte wirken. Dass dort viele täglich mit dem Velo zur Arbeit oder zur Schule fahren, ist nicht kulturell bedingt. Dem Ganzen gingen klare Entscheidungen voraus: Kopenhagen hat in den letzten Jahrzehnten massiv in ein Velonetz mit Wegen so breit wie Autospuren investiert. Die Velospuren sind durch niedrige Schwellen klar vom Trottoir und der Strasse abgegrenzt.
Mehr Platz für Velofahrende sorgt dort nicht für mehr Chaos, sondern für geregelten Verkehr. Auf den Velowegen herrschen klare Regeln: Rechts fährt, wer es gemütlich nimmt, links, wer überholt. Ergänzt wird das Ganze durch spezifische Velohandzeichen. Hand hoch bedeutet: Ich halte an – bitte überhole. Das führt zu einem derart geschmeidigen Verkehr, dass 75 Prozent der velofahrenden Dänen auch bei Schneesturm , Wind und Wetter auf zwei Rädern unterwegs sind.
In der Schweiz verweist man oft auf den limitierten Platz in den Städten. Doch auch Kopenhagen und Amsterdam arbeiten mit begrenzter Fläche in engen Innenstädten. Für eine nachhaltige urbane Mobilität in der Schweiz brauche es darum eine neue Verteilung der Verkehrsflächen , ist Mobilitätsforscher Sauter-Servaes überzeugt. Autos müssten zwangsläufig Platz abgeben.
Genau daher dürfte der Widerwille in der Politik stammen, grundlegend etwas zu ändern. Es stehen Privilegien auf dem Spiel: die der Autofahrenden – für die sich auch Gregor Rutz’ Partei einsetzt.
Wie bei den Vierrädern gelten auch für Zweiräder gewisse Regeln. Erfahren Sie als Beobachter-Mitglied, welche speziellen Verkehrsregeln Velofahrer beachten sollten, wie Sie und Ihre Kinder mit dem Drahtesel am sichersten unterwegs sind und ob auf dem Velo eine Helmpflicht gilt.
4 Kommentare
Politisierende, kassierende "Lobbyisten" wie gewisse ParlamentarierInnen, kümmern sich leider nicht um ihren effektiven und von den Volks-Steuergeldern - sehr gut entlöhnten - Volks-Auftrag, sich um das "Volks-Wohl" zu kümmern und gehören aus dem Parlament verbannt!
Motorfahrzeug-Verbannung aus den Städten und ÖV-Anpassungen! Verkehrs-Chaos auf dem Strassennetz der überbevölkerten Mini-Schweiz (abertausende von EinzelfahrerInnen, überfordern das System) = Innovative, logische Verbesserungen: 1. aktives Fördern von "Car-Sharing", 2. Einführung eines Bus-Systems auf A-Bahnen-Strassen "STOP and Go"!
Es kann nur funktionieren, wenn alle Verkehrsteilnehmer, ob ein zwingendes Nummernschild am Heck oder nicht sich an die Verkehrsregeln halten und zwar freiwillig. Das bedeutet kein rechtsüberholen durch 2Rad-Fahrer (Motorräder genauso wie Radfahrer), keine Machtkämpfe (vor den Autos mittig fahren, damit die nicht durch kommen) und die Autofahrer mit genügend Abstand und ohne Extragas überholen. Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung ermöglicht ein gutes Miteinander.
Die Politiker machen das was sie können, lamentieren, diskutieren und die Bürger schikanieren. ;-). Es kann eben nicht jedem recht gemacht werden.
Lieber Bingojoker
Wie wäre es, wenn Sie die Verkehrsregeln selber einmal studieren? Seit wann ist es verboten, mit dem Velo an den Autos rechts vorbeizufahren? Genau das ist das Problem bei vielen Verkehrsteilnehmern: sie verfassen ihre eigenen Regeln, wie es ihnen gerade beliebt.
Politiker sollten anstelle von Aussagen wie man könnte, man sollte ... etc.
endlich einmal etwas machen. Das aber nicht wie Grün immer möchte auf Kosten anderer Verkehrsteilnehmer. Man schränkt z.B. die Fussgänger noch mehr ein oder macht das Verkehrspuff noch schlimmer indem man alles absperrt und gegen Tunnels und Umfahrungen wettert, mit den Argumenten, dass mit diesen Massnahmen der Autoverkehr noch attraktiver wäre in der Stadt.
Grün ist ja gut. Aber zu Grün ist die Pest.
Ausserdem muss endlich etwas gegen die schnellen E-Bikes unternommen werden. Die sind schon eine Gefahr für "normale" Velos.
Ich würde die Städte mit einer Mauer umgeben und die Stadt nur noch durch die Luft versorgen. Dann hätten die Velos endlich Platz...