Sie liebt die Natur, sie liebt das Reiten. Für Sonja Merz war immer klar, was sie beruflich machen möchte. Zumindest theoretisch. Denn die heute 46-Jährige ist Allergikerin. Der Kontakt mit Katzen, Hunden und Pferden löst bei ihr Hautausschläge, Jucken in der Nase, rote Augen und im schlimmsten Fall Asthma aus. Hinzu kommt der Heuschnupfen, der ihr während mehrerer Monate im Jahr das Leben erschwert. 

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Also schlug Merz beruflich einen anderen Weg ein. Sie ging in den kaufmännischen Bereich, arbeitete zuerst als Rechtsanwaltsassistentin, später in einer Personalabteilung. So richtig glücklich wurde sie dabei allerdings nie. «Ich wollte seit je Tierarzthelferin oder Pferdetrainerin werden», erklärt sie und schiebt nach: «Die Allergien haben mich daran gehindert, meinen Traumberuf auszuüben.»

Jede Menge Allergene in der Arbeitswelt

Merz ist nicht die Einzige, der Allergien bei der Berufswahl einen Strich durch die Rechnung machen. Jeder Fünfte leidet hierzulande an einer mehr oder weniger stark ausgeprägten krankhaften Abwehrreaktion des Immunsystems. Die damit verbundenen Herausforderungen in der Berufswelt sind vielfältig. So sind es bei Coiffeusen die Haarfarben, Dauerwellemittel, Duftstoffe oder Haarpflegeprodukte, die allergische Reaktionen auslösen können. Bäckern und Köchen können Mehlstaub, bestimmte Lebensmittel oder Desinfektions- und Reinigungsmittel gefährlich werden. Bei Pflegefachleuten sind es Latex, Desinfektionsmittel oder Medikamente. 

Metalle, Farben, Kühlschmiermittel, Reinigungs- und Lösungsmittel werden für manche Polymechaniker zum Problem, während es bei den Schreinern und Zimmerleuten vorwiegend Holzstaub, Harze und Lacke sind. Bei Bauern oder Gärtnern können Pollen oder Pflanzenschutzmittel Allergien auslösen, und im Labor oder bei der Tierpflege sind es Chemikalien beziehungsweise Allergene, die von den Tieren abgesondert werden.

Abklärung beugt Enttäuschungen vor

Umso wichtiger ist es, sich schon bei der Berufswahl zu überlegen, welche Einflüsse eine Allergie auf den Berufsalltag und somit die eigene Gesundheit haben könnte. «Ansonsten sind Enttäuschungen und Lehrabbrüche programmiert», sagt Sonja Hartmann, Projektleiterin und Beraterin bei Aha! Allergiezentrum Schweiz. Es ist für Allergiker sinnvoll, frühzeitig einen Allergologen, einen Arbeitsmediziner oder Fachleute des Allergiezentrums, der Suva oder der IV zu konsultieren, um herauszufinden, welchen Beruf man ausüben kann. 

«Natürlich ist etwa eine Kochlehre bei einer schweren Nahrungsmittelallergie ungeeignet», so Sonja Hartmann. Eine Pollenallergie könne hingegen dank Prävention und Therapien oft so weit unter Kontrolle gebracht werden, dass allenfalls sogar eine Berufslehre als Florist möglich ist.

Dauernder Rechtfertigungsdruck

Allen Allergenen kann man im Berufsleben nicht ausweichen, wie Hanny Hunziker weiss. Seit der Kindheit leidet die 68-Jährige an Heuschnupfen und chronischer Nesselsucht. Auch auf Hunde- und Katzenhaar reagiert sie. Statt einer Ausbildung in einem Beruf mit Tieren absolvierte sie eine Handelsschule.

Als spätere Amtsvormundin und Berufsbeiständin war sie zwar nicht in einem für Allergiker riskanten Beruf tätig, doch es reichten bereits eine bestimmte Baumart vor dem Bürofenster oder Besuche bei Klienten auf dem Land, um bei ihr einen «güggelroten Kopf mit Pusteln» auszulösen. «Viele Klienten haben mich darauf angesprochen. Es war etwas mühsam, sich ständig rechtfertigen zu müssen», erinnert sich die Rentnerin.

Auch Büropflanzen, Blumengeschenke oder das geöffnete Fenster belasteten Hunziker. Antihistamintabletten und Nasenspray halfen zwar gegen die Symptome, machten sie aber auch häufig müde. «Die Krankheit ist ein Teil von mir, den ich akzeptieren und mit dem ich so gut wie möglich umgehen muss», sagt Hunziker.

Rat zur Schnupperlehre

Doch auch wer noch nie allergische Reaktionen hatte, muss bei einigen Berufen vorsichtig sein. «Allergien können plötzlich und unabhängig vom Alter auftauchen. Mit manchen Stoffen kommt man zuvor auch schlicht nie in Kontakt», warnt Sonja Hartmann. Aus diesem Grund rät sie zu Schnupperlehren. «Doch selbst dann ist es nicht sicher, dass man eine allfällige Allergie feststellen kann. In manchen Fällen dauert es etwas länger, bis eine Reaktion ausgelöst wird.» 

«Man unterstellte mir sogar psychische Probleme. Es war äusserst belastend.»

Monika Duttiné, Pharmaassistentin

Diese Erfahrung musste Monika Duttiné machen. Als Pharmaassistentin stellte sie in einer Krankenhausapotheke Chemotherapien her. Plötzlich erkrankte sie an Neurodermitis und erlitt regelmässig starke Asthmaanfälle. Am Wochenende ging es ihr immer auffallend besser. «Kein Arzt fand heraus, was der Auslöser für die Symptome war. Man unterstellte mir sogar psychische Probleme. Es war äusserst belastend.»

Erst in einer Spezialklinik in Davos stellten die Ärzte fest, dass Duttiné während ihrer Arbeit eine Latexallergie entwickelt hatte. «Man hat mich bei der Einstellungsuntersuchung mit keinem Wort darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Beruf ein Risiko besteht, allergisch gegen Latex zu werden.»

Die 55-Jährige hat ihr Handicap mittlerweile in einen Vorteil umgewandelt. Heute ist sie in der Kosmetikindustrie tätig, wo sie unter anderem Teil einer Fachgruppe für die Verträglichkeit von Produkten ist. Weil sie auch noch an anderen Allergien wie Heuschnupfen, Hausstaub- und Lebensmittelallergie leidet, ist ihr Berufsalltag dennoch weiter eingeschränkt. «Mein Vorgesetzter hat mir jedoch erlaubt, zweimal wöchentlich im Homeoffice zu arbeiten, um dem Grossraumbüro mit all seinen Allergenen zu entfliehen.»

Im Ermessen des Arbeitgebers

Rechtlich stehen Chefs nicht in der Pflicht, sich den Allergien von Mitarbeitern anzupassen. Zwar muss ein Arbeitgeber alle möglichen Massnahmen treffen, um gewisse Gesundheitsrisiken zu verhindern. Wie sehr er jedoch auf Allergieerkrankungen eines Mitarbeiters eingeht, liegt in seinem Ermessen.

«Wenn sich jemand für eine Stelle bewirbt und weiss, dass er den Job aufgrund einer bestehenden Allergie nicht ausführen kann, müsste er dies dem potenziellen Arbeitgeber mitteilen, da für beide Parteien der Grundsatz von Treu und Glauben gilt», erklärt Serkan Isik, Sprecher der Suva.

«Wenn die Allergie aber während der Anstellung auftritt und der Arbeitnehmer dadurch seiner Arbeit nicht nachgehen kann, ist es ein Fall von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit.» Entweder könne der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine andere Arbeit zuweisen oder eine Kündigung nach den Vorschriften des Obligationenrechts in Betracht ziehen.

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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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