Ausweis weg – auch wenn es keine Verletzten gab?
Frage: Ich habe bei der Einfahrt in einen Kreisel den Vortritt eines von links kommenden Autos missachtet. Es gab eine Streifkollision – ohne Verletzte. Neben 500 Franken Busse soll ich nun auch noch den Ausweis für einen Monat abgeben. Ist das korrekt?
aktualisiert am 22. März 2021 - 10:23 Uhr
Wenn man nur vom Ergebnis des Unfalls ausgeht, ist Ihre Frage berechtigt. Doch das Strassenverkehrsrecht stellt eben nicht darauf ab, ob bei einem Unfall etwas «passiert» ist respektive ob Menschen verletzt oder gar getötet wurden.
Massgebend ist vielmehr das fehlerhafte Verkehrsmanöver als solches – und die Frage, ob es Sach- oder Personenschaden hätte bewirken können. Mit anderen Worten: Das Gesetz will Unfallverursacher nicht milder oder härter bestrafen, nur weil sie Glück oder Pech hatten.
Wenn ein Vortritt missachtet wird, ist das eine Verkehrsregelverletzung, die nicht im Ordnungsbussenverfahren erledigt werden kann. Daher landet eine solche immer bei der Staatsanwaltschaft. Wenn keine sogenannte schwere Widerhandlung vorliegt, wird sie gleich einen Strafbefehl erlassen. Das dürfte auch in Ihrem Fall so gewesen sein. Wenn man bedenkt, dass bei Übertretungen die Busse bis zu 10'000 Franken betragen kann, ist die Staatsanwaltschaft bei Ihnen mit den 500 Franken sicher von leichtem Verschulden ausgegangen.
Die Staatsanwaltschaft muss die Bestrafung dem Strassenverkehrsamt melden. Dieses hat dann zu entscheiden, ob zusätzlich eine Administrativmassnahme – eine Verwarnung oder ein Ausweisentzug – anzuordnen ist.
Im Strassenverkehrsgesetz steht zwar, dass mit einer Verwarnung davonkommt, wer nur eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft – wenn ihn dabei nur leichtes Verschulden trifft. Doch das Bundesgericht hat einer zu laschen Auslegung einen Riegel geschoben: Wenn ein Unfall – wie bei Ihnen – zu einer konkreten Gefährdung führt, liegt eine mittelschwere Widerhandlung vor, die immer einen Ausweisentzug von mindestens einem Monat zur Folge hat.
Dass niemand verletzt wurde, spielt keine Rolle, denn bei einem etwas anderen Verlauf hätte der Unfall durchaus gravierendere Folgen haben können. Somit hatte das Strassenverkehrsamt keine andere Wahl, als Ihnen den Ausweis für einen Monat zu entziehen.
Droht nach einem Verkehrsdelikt ein Ausweisentzug, hat man Anspruch auf rechtliches Gehör. Beobachter-Mitglieder erfahren, wie sie am besten gegen eine Verfügung Stellung nehmen, wie lange ein Ausweisentzug dauert und was man unter Umständen tun kann, um den Führerschein vorzeitig zurückzuerhalten.
- 1Übersicht zum Verfahren nach einer Verkehrsregelverletzung
- 2Fahrausweisentzug nach leichter Widerhandlung
- 3Wie lange dauert der Ausweisentzug?
- 4Zum Ausweisentzug Stellung nehmen
- 5Vorzeitige Rückgabe nach Ausweisentzug möglich?
- 6Kann man den Zeitpunkt des Ausweisentzugs wählen?
- 7Wie lange bin ich im Administrativmassnahmen-Register (ADMAS) vermerkt?