Was der Beobachter 2021 bewegt hat
Auch in diesem Jahr haben wir aufgedeckt, kritisiert, angeregt. Was hat es gebracht? Zehn Beispiele, wie der Beobachter die Schweiz ein bisschen besser gemacht hat.
Veröffentlicht am 27. Dezember 2021 - 14:33 Uhr
- 1 – Pilotprozess ermöglicht
- 2 – Zürcher Chefarzt tritt ab
- 3 – Zwangsarbeit wird untersucht
- 4 – Versteckte Kinder – Verein kämpft
- 5 – Spenden für blinde Mutter
- 6 – Krankenkassen gebändigt
- 7 – Gedenkstätte für Naziopfer
- 8 – Meldestelle Kinderpornografie
- 9 – Bondo – jetzt wird untersucht
- 10 – Augenärzte müssen zahlen
Aargauer Gemeinden nötigen Sozialhilfebezüger dazu, ihre Altersvorsorge aufzulösen – um Sozialhilfeschulden zurückzuzahlen. Das torpediert die Bundesverfassung: PK-Gelder sollen das Alter absichern.
Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht hat einen Fall bis vor Bundesgericht gezogen, unterstützt von der Stiftung SOS Beobachter. Ziel: ein Leiturteil, das dem einen Riegel schiebt.
Die Aargauer Regierung hat bereits reagiert und will die Praxis nicht mehr dulden. Jetzt müssen sich die Gemeinden dazu äussern.
Lesen Sie dazu:
- 27.12.2021 – Bundesgericht pfeift Aargauer Behörden zurück
- 22.10.2021 – Wie Aargauer Gemeinden den Sinn der Sozialhilfe torpedieren
- 22.10.2021 – Beobachter ermöglicht Pilotprozess vor Bundesgericht
- 14.08.2020 – Aargauer Gemeinde bringt Frau um ihr Altersguthaben
Ein Kieferchirurg hat im März 2021 seine Professur an der Universität Zürich abgegeben. Zuvor hatte er bereits das Zürcher Unispital verlassen. Der Hintergrund: Der Chefarzt leitete Patientinnen und Patienten des Unispitals an seine Privatpraxis am Zentrum für Zahnmedizin der Universität und strich so Privathonorare ein. Das deckte der Beobachter bereits 2020 auf . Das Spital kam später zum Schluss, dass der Chirurg und Chefarzt das Spital um rund 330'000 Franken geschädigt habe. Er verneint das.
Lesen Sie dazu:
- 12.03.2021 – Doppel-Professor tritt jetzt ganz ab
- 02.07.2020 – Universität Zürich schützt Chefarzt
- 29.03.2020 – Kassieren, ohne zu arbeiten
Zürichs Stadtregierung muss das Kapitel um die Zwangsarbeit in Emil Bührles Spinnerei untersuchen. Der Beobachter hat die verbotene Kinderarbeit im Marienheim Dietfurt SG publik gemacht
. Mindestens 300 Mädchen waren im Fabrikheim durch Fürsorgebehörden zwangsinterniert und mussten in Bührles Spinnerei arbeiten. Eine Motion im Zürcher Parlament verlangt jetzt eine historische Aufarbeitung. Das Verhalten der Fürsorgebehörden müsse geklärt werden.
Ob auch das Kunsthaus Zürich im Rahmen seiner Bührle-Kunstausstellung über das Schicksal der Mädchen informieren wird, ist unklar.
Lesen Sie dazu:
- 22.10.2021 – Der Beobachter fordert: Reiner Tisch bei Zwangsarbeit
- 22.10.2021 – Akte Bührle – Teil 4: Das Versagen der Behörden (Be+)
- 11.10.2021 – Die New York Times zitiert die Beobachter-Berichterstattung zur «Akte Bührle»
- 05.10.2021 – Akte Bührle – Teil 3: Die Geschäftspraktiken des Emil G. Bührle
- 09.09.2021 – Akte Bührle – Teil 2: Bührle und die «Mädchen» aus Italien (Be+)
- 26.08.2021 – Akte Bührle – Teil 1: Zwangsarbeit in der Spinnerei (Be+)
- 26.08.2021 – Zwangsarbeit für Emil Bührle
- 21.11.2016 – Museen unter Verdacht
- 01.09.2015 – Mehr Licht in die Dunkelkammern von Museen
- 07.06.2010 – Von der Kunst, Steuern zu sparen
Bis in die 1990er-Jahre wurden Gastarbeiterkinder in Wohnungen versteckt, in Kinderheimen versorgt oder abgeschoben. Der Beobachter recherchierte 2019
das Schicksal Tausender Kinder, hauptsächlich von italienischen Saisonniers.
Seither ist einiges passiert: Die Uni Neuenburg untersucht die historischen Bedingungen, unter denen die Kinder leben mussten; dieses Jahr startete eine Studie, die den Einfluss auf die psychische Gesundheit untersucht. Im Oktober wurde der Verein Tesoro gegründet, der drei Forderungen aufgestellt hat: eine Entschuldigung der Schweizer Behörden, eine historische Aufarbeitung und eine Entschädigung für das Leid.
Lesen Sie dazu:
- 12.02.2021 – Die Zeit des Schweigens ist vorbei
- 04.12.2020 – Wie geht es den versteckten Kindern heute?
- 26.09.2019 – Verboten, versteckt und abgeschoben
Eine Mutter erblindet bei der Geburt ihres vierten Kindes. Niemand hilft ihr, auch die Behörden nicht. Nur ein ehrenamtlicher Rotkreuzfahrer hörte ihr zu und gelangte dann an den Beobachter.
Die Publikation des Artikels hat eine grosse Solidarität bei den Leserinnen und Lesern ausgelöst. Jemand spendete zum Beispiel eine Gitarre für die Mutter. Auch Sommerferien für die zwei älteren Kinder konnten so finanziert werden. Seit August erhält die Mutter nun endlich eine IV-Rente. Die elf Monate davor hat sie dank Spenden überbrücken können.
Lesen Sie dazu:
- 06.07.2021 – Grosse Solidarität für erblindete Mutter
- 18.06.2021 – Zum Glück war da ein guter Mensch
Mehrfach kritisierte der Beobachter Krankenkassen, die Versicherten einen Kostenbeitrag für den Tag des Spitaleintritts und den Austrittstag verrechnen: einen Tag zu viel. Insgesamt geht es um 22 Millionen Franken pro Jahr. Ein Zürcher Gericht hatte dies für widerrechtlich erklärt. Doch Kassen und das Bundesamt für Gesundheit ignorierten das Urteil, das eine Prix-Courage-Kandidatin erwirkt hatte.
Nach anhaltender Kritik kam es zu Vorstössen im Parlament. Im Mai beendete der Bundesrat schliesslich die stossende Praxis.
Lesen Sie dazu:
- 26.05.2021 – Bundesrat gibt Krankenkassen den Tarif durch
- 24.09.2019 – So tricksen Krankenkassen mit dem Austrittstag
- 12.09.2019 – Nominiert für den Prix Courage 2019: Gaby Igual stoppte eine Millionenabzocke der Krankenkassen
- 28.08.2019 – Patienten zahlten Millionen zu viel
Der Bund soll in Bern ein Denkmal errichten für die Schweizer Opfer des Nationalsozialismus. Rund 1000 Schweizerinnen und Schweizer wurden in die Konzentrationslager der Nazis gesperrt, viele wurden ermordet. Unzählige Flüchtlinge wurden an der Schweizer Grenze abgewiesen.
Die Forderung nach einem «Schweizer Ort der Erinnerung» wird von allen Fraktionen im Bundesparlament unterstützt. Die Idee dazu hatte Remo Gysin, Ex-Präsident der Auslandschweizer-Organisation, aufgrund einer Recherche des Beobachters. Der Bericht zeigte , dass insbesondere Auslandschweizer, Widerstandskämpfer, Homosexuelle, Juden und Frauen Opfer waren.
Lesen Sie dazu:
- 06.04.2021 – Parlament will offizielle Gedenkstätte für Schweizer Nazi-Opfer
- 27.11.2020 – Mahnmale für Schweizer Nazi-Opfer gesetzt
- 07.12.2017 – Die vergessenen Schweizer Opfer
Im Internet grassiert die Kinderpornografie. Der Beobachter zeigte auf, dass weltweit ständig rund 750'000 potenzielle Täter im Netz unterwegs sind. 7959 Verdachtsfälle sind von internationalen Stellen an die Schweiz weitergereicht worden. Wie viele Verfahren und Verurteilungen daraus resultieren, weiss niemand.
Trotzdem gibt es keine Übersicht und keine nationale Strategie zur Bekämpfung der Kinderpornografie. Das soll sich nun ändern.
2022 wird eine private Meldestelle für Kinderpornografie ihren Betrieb aufnehmen. Sie nimmt Hinweise entgegen, von Privatpersonen, Lehrkräften und IT-Dienstleistern. Dazu gibt es Beratung und Präventionsangebote. Trägerschaft der Meldestelle sind die Guido-Fluri-Stiftung und die Stiftung Kinderschutz Schweiz.
Lesen Sie dazu:
- 11.03.2021 – Das Versagen der Schweiz im Kampf gegen Kinderpornografie (Be+)
- 11.03.2021 – «Wir können nicht länger zuwarten»
Der Bergsturz im Bergell vom 23. August 2017 sei nicht vorhersehbar gewesen. Mit dieser Begründung wies die Bündner Staatsanwaltschaft die Untersuchung ab, ob die Behörden für den Tod von acht Alpinisten in der Verantwortung stehen.
Der Beobachter berichtete mehrfach über lückenhafte Untersuchungen. Der Leiter des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung forderte eine unabhängige Untersuchung «zur Frage der Vorhersehbarkeit des Ereignisses».
Nach einem Bundesgerichtsentscheid vom Februar muss der Fall neu aufgerollt werden. Und die Bündner Staatsanwaltschaft lenkt nun doch ein: Sie lässt ein unabhängiges Gutachten erstellen.
Lesen Sie dazu:
- 07.12.2021 – War das Unglück von Bondo verhinderbar? Jetzt wird untersucht
- 26.08.2021 – «Es ist wichtig, dass die ganze Wahrheit herauskommt»
- 22.04.2021 – Neue Erkenntnisse zum Bergsturz von Bondo: Es war ein Drama mit Ansage (Be+)
Vor drei Jahren deckte der Beobachter zweifelhafte Abrechnungspraktiken und andere Missstände bei Augenärzten auf.
Manche betrieben Briefkastenfirmen mit dem Zweck, den Krankenkassen höhere Einkaufspreise für Kunstlinsen und Verbrauchsmaterial vorzutäuschen. Andere schwatzten betagten Patientinnen und Patienten mit grauem Star Linsen mit fragwürdigen Zusatzfunktionen auf, etwa UV-Filter oder Filter für «verbessertes Nachtsehen». Den Aufpreis steckten sie in die eigene Tasche.
Mehrere Krankenversicherer überprüften nach dem Erscheinen des Berichts die Praktiken. Inzwischen konnten sie mehrere Millionen Franken von Ärzten zurückfordern.
Lesen Sie dazu:
- 04.12.2020 – Augenärzte müssen Millionen zurückzahlen
- 22.11.2018 – Fragwürdige Abrechnungen für «Grauer Star»-Patienten (Be+)
- 31.07.2018 – Grauer Star – wie sich Augenärzte durch die Operation bereichern (Be+)
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1 Kommentar
Schweizer "Beobachter, K-Tip, Kassensturz....was für ein Glück für die Bevölkererung, zu wissen, dass es Menschen gibt, welche sich - seit Jahrzehnten - ehrlich um Aufdeckung von Missständen in verschiedenen Bereichen im Land kümmern, sich für andere Menschen und deren Recht einsetzen! Ein grosses Dankeschön dafür!